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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr.

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Weltkrieg und Volkszahl

ewa 950 Millionen, also weit mehr als die Hälfte der gesamten
Menschheit innerhalb und außerhalb Europas ist an dem unge¬
heuren Ringen des jetzigen Krieges beteiligt, wenn auch in sehr
verschiedenem Maße. Er ist in der Tat der Weltkrieg und ohne
gleichen in der Weltgeschichte. Innerhalb unseres Erdteils befinden
sich in runden Zahlen 370 Millionen im Kriegszustande; denn unsere Feinde
zählen etwa 248 Millionen (Frankreich 39,6, Belgien 7,5, Großbritannien 46,1,
Rußland 130, Serbien 4,5, Montenegro 0,4), denen Deutschland mit seinen
Verbündeten nur etwa 123 Millionen entgegenstellen kann (Deutschland jetzt
68, Österreich-Ungarn 52, Europäische Türkei 3 Millionen), so daß unsere Feinde
um das Doppelte an Zahl uns überlegen sind. In allen übrigen Weltteilen
sind schätzungsweise fast 580 Millionen im Kriegszustande, nämlich etwa
538 Millionen auf feiten unserer Feinde und nur 40 Millionen auf unserer
Seite (12 Millionen in deutschen Kolonien und 28 Millionen in dem türkischen
Reiche einschließlich Ägypten). Insgesamt zählen unsere Feinde rund 790Millionen
gegen 160 auf unserer Seite. Aber während jene noch nicht ein Dritten ihrer
Volksmassen in Europa haben, wohnt von den 160 Millionen, die auf unserer
Seite stehen, noch nicht ein Vierten außerhalb unseres Erdteils*). Die Gesamt¬
masse unserer Feinde verhält sich zu der unsrigen wie eins zu fünf. Die
außereuropäischen Besitzungen fallen mit ihren riesigen Volkszahlen zwar in
viel geringerem Grade ins Gewicht, weil sie für die entscheidenden Punkte
wenig verfügbare Truppen besitzen und deren Herbeiziehung durch die große
Entfernung erschwert wird; immerhin aber haben Kanada, Indien, Australien,
Senegambien, Tunis, Algier, Sibirien Hilfskräfte senden müssen, und unmöglich
ist das Eingreifen Japans auf dem europäischen Kriegsschauplatze nicht zu
nennen. Jedenfalls haben unsere Gegner zahlenmäßig eine geradezu ungeheure
Übermacht, und käme es auf diese allein an, so wären wir verloren. Glücklicher-



*) Sollten Italien (37 Millionen), Persien (9 Millionen), China (330 Millionen), die
Vereinigten Staaten von Nordamerika (96 Millionen) in den Krieg eingreifen, so würde die
Zahl der Bewohner der kriegführenden Länder sich auf fast 1450 Millionen, also fünf Sechstel
der gesamten Menschheit erhöhen!


