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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr.

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Die Besteuerung des Ariegsgewinns --
eine Hteuerungerechtigkeit
Prof. ZVittscherosky von

le großen geschäftlichen Vorteile, die einer Minderheit unserer
deutschen Mitbürger während des Krieges und durch den Krieg
erwachsen, haben den Gedanken aufsprießen lassen, die erzielten
Geschäftsgewinne mit einer besonderen Steuer zu belegen. Warum
das geschehen soll, ist nicht ohne weiteres klar erkennbar. Gewiß,
zum Kriegführen gehört Geld, sehr viel Geld, und wenn der Staat in argen
Geldschwierigkeiten steckt, so langt er nach den Geldmitteln, die ihm am leichtesten
zugänglich erscheinen. Die Vermögensbesteuerung wäre, falls das Steuerschiff
nebst den anderen Geldschiffen in schwerem Kriegssturm auf einer Sandbank
festsäße, eine Angelegenheit, über die sich reden ließe. Aber, wie angedeutet,
nur die äußerste Notwendigkeit könnte eine Maßregel rechtfertigen, durch die
von den Kapitalisten ein außerordentlicher Kriegstribut eingefordert wird, ohne
nachdenklichen steuerpolitischen Erwägungen sich hinzugeben. Dieser Fall liegt
jedoch im Deutschen Reich offenbar nicht vor. Über die Stärke unserer finanziellen
Kriegsrüstung wissen wir nach dem Ergebnis der beiden Kriegsanleihen
genügend Bescheid. Und werden die zur Verfügung stehenden Milliarden auf¬
gebraucht sein, so daß die vom Reichstag bewilligten weiteren Kredite in Anspruch
genommen werden müssen, so dürste eine etwa aufzuerlegende "Kriegssteuer"
auch nicht die rohe Form eines einfachen Rückgriffs auf den privaten Ver¬
mögensbesitz annehmen. Beiläufig sei hierzu eingeschaltet, daß der in der
bureaukratischen Tretmühle noch jugendfrische neue Reichsschatzsekretär den
Gedanken einer Reichssteuer vorläufig überhaupt abgelehnt hat. Die Einführung
einer Kriegsgewinnsteuer ist demnach durch fiskalische Erfordernisse keineswegs
bedingt. Andere Gründe müssen also für das Wohlwollen maßgebend sein,
mit dem ein solcher Steuerplan von der öffentlichen Meinung aufgenommen
und auch in den Parlamenten bewillkommnet worden ist.

In den Grenzboten (Ur. 13) ist eine Steuer auf Kriegsgewinn unter dem
Titel einer "Einkommenvermehrungssteuer" aus Gründen des Billigkeits¬
empfindens empfohlen worden. Etwas ausführlicher hat kürzlich Justizrat
Bamberger in der Täglichen Rundschau (Ur. 118, 135, 178) denselben Gedanken




Die Besteuerung des Ariegsgewinns —
eine Hteuerungerechtigkeit
Prof. ZVittscherosky von

le großen geschäftlichen Vorteile, die einer Minderheit unserer
deutschen Mitbürger während des Krieges und durch den Krieg
erwachsen, haben den Gedanken aufsprießen lassen, die erzielten
Geschäftsgewinne mit einer besonderen Steuer zu belegen. Warum
das geschehen soll, ist nicht ohne weiteres klar erkennbar. Gewiß,
zum Kriegführen gehört Geld, sehr viel Geld, und wenn der Staat in argen
Geldschwierigkeiten steckt, so langt er nach den Geldmitteln, die ihm am leichtesten
zugänglich erscheinen. Die Vermögensbesteuerung wäre, falls das Steuerschiff
nebst den anderen Geldschiffen in schwerem Kriegssturm auf einer Sandbank
festsäße, eine Angelegenheit, über die sich reden ließe. Aber, wie angedeutet,
nur die äußerste Notwendigkeit könnte eine Maßregel rechtfertigen, durch die
von den Kapitalisten ein außerordentlicher Kriegstribut eingefordert wird, ohne
nachdenklichen steuerpolitischen Erwägungen sich hinzugeben. Dieser Fall liegt
jedoch im Deutschen Reich offenbar nicht vor. Über die Stärke unserer finanziellen
Kriegsrüstung wissen wir nach dem Ergebnis der beiden Kriegsanleihen
genügend Bescheid. Und werden die zur Verfügung stehenden Milliarden auf¬
gebraucht sein, so daß die vom Reichstag bewilligten weiteren Kredite in Anspruch
genommen werden müssen, so dürste eine etwa aufzuerlegende „Kriegssteuer"
auch nicht die rohe Form eines einfachen Rückgriffs auf den privaten Ver¬
mögensbesitz annehmen. Beiläufig sei hierzu eingeschaltet, daß der in der
bureaukratischen Tretmühle noch jugendfrische neue Reichsschatzsekretär den
Gedanken einer Reichssteuer vorläufig überhaupt abgelehnt hat. Die Einführung
einer Kriegsgewinnsteuer ist demnach durch fiskalische Erfordernisse keineswegs
bedingt. Andere Gründe müssen also für das Wohlwollen maßgebend sein,
mit dem ein solcher Steuerplan von der öffentlichen Meinung aufgenommen
und auch in den Parlamenten bewillkommnet worden ist.

