Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Litauische Volkslieder
Dann kommt er an mein Grab,
Klopft an der Schwester Kreuzlein
Mit seinem Weidenstab:

[Beginn Spaltensatz]
Steh auf! Steh auf! Erhebe
Dich. Lilie! Du Junge!
Komm in die Stube! Wehe!
Nah' uns auch Hemden! Höre!
Du schläfst so lang! Erwache!
[Spaltenumbruch]
Ach Brüderchen, nicht störe
Mich Müde! Meine Augen
Sind trüb schon. Meine Hände
Nicht mehr zur Arbeit taugen.
[Ende Spaltensatz]
3

[Beginn Spaltensatz]
Das waren Tage!
Ach, schöne Tage!
Die ich verlebte
Beim Mütterlein:
Zum Felde ging ich.
Tat leichte Arbeit,
Nach Hause kam ich,
Hört' liebes Wort:
Mütterchen sagte mir,
Wenn sie zur Scheune ging:
Töchterchen gehe nur
Schlafen im Schatten!
Im Schatten liegend,
Blumenduft atmend,
Sah ich im Fenster
Den Mond erscheinen.
Auf Vaters Garten
Lag Sonnenfrieden,
Auf grünen Blättern.
Auf weißen Wegen -- --
[Spaltenumbruch]
Ach nun sind Tage!
Ach, böse Tage:
Ein schweres Leben
Bei der Mutter vom Burschen,
Den ich gefreit:
Ins Feld ich gehe,
Tu schwere Arbeit,
Hör', heimgekommen,
Nur harte Worte.
Die Schwieger redet,
Wenn sie zur Scheune geht:
Lauf, Schwiegertochter,
Die Füllen hüten!
Die Füllen hüt' ich.
Wate durch Sümpfe;
Durch Erlenblätter
Der Mond mir scheint.
Auf hohem Berge")
Die Sonne vergeht,
Und meine Tränen
Keiner mehr zählt.
[Ende Spaltensatz]
4

[Beginn Spaltensatz]
Gelb sind die Ähren,
Heiß brennt die Sonne,
Still unter Bäumen mein Mädchen ruht,
In süßem Traume
Schläft meine junge Blume.
[Spaltenumbruch]
Wer sie kann wecken
Die Tranke, die Feine,
Wer mir die junge Blume erweckt,
Dem werd' ich geben
Mein schönes braunes Pferd.
[Ende Spaltensatz]

*) Vgl. die Anmerkung auf S> 467.
Litauische Volkslieder
Dann kommt er an mein Grab,
Klopft an der Schwester Kreuzlein
Mit seinem Weidenstab:

[Beginn Spaltensatz]
Steh auf! Steh auf! Erhebe
Dich. Lilie! Du Junge!
Komm in die Stube! Wehe!
Nah' uns auch Hemden! Höre!
Du schläfst so lang! Erwache!
[Spaltenumbruch]
Ach Brüderchen, nicht störe
Mich Müde! Meine Augen
Sind trüb schon. Meine Hände
Nicht mehr zur Arbeit taugen.
[Ende Spaltensatz]
3

[Beginn Spaltensatz]
Das waren Tage!
Ach, schöne Tage!
Die ich verlebte
Beim Mütterlein:
Zum Felde ging ich.
Tat leichte Arbeit,
Nach Hause kam ich,
Hört' liebes Wort:
Mütterchen sagte mir,
Wenn sie zur Scheune ging:
Töchterchen gehe nur
Schlafen im Schatten!
Im Schatten liegend,
Blumenduft atmend,
Sah ich im Fenster
Den Mond erscheinen.
Auf Vaters Garten
Lag Sonnenfrieden,
Auf grünen Blättern.
Auf weißen Wegen — —
[Spaltenumbruch]
Ach nun sind Tage!
Ach, böse Tage:
Ein schweres Leben
Bei der Mutter vom Burschen,
Den ich gefreit:
Ins Feld ich gehe,
Tu schwere Arbeit,
Hör', heimgekommen,
Nur harte Worte.
Die Schwieger redet,
Wenn sie zur Scheune geht:
Lauf, Schwiegertochter,
Die Füllen hüten!
Die Füllen hüt' ich.
Wate durch Sümpfe;
Durch Erlenblätter
Der Mond mir scheint.
Auf hohem Berge")
Die Sonne vergeht,
Und meine Tränen
Keiner mehr zählt.
[Ende Spaltensatz]
4

[Beginn Spaltensatz]
Gelb sind die Ähren,
Heiß brennt die Sonne,
Still unter Bäumen mein Mädchen ruht,
In süßem Traume
Schläft meine junge Blume.
[Spaltenumbruch]
Wer sie kann wecken
Die Tranke, die Feine,
Wer mir die junge Blume erweckt,
Dem werd' ich geben
Mein schönes braunes Pferd.
[Ende Spaltensatz]

