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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

Gott ist dieser Geist in seiner Gesamtheit,
das Gesetz der ewigen Ordnung. Glaube an
Gott ist also gleichbedeutend mit dem "Glauben
an den Geist und dessen ewige Ideen der
Gerechtigkeit oder der Gleichheit und Freiheit"
(S. 127), und der Grad der Frömmigkeit
eines Menschen hängt davon ab, wie weit die
durch eine freie Tat des Geistes bestimmte
Richtung seines Handelns im Einklang oder
im Widerspruch mit dem ewigen Gesetz der
Gerechtigkeit steht. Nicht auf die einzelne
Handlung oder den speziellen Grundsatz kommt
es an, sondern auf die vor allem Handeln
liegende Unterscheidung von Gut und Böse,
auf daS allgemeinste Werturteil, durch das
sich der Mensch sür das Geistige oder daS
Ungeistige entscheidet. Hierbei darf sich der
Mensch auf niemandes Beistand verlassen,
auch nicht auf Gottes Hilfe, diese Ur- und
Grundentscheidung bleibt durchaus und stets
eine Tat seiner Freiheit.

Mit einer prachtvollen Unbesorgtheit gegen¬
über allen Bedenken der historisch-kritischen
Theologie erklärt Rupp diese durchaus Kantisch
gefärbte "Botschaft von dem Reiche der Er¬
kenntnis und der Freiheit" für den eigentlichen
Inhalt der Predigt Jesu: "Daß die Be¬
friedigung aller Triebe des persönlichen Daseins
dem Leben deS Geistes unbedingt unterzu¬
ordnen sei, daß der Gehorsam gegen das
Gesetz der Gerechtigkeit, die Aufnahme der
göttlichen Vollkommenheit in den Willen des
Menschen als die wahre Bestimmung des
Menschenlebens erkannt werde," das war der
neue Gedanke, den Jesus in das Bewußtsein
der Völker einführen wollte (S. 96). Es ist
überflüssig zu fragen, wie weit dies mit den
historischen Tatsachen übereinstimmt, um so
mehr, als eine gültige Beantwortung dieser
Frage unmöglich ist; denn angenommen, wir
wüßten, welche Sprüche aus dem Neuen
Testament wirkliche Aussprüche Jesu sind --
Was wir von keinem einzigen mit Sicherheit
behaupten können! -- so könnten wir nach
Rupps Meinung doch niemals mit Sicherheit
feststellen, welchen Sinn Jesus mit seinen
Worten verknüpft hat. Also überlassen wir
mit RuPP diese bei dem jetzigen Bestände
der Quellen hoffnungslose Untersuchung den
gelehrten Theologen, suchen wir das heraus,

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was uns in dem Fortschritt unserer sittlich¬
religiösen Erkenntnis fördern kann und vor
unserm Wahrheüssinn standhält I Es ist über¬
haupt grundsätzlich verkehrt -- darin stimmt
RuPP mit dem gesamten Rationalismus mit
Einschluß Kants überein --, die Wahrheit
eines Satzes durch den Hinweis auf ein
historisches Faktum oder eine historische Person
zu beweisen; die Geschichte kann niemals über
wahr oder unwahr entscheiden; vielmehr ist
die einzige Instanz, die hier gültige Ent¬
scheidungen treffen kann, "der Wille Gottes,
das Gesetz in unserer Brust, die Offenbarung
unseres Gewissens"; dem Richterspruch dieser
Instanz unterliegt alles, auch Jesus I

Dies ist Rupps stolzer und männlicher
Glaube, der Haupt- und Grundgedanke seiner
Verkündigung, das eigentliche Thema, das in
allen Aufsätzen in immer neuen Abwandlungen
und Variationen wiederkehrt. Damit aber
rückt Rupp durchaus in die Reihe der großen
Idealisten, vor allem neben Fichte und
Schiller: mag bei Fichte das Ideal mehr
moralisch, bei Schiller mehr ästhetisch, bei
RuPP mehr religiös gefärbt sein, das dem
Ideal zugrunde liegende Welt- und Lebens¬
gefühl haben die drei Männer gemeinsam.
Mit ihnen teilen auch wir jetzt in der Zeit
des Weltkrieges den herzerhebenden Idealis-
mus, und so ist Rupp für uns die Stimme
eines Predigers, die nicht ungehört verhallen
barst

Rechtsfragen

Dr. Ludwig Harschet, Universitätsprofessor
in Göttingen: Das Parlamentsrecht des
Deutsche" Reiches, im Auftrage des deutschen
Reichstages dargestellt. Erster Teil. Berlin
und Leipzig. G. I. Göschensche Verlags¬
buchhandlung G. in. b. H. 1915. 623 S.
Preis geh. 16 M

Wie schon der Titel sagt, ist das Werk
im Auftrage des Reichstages verfaßt und
den Reichstagsabgeordneten Junck und Graf
Oppersdorsf aus Dankbarkeit für mannigfache
Förderung gewidmet. Lagen auch bisher
schon kleinere Vorarbeiten wie z B. von Perels
vor, so fehlte es doch an einer umfassenden
Darstellung des gesamten Reichstagsrechtes,

