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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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einen Schatz besitzen, um den uns jede
Nation beneiden muß. Offenbar ist es der
Umstand, daß hier ein General "vom Kriege"
handelt, der die weiteren Kreise leider zu oft
davon zurückhält, diesen Schatz zu heben.
Jeder aber, der es wagt, erkennt sehr bald,
daß es sich hier um Betrachtungen handelt,
die weit über das rein Militärische hinaus¬
greifen. "Der Krieg ist eine bloße Fort¬
setzung der Politik mit anderen Mitteln,"
sagt Clausewitz, und wir ziehen daraus die
Folgerung, daß in ihm dieselben Momente
wirksam sind, die das Wechselspiel des Lebens
beherrschen, das in der Politik krystallisiert
erscheint. Da der Krieg, nach Clausewitz,
eine moralische Größe ist und es "eine arm¬
selige Philosophie ist, wenn man nach alter
Art seine Regeln und Grundsätze diesseits
aller moralischen Größen abschließt", findet
Clausewitz auf Schritt und Tritt Gelegenheit
zu feinen Psychologischen Beobachtungen, die
uns die Analyse des Krieges zu einer
Philosophie des Lebens werden lassen. Diese
aber ist das Werk einer kraftvollen Persön¬
lichkeit, die mit Bismarckscher Treffsicherheit
und ausgeprägtem Schönheitsgefühl den
rechten Ausdruck für jeden Gedanken zu finden
Weiß. Wer nicht Muße findet, den Verfasser
durch das umfangreiche Werk zu begleiten,
wird schon durch die Lektüre einzelner Ab¬
schnitte reichlich Genuß und Belehrung finden.
Wir möchten überdies wiederholen, was vor
zwei Jahren an dieser Stelle gesagt wurde:
"Das Buch gehört in die Volksbibliotheken
und in die Gymnasien, dorthin, wo sich der
Geist sehnt nach Hilfe und Klarheit in jdem
betörenden Wirrwarr der Innen- und Um¬
welt." Heute, da uns das Leben vor seine
größten Rätsel stellt, ist aber dieses Sehnen
mehr denn je lebendig.

Die Benutzung des Werkes wird durch
das für die vorliegende neue, neunte Auflage
vielfach vermehrte Sach- und Namenver¬
zeichnis wesentlich gefördert. Möge dem
Wunsch seines Verfassers, des Oberstleutnants
a. D. Paul Creuzinger, daß es das Studium
der Lehre unseres großen Kriegsphilosophen
erleichtern, fruchtbar machen und zu ihrer
Fortentwicklung beitragen soll, Erfüllung
" werden.

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Schöne Literatur

Ferdinand Gregorovius als Dichter von
Dr. Johannes Honig; der Breslauer Beiträge
zur Literaturgeschichte in neuer Folge Band 39.
I. B. Metzlersche Buchhandl., Stuttgart 1914.

Durch die Vorgänge in Ostpreußen ist der
in weiteren Kreisen etwas in Vergessenheit ge¬
ratene Historiker-Poet Ferdinand Gregorovius
sozusagen wieder aktuell geworden. In lite¬
rarischen Kreisen erregte die Nachricht von
der durch die Russen erfolgten Zerstörung des
Gregoroviusschen Geburtshauses und Nach¬
lasses in Neidenburg lebhaften Unwillen.
Letzterem hat zwar der russische Wandalismus
nicht viel anhaben können. Die handschrift¬
liche Hinterlassenschaft befindet sich in den
Händen von Privatpersonen, die Bücherei
in der Münchener Kgl. Bibliothek. Nur das
von Schumacher gemalte Bild von Grego¬
rovius dürfte verloren gegangen sein. --Ange¬
sichts unseres gegenwärtigen Verhältnisses zu
Rußland ist es gewiß recht interessant, sich
eines Urteils Gregorovius über Rußland zu
erinnern. Er schrieb:

Rom, 10. Juni 1853.

"Sie (die Russen) haben kühne Ideen und
halten Rußland noch sür jung. Ihre Pro¬
jekte gehen auf Konstantinopel, Prag und
Lemberg, kurz, auf die Herstellung des
oströmischen Reiches durch den Panslawismus.
Aber Rusland ist ein halb mongolisches Wesen,
ohne Genie und Tatkraft. Der Deutschenhaß
dort fließt aus dem Bewußtsein der geistigen
Abhängigkeit vom Germanentum, vielleicht
aus der instinktiven Ahnung eines bevor¬
stehenden Zusammenstoßes mit Deutschland,
wenn dieses ein einiges Reich geworden sein
wird..." --

Wenn auch der Roman von Gregorovius
"Werdomar und Wladislaw" (1846) oder sein
Lesedrama "Der Tod des Tioerius" oder
das Epos "Euphorion" (18SS) gegenwärtig
kaum auf Interesse rechnen können, so ist
doch die "Geschichte der Stadt Rom" auch
in unserer Zeit noch wertvoll, nicht zuletzt
um ihres poetischen Gehalts willen, den die
strenge Fachkritik allerdings als Mangel an
dieser geschichtswissenschaftlichen Großtat emp¬
findet. Honig, dem auch umfassende historische