*) Vgl. die Anmerkung auf S> 467.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0480" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/328580"/>
            <fw type="header" place="top"> Litauische Volkslieder</fw><lb/>
            <lg xml:id="POEMID_29" type="poem" next="#POEMID_30">
              <l> Dann kommt er an mein Grab,<lb/>
Klopft an der Schwester Kreuzlein<lb/>
Mit seinem Weidenstab:</l>
            </lg><lb/>
            <cb type="start"/>
            <lg xml:id="POEMID_30" prev="#POEMID_29" type="poem" next="#POEMID_31">
              <l> Steh auf! Steh auf! Erhebe<lb/>
Dich. Lilie! Du Junge!<lb/>
Komm in die Stube! Wehe!<lb/>
Nah' uns auch Hemden! Höre!<lb/>
Du schläfst so lang! Erwache!</l>
            </lg>
            <cb/><lb/>
            <lg xml:id="POEMID_31" prev="#POEMID_30" type="poem">
              <l> Ach Brüderchen, nicht störe<lb/>
Mich Müde! Meine Augen<lb/>
Sind trüb schon. Meine Hände<lb/>
Nicht mehr zur Arbeit taugen.</l>
            </lg>
            <cb type="end"/><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> 3</head><lb/>
            <cb type="start"/>
            <lg xml:id="POEMID_32" type="poem" next="#POEMID_33">
              <l> Das waren Tage!<lb/>
Ach, schöne Tage!<lb/>
Die ich verlebte<lb/>
Beim Mütterlein:</l>
            </lg>
            <lg xml:id="POEMID_33" prev="#POEMID_32" type="poem" next="#POEMID_34">
              <l> Zum Felde ging ich.<lb/>
Tat leichte Arbeit,<lb/>
Nach Hause kam ich,<lb/>
Hört' liebes Wort:</l>
            </lg>
            <lg xml:id="POEMID_34" prev="#POEMID_33" type="poem">
              <l> Mütterchen sagte mir,<lb/>
Wenn sie zur Scheune ging:<lb/>
Töchterchen gehe nur<lb/>
Schlafen im Schatten!</l>
            </lg>
            <list>
              <item> Im Schatten liegend,<lb/>
Blumenduft atmend,<lb/>
Sah ich im Fenster<lb/>
Den Mond erscheinen.<lb/>
Auf Vaters Garten<lb/>
Lag Sonnenfrieden,<lb/>
Auf grünen Blättern.<lb/>
Auf weißen Wegen &#x2014; &#x2014;</item>
            </list>
            <cb/><lb/>
            <list>
              <item> Ach nun sind Tage!<lb/>
Ach, böse Tage:<lb/>
Ein schweres Leben<lb/>
Bei der Mutter vom Burschen,<lb/>
Den ich gefreit:</item>
              <item> Ins Feld ich gehe,<lb/>
Tu schwere Arbeit,<lb/>
Hör', heimgekommen,<lb/>
Nur harte Worte.</item>
              <item> Die Schwieger redet,<lb/>
Wenn sie zur Scheune geht:<lb/>
Lauf, Schwiegertochter,<lb/>
Die Füllen hüten!</item>
              <item> Die Füllen hüt' ich.<lb/>
Wate durch Sümpfe;<lb/>
Durch Erlenblätter<lb/>
Der Mond mir scheint.<lb/>
Auf hohem Berge")<lb/>
Die Sonne vergeht,<lb/>
Und meine Tränen<lb/>
Keiner mehr zählt.</item>
            </list>
            <cb type="end"/><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> 4</head><lb/>
            <cb type="start"/>
            <lg xml:id="POEMID_35" type="poem" next="#POEMID_36">
              <l> Gelb sind die Ähren,<lb/>
Heiß brennt die Sonne,<lb/>
Still unter Bäumen mein Mädchen ruht,<lb/>
In süßem Traume<lb/>
Schläft meine junge Blume.</l>
            </lg>
            <cb/><lb/>
            <lg xml:id="POEMID_36" prev="#POEMID_35" type="poem">
              <l> Wer sie kann wecken<lb/>
Die Tranke, die Feine,<lb/>
Wer mir die junge Blume erweckt,<lb/>
Dem werd' ich geben<lb/>
Mein schönes braunes Pferd.</l>
            </lg>
            <cb type="end"/><lb/>
            <note xml:id="FID_101" place="foot"> *) Vgl. die Anmerkung auf S&gt; 467.</note><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0480] Litauische Volkslieder Dann kommt er an mein Grab, Klopft an der Schwester Kreuzlein Mit seinem Weidenstab: Steh auf! Steh auf! Erhebe Dich. Lilie! Du Junge! Komm in die Stube! Wehe! Nah' uns auch Hemden! Höre! Du schläfst so lang! Erwache! Ach Brüderchen, nicht störe Mich Müde! Meine Augen Sind trüb schon. Meine Hände Nicht mehr zur Arbeit taugen. 3 Das waren Tage! Ach, schöne Tage! Die ich verlebte Beim Mütterlein: Zum Felde ging ich. Tat leichte Arbeit, Nach Hause kam ich, Hört' liebes Wort: Mütterchen sagte mir, Wenn sie zur Scheune ging: Töchterchen gehe nur Schlafen im Schatten! Im Schatten liegend, Blumenduft atmend, Sah ich im Fenster Den Mond erscheinen. Auf Vaters Garten Lag Sonnenfrieden, Auf grünen Blättern. Auf weißen Wegen — — Ach nun sind Tage! Ach, böse Tage: Ein schweres Leben Bei der Mutter vom Burschen, Den ich gefreit: Ins Feld ich gehe, Tu schwere Arbeit, Hör', heimgekommen, Nur harte Worte. Die Schwieger redet, Wenn sie zur Scheune geht: Lauf, Schwiegertochter, Die Füllen hüten! Die Füllen hüt' ich. Wate durch Sümpfe; Durch Erlenblätter Der Mond mir scheint. Auf hohem Berge") Die Sonne vergeht, Und meine Tränen Keiner mehr zählt. 4 Gelb sind die Ähren, Heiß brennt die Sonne, Still unter Bäumen mein Mädchen ruht, In süßem Traume Schläft meine junge Blume. Wer sie kann wecken Die Tranke, die Feine, Wer mir die junge Blume erweckt, Dem werd' ich geben Mein schönes braunes Pferd. *) Vgl. die Anmerkung auf S> 467.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/480
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/480>, abgerufen am 04.05.2024.