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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr.

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Allen Manuskripten ist Porto hinzuzufügen, da andernfalls bei Ablehnung eine Rücksendung
nicht verbürgt werden kam".

Das Nationalitätsprinzip und die natürlichen
Grenzen des Staates
Dr. zur. R. Strahl von

rennender als je tritt heute die Frage nach der Bedeutung des
Nationalitätsprinzips und seiner Tragweite für den Aufbau der
Staaten an uns heran.

Bausteine der Geschichte, Schachfiguren im Spiele der Welt¬
politik sind die Staaten. Die Staaten selbst sind veränderliche
Größen. Werden und Vergehen, Wechsel der Kräfte, der ewige Wandel des
Irdischen ergreift auch sie. Sie lassen sich lebenden Organismen vergleichen:
Anziehen und Abstoßen, Vereinigung und Trennung. Entstehen. Wachsen und
Verfall sind Erscheinungen im Staatenleben, denen sie in ähnlicher Weise wie
alle Lebewesen unterworfen sind.

Die beiden großen Grundlagen für die äußere Gestaltung des Staates
sind Staatsgebiet und Staatsvolk.

Man hat sich zu allen Zeiten mehr oder weniger bewußt bemüht, aus
diesen beiden Faktoren Normen sür den natürlichen Umfang, für die vernunft¬
gemäße Einheit der Staaten zu gewinnen: beide Begriffe in ein regelrechtes,
zweckentsprechendes Verhältnis zueinander zu bringen. Lange Zeit hindurch sah
man das Staatsgebiet als das grundlegende Prinzip an, dem sich die Bildung
des Staatsvolkes anzupassen und anzubequemen hatte. Erst im neunzehnten
Jahrhundert brach sich die Anschauung mehr und mehr Bahn, daß umgekehrt
völkische Eigenart sür Umfang und Begrenzung des Staatsgebietes maßgebend
sein sollte. Seinen Ausdruck findet dieser Gedanke in dem Nationalitäts¬
prinzip: die Nation, die sich aus Blutsgemeinschast herleitende Sprach- und
Kultureinheit, sollte danach die natürliche Grundlage auch für die territoriale


Grenzboten II 1916 9


Allen Manuskripten ist Porto hinzuzufügen, da andernfalls bei Ablehnung eine Rücksendung
nicht verbürgt werden kam».

Das Nationalitätsprinzip und die natürlichen
Grenzen des Staates
Dr. zur. R. Strahl von

rennender als je tritt heute die Frage nach der Bedeutung des
Nationalitätsprinzips und seiner Tragweite für den Aufbau der
Staaten an uns heran.

Bausteine der Geschichte, Schachfiguren im Spiele der Welt¬
politik sind die Staaten. Die Staaten selbst sind veränderliche
Größen. Werden und Vergehen, Wechsel der Kräfte, der ewige Wandel des
Irdischen ergreift auch sie. Sie lassen sich lebenden Organismen vergleichen:
Anziehen und Abstoßen, Vereinigung und Trennung. Entstehen. Wachsen und
Verfall sind Erscheinungen im Staatenleben, denen sie in ähnlicher Weise wie
alle Lebewesen unterworfen sind.

Die beiden großen Grundlagen für die äußere Gestaltung des Staates
sind Staatsgebiet und Staatsvolk.

Man hat sich zu allen Zeiten mehr oder weniger bewußt bemüht, aus
diesen beiden Faktoren Normen sür den natürlichen Umfang, für die vernunft¬
gemäße Einheit der Staaten zu gewinnen: beide Begriffe in ein regelrechtes,
zweckentsprechendes Verhältnis zueinander zu bringen. Lange Zeit hindurch sah
man das Staatsgebiet als das grundlegende Prinzip an, dem sich die Bildung
des Staatsvolkes anzupassen und anzubequemen hatte. Erst im neunzehnten
Jahrhundert brach sich die Anschauung mehr und mehr Bahn, daß umgekehrt
völkische Eigenart sür Umfang und Begrenzung des Staatsgebietes maßgebend
sein sollte. Seinen Ausdruck findet dieser Gedanke in dem Nationalitäts¬
prinzip: die Nation, die sich aus Blutsgemeinschast herleitende Sprach- und
Kultureinheit, sollte danach die natürliche Grundlage auch für die territoriale


Grenzboten II 1916 9
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[0141] [Abbildung] Allen Manuskripten ist Porto hinzuzufügen, da andernfalls bei Ablehnung eine Rücksendung nicht verbürgt werden kam». Das Nationalitätsprinzip und die natürlichen Grenzen des Staates Dr. zur. R. Strahl von rennender als je tritt heute die Frage nach der Bedeutung des Nationalitätsprinzips und seiner Tragweite für den Aufbau der Staaten an uns heran. Bausteine der Geschichte, Schachfiguren im Spiele der Welt¬ politik sind die Staaten. Die Staaten selbst sind veränderliche Größen. Werden und Vergehen, Wechsel der Kräfte, der ewige Wandel des Irdischen ergreift auch sie. Sie lassen sich lebenden Organismen vergleichen: Anziehen und Abstoßen, Vereinigung und Trennung. Entstehen. Wachsen und Verfall sind Erscheinungen im Staatenleben, denen sie in ähnlicher Weise wie alle Lebewesen unterworfen sind. Die beiden großen Grundlagen für die äußere Gestaltung des Staates sind Staatsgebiet und Staatsvolk. Man hat sich zu allen Zeiten mehr oder weniger bewußt bemüht, aus diesen beiden Faktoren Normen sür den natürlichen Umfang, für die vernunft¬ gemäße Einheit der Staaten zu gewinnen: beide Begriffe in ein regelrechtes, zweckentsprechendes Verhältnis zueinander zu bringen. Lange Zeit hindurch sah man das Staatsgebiet als das grundlegende Prinzip an, dem sich die Bildung des Staatsvolkes anzupassen und anzubequemen hatte. Erst im neunzehnten Jahrhundert brach sich die Anschauung mehr und mehr Bahn, daß umgekehrt völkische Eigenart sür Umfang und Begrenzung des Staatsgebietes maßgebend sein sollte. Seinen Ausdruck findet dieser Gedanke in dem Nationalitäts¬ prinzip: die Nation, die sich aus Blutsgemeinschast herleitende Sprach- und Kultureinheit, sollte danach die natürliche Grundlage auch für die territoriale Grenzboten II 1916 9

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323538/141>, abgerufen am 28.03.2024.