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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einen Schatz besitzen, um den uns jede
Nation beneiden muß. Offenbar ist es der
Umstand, daß hier ein General „vom Kriege"
handelt, der die weiteren Kreise leider zu oft
davon zurückhält, diesen Schatz zu heben.
Jeder aber, der es wagt, erkennt sehr bald,
daß es sich hier um Betrachtungen handelt,
die weit über das rein Militärische hinaus¬
greifen. „Der Krieg ist eine bloße Fort¬
setzung der Politik mit anderen Mitteln,"
sagt Clausewitz, und wir ziehen daraus die
Folgerung, daß in ihm dieselben Momente
wirksam sind, die das Wechselspiel des Lebens
beherrschen, das in der Politik krystallisiert
erscheint. Da der Krieg, nach Clausewitz,
eine moralische Größe ist und es „eine arm¬
selige Philosophie ist, wenn man nach alter
Art seine Regeln und Grundsätze diesseits
aller moralischen Größen abschließt", findet
Clausewitz auf Schritt und Tritt Gelegenheit
zu feinen Psychologischen Beobachtungen, die
uns die Analyse des Krieges zu einer
Philosophie des Lebens werden lassen. Diese
aber ist das Werk einer kraftvollen Persön¬
lichkeit, die mit Bismarckscher Treffsicherheit
und ausgeprägtem Schönheitsgefühl den
rechten Ausdruck für jeden Gedanken zu finden
Weiß. Wer nicht Muße findet, den Verfasser
durch das umfangreiche Werk zu begleiten,
wird schon durch die Lektüre einzelner Ab¬
schnitte reichlich Genuß und Belehrung finden.
Wir möchten überdies wiederholen, was vor
zwei Jahren an dieser Stelle gesagt wurde:
„Das Buch gehört in die Volksbibliotheken
und in die Gymnasien, dorthin, wo sich der
Geist sehnt nach Hilfe und Klarheit in jdem
betörenden Wirrwarr der Innen- und Um¬
welt." Heute, da uns das Leben vor seine
größten Rätsel stellt, ist aber dieses Sehnen
mehr denn je lebendig.

Die Benutzung des Werkes wird durch
das für die vorliegende neue, neunte Auflage
vielfach vermehrte Sach- und Namenver¬
zeichnis wesentlich gefördert. Möge dem
Wunsch seines Verfassers, des Oberstleutnants
a. D. Paul Creuzinger, daß es das Studium
der Lehre unseres großen Kriegsphilosophen
erleichtern, fruchtbar machen und zu ihrer
Fortentwicklung beitragen soll, Erfüllung
" werden.

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Schöne Literatur

Ferdinand Gregorovius als Dichter von
Dr. Johannes Honig; der Breslauer Beiträge
zur Literaturgeschichte in neuer Folge Band 39.
I. B. Metzlersche Buchhandl., Stuttgart 1914.

Durch die Vorgänge in Ostpreußen ist der
in weiteren Kreisen etwas in Vergessenheit ge¬
ratene Historiker-Poet Ferdinand Gregorovius
sozusagen wieder aktuell geworden. In lite¬
rarischen Kreisen erregte die Nachricht von
der durch die Russen erfolgten Zerstörung des
Gregoroviusschen Geburtshauses und Nach¬
lasses in Neidenburg lebhaften Unwillen.
Letzterem hat zwar der russische Wandalismus
nicht viel anhaben können. Die handschrift¬
liche Hinterlassenschaft befindet sich in den
Händen von Privatpersonen, die Bücherei
in der Münchener Kgl. Bibliothek. Nur das
von Schumacher gemalte Bild von Grego¬
rovius dürfte verloren gegangen sein. —Ange¬
sichts unseres gegenwärtigen Verhältnisses zu
Rußland ist es gewiß recht interessant, sich
eines Urteils Gregorovius über Rußland zu
erinnern. Er schrieb:

Rom, 10. Juni 1853.

„Sie (die Russen) haben kühne Ideen und
halten Rußland noch sür jung. Ihre Pro¬
jekte gehen auf Konstantinopel, Prag und
Lemberg, kurz, auf die Herstellung des
oströmischen Reiches durch den Panslawismus.
Aber Rusland ist ein halb mongolisches Wesen,
ohne Genie und Tatkraft. Der Deutschenhaß
dort fließt aus dem Bewußtsein der geistigen
Abhängigkeit vom Germanentum, vielleicht
aus der instinktiven Ahnung eines bevor¬
stehenden Zusammenstoßes mit Deutschland,
wenn dieses ein einiges Reich geworden sein
wird..." —

Wenn auch der Roman von Gregorovius
„Werdomar und Wladislaw" (1846) oder sein
Lesedrama „Der Tod des Tioerius" oder
das Epos „Euphorion" (18SS) gegenwärtig
kaum auf Interesse rechnen können, so ist
doch die „Geschichte der Stadt Rom" auch
in unserer Zeit noch wertvoll, nicht zuletzt
um ihres poetischen Gehalts willen, den die
strenge Fachkritik allerdings als Mangel an
dieser geschichtswissenschaftlichen Großtat emp¬
findet. Honig, dem auch umfassende historische

