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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr.

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Freiheit und Eigentum in Frieden und Arieg
v Dr. jul-. R, Strahl on

reihen und Eigentum, Quellen und Grundbedingungen aller
Persönlichkeitsrechte des einzelnen im Staate, sind in ihrem Um¬
fange, in Begrenzung und Auffassung das Ergebnis einer jahr¬
hundertelangen historischen Entwicklung, deren Bedeutung sich nur
im Wege geschichtlicher Darstellung verstehen und ermessen läßt.

Auch diese Begriffe -- oder vielmehr ihr praktisches Anwendungsgebiet --
erfahren unter der alles umwälzenden Kraft des Krieges eine Umwertung, die
um so greifbarer hervortritt, je mehr man sich ihre maßgebende, beherrschende
Stellung als Mittelpunkt des staatsbürgerlichen Lebens im Frieden vor Augen hält.

'i-

Freiheit und Eigentum sind die Grundpfeiler jeder menschlichen Gesellschaft.
Sobald der einzelne in einen sozialen Verband eintritt, entsteht die Notwen¬
digkeit der Anerkennung und Sicherung seiner persönlichen Rechtssphäre gegenüber
der Gemeinschaft. Nur durch diese wurden die Voraussetzungen für menschliches
Zusammenleben, Zusammenarbeit, die Grundlagen aller Kultur und Gesittung
geschaffen, nur so ward es möglich, daß der Mensch nicht als Einsiedler mit
den Waffen in der Hand im Kampfe aller gegen alle lebte, sondern seinem
natürlichen Geselligkeits- und Gesittungstrieb, dem Trieb zum Fortschritt und
zu immer günstigerer Gestaltung der Lebensbedingungen sür sich, seine Sipp¬
schaft und Nachkommen folgen konnte.

Bei dem festen und dauerhaften engen Zusammenschluß der einzelnen im
größten menschlichen Zwecks- und Schutzverbande, im Staate, wird damit die
Sicherung, Gewährleistung und bestimmte Abgrenzung dieser Persönlichkeits¬
interessen die wichtigste Grundfrage, die stärkste Bedingung für alles staatliche
Zusammenleben, für jede staatliche und bürgerliche Entwicklungsmöglichkeit.
Dadurch, daß sich der Staat zum Träger und Schirmer des Rechts macht,
erfolgt die Anerkennung dieser grundlegendsten Persönlichkeitsguter als Recht,




Freiheit und Eigentum in Frieden und Arieg
v Dr. jul-. R, Strahl on

reihen und Eigentum, Quellen und Grundbedingungen aller
Persönlichkeitsrechte des einzelnen im Staate, sind in ihrem Um¬
fange, in Begrenzung und Auffassung das Ergebnis einer jahr¬
hundertelangen historischen Entwicklung, deren Bedeutung sich nur
im Wege geschichtlicher Darstellung verstehen und ermessen läßt.

Auch diese Begriffe — oder vielmehr ihr praktisches Anwendungsgebiet —
erfahren unter der alles umwälzenden Kraft des Krieges eine Umwertung, die
um so greifbarer hervortritt, je mehr man sich ihre maßgebende, beherrschende
Stellung als Mittelpunkt des staatsbürgerlichen Lebens im Frieden vor Augen hält.

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Freiheit und Eigentum sind die Grundpfeiler jeder menschlichen Gesellschaft.
Sobald der einzelne in einen sozialen Verband eintritt, entsteht die Notwen¬
digkeit der Anerkennung und Sicherung seiner persönlichen Rechtssphäre gegenüber
der Gemeinschaft. Nur durch diese wurden die Voraussetzungen für menschliches
Zusammenleben, Zusammenarbeit, die Grundlagen aller Kultur und Gesittung
geschaffen, nur so ward es möglich, daß der Mensch nicht als Einsiedler mit
den Waffen in der Hand im Kampfe aller gegen alle lebte, sondern seinem
natürlichen Geselligkeits- und Gesittungstrieb, dem Trieb zum Fortschritt und
zu immer günstigerer Gestaltung der Lebensbedingungen sür sich, seine Sipp¬
schaft und Nachkommen folgen konnte.

Bei dem festen und dauerhaften engen Zusammenschluß der einzelnen im
größten menschlichen Zwecks- und Schutzverbande, im Staate, wird damit die
Sicherung, Gewährleistung und bestimmte Abgrenzung dieser Persönlichkeits¬
interessen die wichtigste Grundfrage, die stärkste Bedingung für alles staatliche
Zusammenleben, für jede staatliche und bürgerliche Entwicklungsmöglichkeit.
Dadurch, daß sich der Staat zum Träger und Schirmer des Rechts macht,
erfolgt die Anerkennung dieser grundlegendsten Persönlichkeitsguter als Recht,


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[0375] [Abbildung] Freiheit und Eigentum in Frieden und Arieg v Dr. jul-. R, Strahl on reihen und Eigentum, Quellen und Grundbedingungen aller Persönlichkeitsrechte des einzelnen im Staate, sind in ihrem Um¬ fange, in Begrenzung und Auffassung das Ergebnis einer jahr¬ hundertelangen historischen Entwicklung, deren Bedeutung sich nur im Wege geschichtlicher Darstellung verstehen und ermessen läßt. Auch diese Begriffe — oder vielmehr ihr praktisches Anwendungsgebiet — erfahren unter der alles umwälzenden Kraft des Krieges eine Umwertung, die um so greifbarer hervortritt, je mehr man sich ihre maßgebende, beherrschende Stellung als Mittelpunkt des staatsbürgerlichen Lebens im Frieden vor Augen hält. 'i- Freiheit und Eigentum sind die Grundpfeiler jeder menschlichen Gesellschaft. Sobald der einzelne in einen sozialen Verband eintritt, entsteht die Notwen¬ digkeit der Anerkennung und Sicherung seiner persönlichen Rechtssphäre gegenüber der Gemeinschaft. Nur durch diese wurden die Voraussetzungen für menschliches Zusammenleben, Zusammenarbeit, die Grundlagen aller Kultur und Gesittung geschaffen, nur so ward es möglich, daß der Mensch nicht als Einsiedler mit den Waffen in der Hand im Kampfe aller gegen alle lebte, sondern seinem natürlichen Geselligkeits- und Gesittungstrieb, dem Trieb zum Fortschritt und zu immer günstigerer Gestaltung der Lebensbedingungen sür sich, seine Sipp¬ schaft und Nachkommen folgen konnte. Bei dem festen und dauerhaften engen Zusammenschluß der einzelnen im größten menschlichen Zwecks- und Schutzverbande, im Staate, wird damit die Sicherung, Gewährleistung und bestimmte Abgrenzung dieser Persönlichkeits¬ interessen die wichtigste Grundfrage, die stärkste Bedingung für alles staatliche Zusammenleben, für jede staatliche und bürgerliche Entwicklungsmöglichkeit. Dadurch, daß sich der Staat zum Träger und Schirmer des Rechts macht, erfolgt die Anerkennung dieser grundlegendsten Persönlichkeitsguter als Recht,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_329227/375>, abgerufen am 02.05.2024.