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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr.

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Reste germanischen volkstums in Nordfrankreich
v Architekt H. A, Waldner on

as Studium der Spuren germanischer Art und Sitte, die sich in den
Volksbräuchen, der Namengebung, der Sprache, usw. in den nord¬
französischen Gebieten erhalten haben, hat öfter unsere Germanisten
beschäftigt, und die Ergebnisse dieser Untersuchungen sind in
manchen bedeutsamen Abhandlungen niedergelegt. Noch recht
wenig ist dagegen auf dem Felde der Bauuntersuchung geschehen, besonders der
Wohnbau dieser Gebiete wartet noch auf eine sorgfältige und planmäßige
Untersuchung der erhaltenen Reste.

Das ist um so mehr zu verwundern, als in Deutschland und in den an¬
grenzenden Teilen von Holland und Belgien die Erforschung der ältesten Wohn¬
bautypen schon recht sorgfältig durchgearbeitet ist, wenn auch hier noch manche
Fragen ihrer Lösung harren. Jedenfalls sind hier schon längst Altertums¬
forscher und Altertumsfreunde bemüht, das Vorhandene zu schützen und durch
sorgfältige Aufnahmen des Bestandes einer wissenschaftlichen Durcharbeitung
und Vergleichung sichere Anhaltspunkte zu geben.

Unterdessen ist leider in den einst germanischen Teilen Nordfrankreichs die
beste Gelegenheit zur Erhaltung und Aufnahme der letzten Reste ältester Wohn¬
weise versäumt worden. Welche Schäden der Krieg, der heute gerade in diesen
Landen tobt, an den ohnehin so gefährdeten Überbleibseln mittelalterlicher
Wohnweise aus dem Lande und in den kleinen Städten anrichten wird, läßt
sich heute noch nicht übersehen. Jedenfalls wird aber die Pflicht, das Ver¬
bleibende wissenschaftlich zu untersuchen und durch Aufnahmen festzuhalten, eine
wichtige Aufgabe für die germanische Külturforschung nach dem Kriege bilden
müssen.

Es kann kein Zweifel darüber herrschen, daß in einem Lande, in dem
heute noch (in der einst sächsisch besiedelten Gegend von Boulogne) ein germanischer
Dialekt lebt, auch die Bauweise der ländlichen Gebiete noch lange Erinnerungen
an die alte germanische Hausbauweise festgehalten hat. Es ist ja bekannt, daß
sich diese Grundformen bei der Landbevölkerung jahrhundertelang erhalten,




Reste germanischen volkstums in Nordfrankreich
v Architekt H. A, Waldner on

as Studium der Spuren germanischer Art und Sitte, die sich in den
Volksbräuchen, der Namengebung, der Sprache, usw. in den nord¬
französischen Gebieten erhalten haben, hat öfter unsere Germanisten
beschäftigt, und die Ergebnisse dieser Untersuchungen sind in
manchen bedeutsamen Abhandlungen niedergelegt. Noch recht
wenig ist dagegen auf dem Felde der Bauuntersuchung geschehen, besonders der
Wohnbau dieser Gebiete wartet noch auf eine sorgfältige und planmäßige
Untersuchung der erhaltenen Reste.

Das ist um so mehr zu verwundern, als in Deutschland und in den an¬
grenzenden Teilen von Holland und Belgien die Erforschung der ältesten Wohn¬
bautypen schon recht sorgfältig durchgearbeitet ist, wenn auch hier noch manche
Fragen ihrer Lösung harren. Jedenfalls sind hier schon längst Altertums¬
forscher und Altertumsfreunde bemüht, das Vorhandene zu schützen und durch
sorgfältige Aufnahmen des Bestandes einer wissenschaftlichen Durcharbeitung
und Vergleichung sichere Anhaltspunkte zu geben.

Unterdessen ist leider in den einst germanischen Teilen Nordfrankreichs die
beste Gelegenheit zur Erhaltung und Aufnahme der letzten Reste ältester Wohn¬
weise versäumt worden. Welche Schäden der Krieg, der heute gerade in diesen
Landen tobt, an den ohnehin so gefährdeten Überbleibseln mittelalterlicher
Wohnweise aus dem Lande und in den kleinen Städten anrichten wird, läßt
sich heute noch nicht übersehen. Jedenfalls wird aber die Pflicht, das Ver¬
bleibende wissenschaftlich zu untersuchen und durch Aufnahmen festzuhalten, eine
wichtige Aufgabe für die germanische Külturforschung nach dem Kriege bilden
müssen.

Es kann kein Zweifel darüber herrschen, daß in einem Lande, in dem
heute noch (in der einst sächsisch besiedelten Gegend von Boulogne) ein germanischer
Dialekt lebt, auch die Bauweise der ländlichen Gebiete noch lange Erinnerungen
an die alte germanische Hausbauweise festgehalten hat. Es ist ja bekannt, daß
sich diese Grundformen bei der Landbevölkerung jahrhundertelang erhalten,


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[0323] [Abbildung] Reste germanischen volkstums in Nordfrankreich v Architekt H. A, Waldner on as Studium der Spuren germanischer Art und Sitte, die sich in den Volksbräuchen, der Namengebung, der Sprache, usw. in den nord¬ französischen Gebieten erhalten haben, hat öfter unsere Germanisten beschäftigt, und die Ergebnisse dieser Untersuchungen sind in manchen bedeutsamen Abhandlungen niedergelegt. Noch recht wenig ist dagegen auf dem Felde der Bauuntersuchung geschehen, besonders der Wohnbau dieser Gebiete wartet noch auf eine sorgfältige und planmäßige Untersuchung der erhaltenen Reste. Das ist um so mehr zu verwundern, als in Deutschland und in den an¬ grenzenden Teilen von Holland und Belgien die Erforschung der ältesten Wohn¬ bautypen schon recht sorgfältig durchgearbeitet ist, wenn auch hier noch manche Fragen ihrer Lösung harren. Jedenfalls sind hier schon längst Altertums¬ forscher und Altertumsfreunde bemüht, das Vorhandene zu schützen und durch sorgfältige Aufnahmen des Bestandes einer wissenschaftlichen Durcharbeitung und Vergleichung sichere Anhaltspunkte zu geben. Unterdessen ist leider in den einst germanischen Teilen Nordfrankreichs die beste Gelegenheit zur Erhaltung und Aufnahme der letzten Reste ältester Wohn¬ weise versäumt worden. Welche Schäden der Krieg, der heute gerade in diesen Landen tobt, an den ohnehin so gefährdeten Überbleibseln mittelalterlicher Wohnweise aus dem Lande und in den kleinen Städten anrichten wird, läßt sich heute noch nicht übersehen. Jedenfalls wird aber die Pflicht, das Ver¬ bleibende wissenschaftlich zu untersuchen und durch Aufnahmen festzuhalten, eine wichtige Aufgabe für die germanische Külturforschung nach dem Kriege bilden müssen. Es kann kein Zweifel darüber herrschen, daß in einem Lande, in dem heute noch (in der einst sächsisch besiedelten Gegend von Boulogne) ein germanischer Dialekt lebt, auch die Bauweise der ländlichen Gebiete noch lange Erinnerungen an die alte germanische Hausbauweise festgehalten hat. Es ist ja bekannt, daß sich diese Grundformen bei der Landbevölkerung jahrhundertelang erhalten,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_329227/323>, abgerufen am 02.05.2024.