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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Gott ist dieser Geist in seiner Gesamtheit,
das Gesetz der ewigen Ordnung. Glaube an
Gott ist also gleichbedeutend mit dem „Glauben
an den Geist und dessen ewige Ideen der
Gerechtigkeit oder der Gleichheit und Freiheit"
(S. 127), und der Grad der Frömmigkeit
eines Menschen hängt davon ab, wie weit die
durch eine freie Tat des Geistes bestimmte
Richtung seines Handelns im Einklang oder
im Widerspruch mit dem ewigen Gesetz der
Gerechtigkeit steht. Nicht auf die einzelne
Handlung oder den speziellen Grundsatz kommt
es an, sondern auf die vor allem Handeln
liegende Unterscheidung von Gut und Böse,
auf daS allgemeinste Werturteil, durch das
sich der Mensch sür das Geistige oder daS
Ungeistige entscheidet. Hierbei darf sich der
Mensch auf niemandes Beistand verlassen,
auch nicht auf Gottes Hilfe, diese Ur- und
Grundentscheidung bleibt durchaus und stets
eine Tat seiner Freiheit.

Mit einer prachtvollen Unbesorgtheit gegen¬
über allen Bedenken der historisch-kritischen
Theologie erklärt Rupp diese durchaus Kantisch
gefärbte „Botschaft von dem Reiche der Er¬
kenntnis und der Freiheit" für den eigentlichen
Inhalt der Predigt Jesu: „Daß die Be¬
friedigung aller Triebe des persönlichen Daseins
dem Leben deS Geistes unbedingt unterzu¬
ordnen sei, daß der Gehorsam gegen das
Gesetz der Gerechtigkeit, die Aufnahme der
göttlichen Vollkommenheit in den Willen des
Menschen als die wahre Bestimmung des
Menschenlebens erkannt werde," das war der
neue Gedanke, den Jesus in das Bewußtsein
der Völker einführen wollte (S. 96). Es ist
überflüssig zu fragen, wie weit dies mit den
historischen Tatsachen übereinstimmt, um so
mehr, als eine gültige Beantwortung dieser
Frage unmöglich ist; denn angenommen, wir
wüßten, welche Sprüche aus dem Neuen
Testament wirkliche Aussprüche Jesu sind —
Was wir von keinem einzigen mit Sicherheit
behaupten können! — so könnten wir nach
Rupps Meinung doch niemals mit Sicherheit
feststellen, welchen Sinn Jesus mit seinen
Worten verknüpft hat. Also überlassen wir
mit RuPP diese bei dem jetzigen Bestände
der Quellen hoffnungslose Untersuchung den
gelehrten Theologen, suchen wir das heraus,

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was uns in dem Fortschritt unserer sittlich¬
religiösen Erkenntnis fördern kann und vor
unserm Wahrheüssinn standhält I Es ist über¬
haupt grundsätzlich verkehrt — darin stimmt
RuPP mit dem gesamten Rationalismus mit
Einschluß Kants überein —, die Wahrheit
eines Satzes durch den Hinweis auf ein
historisches Faktum oder eine historische Person
zu beweisen; die Geschichte kann niemals über
wahr oder unwahr entscheiden; vielmehr ist
die einzige Instanz, die hier gültige Ent¬
scheidungen treffen kann, „der Wille Gottes,
das Gesetz in unserer Brust, die Offenbarung
unseres Gewissens"; dem Richterspruch dieser
Instanz unterliegt alles, auch Jesus I

Dies ist Rupps stolzer und männlicher
Glaube, der Haupt- und Grundgedanke seiner
Verkündigung, das eigentliche Thema, das in
allen Aufsätzen in immer neuen Abwandlungen
und Variationen wiederkehrt. Damit aber
rückt Rupp durchaus in die Reihe der großen
Idealisten, vor allem neben Fichte und
Schiller: mag bei Fichte das Ideal mehr
moralisch, bei Schiller mehr ästhetisch, bei
RuPP mehr religiös gefärbt sein, das dem
Ideal zugrunde liegende Welt- und Lebens¬
gefühl haben die drei Männer gemeinsam.
Mit ihnen teilen auch wir jetzt in der Zeit
des Weltkrieges den herzerhebenden Idealis-
mus, und so ist Rupp für uns die Stimme
eines Predigers, die nicht ungehört verhallen
barst

Rechtsfragen

Dr. Ludwig Harschet, Universitätsprofessor
in Göttingen: Das Parlamentsrecht des
Deutsche» Reiches, im Auftrage des deutschen
Reichstages dargestellt. Erster Teil. Berlin
und Leipzig. G. I. Göschensche Verlags¬
buchhandlung G. in. b. H. 1915. 623 S.
Preis geh. 16 M

Wie schon der Titel sagt, ist das Werk
im Auftrage des Reichstages verfaßt und
den Reichstagsabgeordneten Junck und Graf
Oppersdorsf aus Dankbarkeit für mannigfache
Förderung gewidmet. Lagen auch bisher
schon kleinere Vorarbeiten wie z B. von Perels
vor, so fehlte es doch an einer umfassenden
Darstellung des gesamten Reichstagsrechtes,

