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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr.

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Die Nachfolge Bismarcks

ergreifen, um der terroristischen und provokatorischen Tätigkeit jener heimlichen
Organisationen ein Ende zu machen, die zugleich der Regierung und den
Politischen Parteien dienen, an deren Spitze Leute stehen, die sich im Staats¬
dienste befinden und die über dunkle Gelder verfügen. "Bewahren Sie dadurch",
so ruft er Stolypin zu, "auch andere Staatsmänner vor der gleichen schweren
Lage, in der ich mich befunden habe." Stolypin hat es vorgezogen, auf die
Briefe des Grafen Witte hin nichts zu tun. Er brauchte wohl die Leute noch,
deren Beseitigung sein Vorgänger hier verlangte. Nicht lange danach ist er
dem grausigen Schicksal, das Witte zugedacht war, selbst anheim gefallen. Das
System aber, das Witte so tapfer und energisch bekämpft hat, besteht noch
bis heute.




Die Nachfolge Vismarcks
Maximilian von Hagen von

as Schicksal hat es gefügt, daß wir den Tag der Reichsgründung
und den hundertsten Geburtstag ihres Vollbringers, Otto von
Bismarck, nicht als Tage nationaler Aufrüttelung zu feiern
brauchten, daß wir sie vielmehr begehen durften als Tage der
Ermutigung und der Erinnerung an ähnlich schwere Zeiten, aus
denen wir zu herrlichen Zielen hinausgeführt wurden. Denn der große Krieg,
der eine angemessene Feier dieser Gedenktage verbot, hat selbst die kühnsten
Hoffnungen übertroffen, die der Baumeister unseres Staates in die Lebens¬
fähigkeit seines Werkes zu setzen wagte. Wie ein Mann hat sich Deutschland
erhoben, um das Erbe seines größten Staatsmannes zu schützen und in seinem
Geiste weiterzuführen. Ohnegleichen ist die Einigkeit, die wir solange entbehren
mußten und die auch Bismarck oft so bitter vermißte, nachdem er mit der
Reichsgründung seine eigentliche Lebensaufgabe erfüllt hatte. Der Geist der
Freiheitskriege und ihres Vollenders lebt wieder in unserem ganzen Volk, das
dem Rufe zu den Fahnen mit nie erhörter Hingabe gefolgt ist und in allen
Schichten und Generationen an Opferwilligkeit keine Grenzen kennt. Nirgends
ist Raum für Furcht und Sorgen, allgemein nur das Ahnen einer schöneren
Zukunft. Vergessen sind darum die Tage, da wir in Bitterkeit über Partei"
Hader und Feindesbosheit der Vergangenheit gedachten, da wir uns an den
Taten unserer Vorfahren aufrichteten, wenn der Friede faul zu werden drohte.
Nachdem wir uns aber würdig gezeigt ihrer rastlosen Arbeit am Werke der
deutschen Zukunft, durften wir auch Marksteine unserer Geschichte, wie es der


Die Nachfolge Bismarcks

ergreifen, um der terroristischen und provokatorischen Tätigkeit jener heimlichen
Organisationen ein Ende zu machen, die zugleich der Regierung und den
Politischen Parteien dienen, an deren Spitze Leute stehen, die sich im Staats¬
dienste befinden und die über dunkle Gelder verfügen. „Bewahren Sie dadurch",
so ruft er Stolypin zu, „auch andere Staatsmänner vor der gleichen schweren
Lage, in der ich mich befunden habe." Stolypin hat es vorgezogen, auf die
Briefe des Grafen Witte hin nichts zu tun. Er brauchte wohl die Leute noch,
deren Beseitigung sein Vorgänger hier verlangte. Nicht lange danach ist er
dem grausigen Schicksal, das Witte zugedacht war, selbst anheim gefallen. Das
System aber, das Witte so tapfer und energisch bekämpft hat, besteht noch
bis heute.




Die Nachfolge Vismarcks
Maximilian von Hagen von

as Schicksal hat es gefügt, daß wir den Tag der Reichsgründung
und den hundertsten Geburtstag ihres Vollbringers, Otto von
Bismarck, nicht als Tage nationaler Aufrüttelung zu feiern
brauchten, daß wir sie vielmehr begehen durften als Tage der
Ermutigung und der Erinnerung an ähnlich schwere Zeiten, aus
denen wir zu herrlichen Zielen hinausgeführt wurden. Denn der große Krieg,
der eine angemessene Feier dieser Gedenktage verbot, hat selbst die kühnsten
Hoffnungen übertroffen, die der Baumeister unseres Staates in die Lebens¬
fähigkeit seines Werkes zu setzen wagte. Wie ein Mann hat sich Deutschland
erhoben, um das Erbe seines größten Staatsmannes zu schützen und in seinem
Geiste weiterzuführen. Ohnegleichen ist die Einigkeit, die wir solange entbehren
mußten und die auch Bismarck oft so bitter vermißte, nachdem er mit der
Reichsgründung seine eigentliche Lebensaufgabe erfüllt hatte. Der Geist der
Freiheitskriege und ihres Vollenders lebt wieder in unserem ganzen Volk, das
dem Rufe zu den Fahnen mit nie erhörter Hingabe gefolgt ist und in allen
Schichten und Generationen an Opferwilligkeit keine Grenzen kennt. Nirgends
ist Raum für Furcht und Sorgen, allgemein nur das Ahnen einer schöneren
Zukunft. Vergessen sind darum die Tage, da wir in Bitterkeit über Partei»
Hader und Feindesbosheit der Vergangenheit gedachten, da wir uns an den
Taten unserer Vorfahren aufrichteten, wenn der Friede faul zu werden drohte.
Nachdem wir uns aber würdig gezeigt ihrer rastlosen Arbeit am Werke der
deutschen Zukunft, durften wir auch Marksteine unserer Geschichte, wie es der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323538/177>, abgerufen am 29.03.2024.