In den Grenzboten (Ur. 13) ist eine Steuer auf Kriegsgewinn unter dem
Titel einer „Einkommenvermehrungssteuer" aus Gründen des Billigkeits¬
empfindens empfohlen worden. Etwas ausführlicher hat kürzlich Justizrat
Bamberger in der Täglichen Rundschau (Ur. 118, 135, 178) denselben Gedanken


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[0120] [Abbildung] Die Besteuerung des Ariegsgewinns — eine Hteuerungerechtigkeit Prof. ZVittscherosky von le großen geschäftlichen Vorteile, die einer Minderheit unserer deutschen Mitbürger während des Krieges und durch den Krieg erwachsen, haben den Gedanken aufsprießen lassen, die erzielten Geschäftsgewinne mit einer besonderen Steuer zu belegen. Warum das geschehen soll, ist nicht ohne weiteres klar erkennbar. Gewiß, zum Kriegführen gehört Geld, sehr viel Geld, und wenn der Staat in argen Geldschwierigkeiten steckt, so langt er nach den Geldmitteln, die ihm am leichtesten zugänglich erscheinen. Die Vermögensbesteuerung wäre, falls das Steuerschiff nebst den anderen Geldschiffen in schwerem Kriegssturm auf einer Sandbank festsäße, eine Angelegenheit, über die sich reden ließe. Aber, wie angedeutet, nur die äußerste Notwendigkeit könnte eine Maßregel rechtfertigen, durch die von den Kapitalisten ein außerordentlicher Kriegstribut eingefordert wird, ohne nachdenklichen steuerpolitischen Erwägungen sich hinzugeben. Dieser Fall liegt jedoch im Deutschen Reich offenbar nicht vor. Über die Stärke unserer finanziellen Kriegsrüstung wissen wir nach dem Ergebnis der beiden Kriegsanleihen genügend Bescheid. Und werden die zur Verfügung stehenden Milliarden auf¬ gebraucht sein, so daß die vom Reichstag bewilligten weiteren Kredite in Anspruch genommen werden müssen, so dürste eine etwa aufzuerlegende „Kriegssteuer" auch nicht die rohe Form eines einfachen Rückgriffs auf den privaten Ver¬ mögensbesitz annehmen. Beiläufig sei hierzu eingeschaltet, daß der in der bureaukratischen Tretmühle noch jugendfrische neue Reichsschatzsekretär den Gedanken einer Reichssteuer vorläufig überhaupt abgelehnt hat. Die Einführung einer Kriegsgewinnsteuer ist demnach durch fiskalische Erfordernisse keineswegs bedingt. Andere Gründe müssen also für das Wohlwollen maßgebend sein, mit dem ein solcher Steuerplan von der öffentlichen Meinung aufgenommen und auch in den Parlamenten bewillkommnet worden ist. In den Grenzboten (Ur. 13) ist eine Steuer auf Kriegsgewinn unter dem Titel einer „Einkommenvermehrungssteuer" aus Gründen des Billigkeits¬ empfindens empfohlen worden. Etwas ausführlicher hat kürzlich Justizrat Bamberger in der Täglichen Rundschau (Ur. 118, 135, 178) denselben Gedanken

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323538/120>, abgerufen am 26.04.2024.