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[0203] Maßgebliches und Unmaßgebliches Gott ist dieser Geist in seiner Gesamtheit, das Gesetz der ewigen Ordnung. Glaube an Gott ist also gleichbedeutend mit dem „Glauben an den Geist und dessen ewige Ideen der Gerechtigkeit oder der Gleichheit und Freiheit" (S. 127), und der Grad der Frömmigkeit eines Menschen hängt davon ab, wie weit die durch eine freie Tat des Geistes bestimmte Richtung seines Handelns im Einklang oder im Widerspruch mit dem ewigen Gesetz der Gerechtigkeit steht. Nicht auf die einzelne Handlung oder den speziellen Grundsatz kommt es an, sondern auf die vor allem Handeln liegende Unterscheidung von Gut und Böse, auf daS allgemeinste Werturteil, durch das sich der Mensch sür das Geistige oder daS Ungeistige entscheidet. Hierbei darf sich der Mensch auf niemandes Beistand verlassen, auch nicht auf Gottes Hilfe, diese Ur- und Grundentscheidung bleibt durchaus und stets eine Tat seiner Freiheit. Mit einer prachtvollen Unbesorgtheit gegen¬ über allen Bedenken der historisch-kritischen Theologie erklärt Rupp diese durchaus Kantisch gefärbte „Botschaft von dem Reiche der Er¬ kenntnis und der Freiheit" für den eigentlichen Inhalt der Predigt Jesu: „Daß die Be¬ friedigung aller Triebe des persönlichen Daseins dem Leben deS Geistes unbedingt unterzu¬ ordnen sei, daß der Gehorsam gegen das Gesetz der Gerechtigkeit, die Aufnahme der göttlichen Vollkommenheit in den Willen des Menschen als die wahre Bestimmung des Menschenlebens erkannt werde," das war der neue Gedanke, den Jesus in das Bewußtsein der Völker einführen wollte (S. 96). Es ist überflüssig zu fragen, wie weit dies mit den historischen Tatsachen übereinstimmt, um so mehr, als eine gültige Beantwortung dieser Frage unmöglich ist; denn angenommen, wir wüßten, welche Sprüche aus dem Neuen Testament wirkliche Aussprüche Jesu sind — Was wir von keinem einzigen mit Sicherheit behaupten können! — so könnten wir nach Rupps Meinung doch niemals mit Sicherheit feststellen, welchen Sinn Jesus mit seinen Worten verknüpft hat. Also überlassen wir mit RuPP diese bei dem jetzigen Bestände der Quellen hoffnungslose Untersuchung den gelehrten Theologen, suchen wir das heraus, was uns in dem Fortschritt unserer sittlich¬ religiösen Erkenntnis fördern kann und vor unserm Wahrheüssinn standhält I Es ist über¬ haupt grundsätzlich verkehrt — darin stimmt RuPP mit dem gesamten Rationalismus mit Einschluß Kants überein —, die Wahrheit eines Satzes durch den Hinweis auf ein historisches Faktum oder eine historische Person zu beweisen; die Geschichte kann niemals über wahr oder unwahr entscheiden; vielmehr ist die einzige Instanz, die hier gültige Ent¬ scheidungen treffen kann, „der Wille Gottes, das Gesetz in unserer Brust, die Offenbarung unseres Gewissens"; dem Richterspruch dieser Instanz unterliegt alles, auch Jesus I Dies ist Rupps stolzer und männlicher Glaube, der Haupt- und Grundgedanke seiner Verkündigung, das eigentliche Thema, das in allen Aufsätzen in immer neuen Abwandlungen und Variationen wiederkehrt. Damit aber rückt Rupp durchaus in die Reihe der großen Idealisten, vor allem neben Fichte und Schiller: mag bei Fichte das Ideal mehr moralisch, bei Schiller mehr ästhetisch, bei RuPP mehr religiös gefärbt sein, das dem Ideal zugrunde liegende Welt- und Lebens¬ gefühl haben die drei Männer gemeinsam. Mit ihnen teilen auch wir jetzt in der Zeit des Weltkrieges den herzerhebenden Idealis- mus, und so ist Rupp für uns die Stimme eines Predigers, die nicht ungehört verhallen barst Rechtsfragen Dr. Ludwig Harschet, Universitätsprofessor in Göttingen: Das Parlamentsrecht des Deutsche» Reiches, im Auftrage des deutschen Reichstages dargestellt. Erster Teil. Berlin und Leipzig. G. I. Göschensche Verlags¬ buchhandlung G. in. b. H. 1915. 623 S. Preis geh. 16 M Wie schon der Titel sagt, ist das Werk im Auftrage des Reichstages verfaßt und den Reichstagsabgeordneten Junck und Graf Oppersdorsf aus Dankbarkeit für mannigfache Förderung gewidmet. Lagen auch bisher schon kleinere Vorarbeiten wie z B. von Perels vor, so fehlte es doch an einer umfassenden Darstellung des gesamten Reichstagsrechtes,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323538/203>, abgerufen am 29.03.2024.