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[0139] Maßgebliches und Unmaßgebliches einen Schatz besitzen, um den uns jede Nation beneiden muß. Offenbar ist es der Umstand, daß hier ein General „vom Kriege" handelt, der die weiteren Kreise leider zu oft davon zurückhält, diesen Schatz zu heben. Jeder aber, der es wagt, erkennt sehr bald, daß es sich hier um Betrachtungen handelt, die weit über das rein Militärische hinaus¬ greifen. „Der Krieg ist eine bloße Fort¬ setzung der Politik mit anderen Mitteln," sagt Clausewitz, und wir ziehen daraus die Folgerung, daß in ihm dieselben Momente wirksam sind, die das Wechselspiel des Lebens beherrschen, das in der Politik krystallisiert erscheint. Da der Krieg, nach Clausewitz, eine moralische Größe ist und es „eine arm¬ selige Philosophie ist, wenn man nach alter Art seine Regeln und Grundsätze diesseits aller moralischen Größen abschließt", findet Clausewitz auf Schritt und Tritt Gelegenheit zu feinen Psychologischen Beobachtungen, die uns die Analyse des Krieges zu einer Philosophie des Lebens werden lassen. Diese aber ist das Werk einer kraftvollen Persön¬ lichkeit, die mit Bismarckscher Treffsicherheit und ausgeprägtem Schönheitsgefühl den rechten Ausdruck für jeden Gedanken zu finden Weiß. Wer nicht Muße findet, den Verfasser durch das umfangreiche Werk zu begleiten, wird schon durch die Lektüre einzelner Ab¬ schnitte reichlich Genuß und Belehrung finden. Wir möchten überdies wiederholen, was vor zwei Jahren an dieser Stelle gesagt wurde: „Das Buch gehört in die Volksbibliotheken und in die Gymnasien, dorthin, wo sich der Geist sehnt nach Hilfe und Klarheit in jdem betörenden Wirrwarr der Innen- und Um¬ welt." Heute, da uns das Leben vor seine größten Rätsel stellt, ist aber dieses Sehnen mehr denn je lebendig. Die Benutzung des Werkes wird durch das für die vorliegende neue, neunte Auflage vielfach vermehrte Sach- und Namenver¬ zeichnis wesentlich gefördert. Möge dem Wunsch seines Verfassers, des Oberstleutnants a. D. Paul Creuzinger, daß es das Studium der Lehre unseres großen Kriegsphilosophen erleichtern, fruchtbar machen und zu ihrer Fortentwicklung beitragen soll, Erfüllung " werden. Schöne Literatur Ferdinand Gregorovius als Dichter von Dr. Johannes Honig; der Breslauer Beiträge zur Literaturgeschichte in neuer Folge Band 39. I. B. Metzlersche Buchhandl., Stuttgart 1914. Durch die Vorgänge in Ostpreußen ist der in weiteren Kreisen etwas in Vergessenheit ge¬ ratene Historiker-Poet Ferdinand Gregorovius sozusagen wieder aktuell geworden. In lite¬ rarischen Kreisen erregte die Nachricht von der durch die Russen erfolgten Zerstörung des Gregoroviusschen Geburtshauses und Nach¬ lasses in Neidenburg lebhaften Unwillen. Letzterem hat zwar der russische Wandalismus nicht viel anhaben können. Die handschrift¬ liche Hinterlassenschaft befindet sich in den Händen von Privatpersonen, die Bücherei in der Münchener Kgl. Bibliothek. Nur das von Schumacher gemalte Bild von Grego¬ rovius dürfte verloren gegangen sein. —Ange¬ sichts unseres gegenwärtigen Verhältnisses zu Rußland ist es gewiß recht interessant, sich eines Urteils Gregorovius über Rußland zu erinnern. Er schrieb: Rom, 10. Juni 1853. „Sie (die Russen) haben kühne Ideen und halten Rußland noch sür jung. Ihre Pro¬ jekte gehen auf Konstantinopel, Prag und Lemberg, kurz, auf die Herstellung des oströmischen Reiches durch den Panslawismus. Aber Rusland ist ein halb mongolisches Wesen, ohne Genie und Tatkraft. Der Deutschenhaß dort fließt aus dem Bewußtsein der geistigen Abhängigkeit vom Germanentum, vielleicht aus der instinktiven Ahnung eines bevor¬ stehenden Zusammenstoßes mit Deutschland, wenn dieses ein einiges Reich geworden sein wird..." — Wenn auch der Roman von Gregorovius „Werdomar und Wladislaw" (1846) oder sein Lesedrama „Der Tod des Tioerius" oder das Epos „Euphorion" (18SS) gegenwärtig kaum auf Interesse rechnen können, so ist doch die „Geschichte der Stadt Rom" auch in unserer Zeit noch wertvoll, nicht zuletzt um ihres poetischen Gehalts willen, den die strenge Fachkritik allerdings als Mangel an dieser geschichtswissenschaftlichen Großtat emp¬ findet. Honig, dem auch umfassende historische

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323538/139>, abgerufen am 19.04.2024.