Weltkrieg und Volkszahl

ewa 950 Millionen, also weit mehr als die Hälfte der gesamten
Menschheit innerhalb und außerhalb Europas ist an dem unge¬
heuren Ringen des jetzigen Krieges beteiligt, wenn auch in sehr
verschiedenem Maße. Er ist in der Tat der Weltkrieg und ohne
gleichen in der Weltgeschichte. Innerhalb unseres Erdteils befinden
sich in runden Zahlen 370 Millionen im Kriegszustande; denn unsere Feinde
zählen etwa 248 Millionen (Frankreich 39,6, Belgien 7,5, Großbritannien 46,1,
Rußland 130, Serbien 4,5, Montenegro 0,4), denen Deutschland mit seinen
Verbündeten nur etwa 123 Millionen entgegenstellen kann (Deutschland jetzt
68, Österreich-Ungarn 52, Europäische Türkei 3 Millionen), so daß unsere Feinde
um das Doppelte an Zahl uns überlegen sind. In allen übrigen Weltteilen
sind schätzungsweise fast 580 Millionen im Kriegszustande, nämlich etwa
538 Millionen auf feiten unserer Feinde und nur 40 Millionen auf unserer
Seite (12 Millionen in deutschen Kolonien und 28 Millionen in dem türkischen
Reiche einschließlich Ägypten). Insgesamt zählen unsere Feinde rund 790Millionen
gegen 160 auf unserer Seite. Aber während jene noch nicht ein Dritten ihrer
Volksmassen in Europa haben, wohnt von den 160 Millionen, die auf unserer
Seite stehen, noch nicht ein Vierten außerhalb unseres Erdteils*). Die Gesamt¬
masse unserer Feinde verhält sich zu der unsrigen wie eins zu fünf. Die
außereuropäischen Besitzungen fallen mit ihren riesigen Volkszahlen zwar in
viel geringerem Grade ins Gewicht, weil sie für die entscheidenden Punkte
wenig verfügbare Truppen besitzen und deren Herbeiziehung durch die große
Entfernung erschwert wird; immerhin aber haben Kanada, Indien, Australien,
Senegambien, Tunis, Algier, Sibirien Hilfskräfte senden müssen, und unmöglich
ist das Eingreifen Japans auf dem europäischen Kriegsschauplatze nicht zu
nennen. Jedenfalls haben unsere Gegner zahlenmäßig eine geradezu ungeheure
Übermacht, und käme es auf diese allein an, so wären wir verloren. Glücklicher-



*) Sollten Italien (37 Millionen), Persien (9 Millionen), China (330 Millionen), die
Vereinigten Staaten von Nordamerika (96 Millionen) in den Krieg eingreifen, so würde die
Zahl der Bewohner der kriegführenden Länder sich auf fast 1450 Millionen, also fünf Sechstel
der gesamten Menschheit erhöhen!
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[0217] [Abbildung] Weltkrieg und Volkszahl ewa 950 Millionen, also weit mehr als die Hälfte der gesamten Menschheit innerhalb und außerhalb Europas ist an dem unge¬ heuren Ringen des jetzigen Krieges beteiligt, wenn auch in sehr verschiedenem Maße. Er ist in der Tat der Weltkrieg und ohne gleichen in der Weltgeschichte. Innerhalb unseres Erdteils befinden sich in runden Zahlen 370 Millionen im Kriegszustande; denn unsere Feinde zählen etwa 248 Millionen (Frankreich 39,6, Belgien 7,5, Großbritannien 46,1, Rußland 130, Serbien 4,5, Montenegro 0,4), denen Deutschland mit seinen Verbündeten nur etwa 123 Millionen entgegenstellen kann (Deutschland jetzt 68, Österreich-Ungarn 52, Europäische Türkei 3 Millionen), so daß unsere Feinde um das Doppelte an Zahl uns überlegen sind. In allen übrigen Weltteilen sind schätzungsweise fast 580 Millionen im Kriegszustande, nämlich etwa 538 Millionen auf feiten unserer Feinde und nur 40 Millionen auf unserer Seite (12 Millionen in deutschen Kolonien und 28 Millionen in dem türkischen Reiche einschließlich Ägypten). Insgesamt zählen unsere Feinde rund 790Millionen gegen 160 auf unserer Seite. Aber während jene noch nicht ein Dritten ihrer Volksmassen in Europa haben, wohnt von den 160 Millionen, die auf unserer Seite stehen, noch nicht ein Vierten außerhalb unseres Erdteils*). Die Gesamt¬ masse unserer Feinde verhält sich zu der unsrigen wie eins zu fünf. Die außereuropäischen Besitzungen fallen mit ihren riesigen Volkszahlen zwar in viel geringerem Grade ins Gewicht, weil sie für die entscheidenden Punkte wenig verfügbare Truppen besitzen und deren Herbeiziehung durch die große Entfernung erschwert wird; immerhin aber haben Kanada, Indien, Australien, Senegambien, Tunis, Algier, Sibirien Hilfskräfte senden müssen, und unmöglich ist das Eingreifen Japans auf dem europäischen Kriegsschauplatze nicht zu nennen. Jedenfalls haben unsere Gegner zahlenmäßig eine geradezu ungeheure Übermacht, und käme es auf diese allein an, so wären wir verloren. Glücklicher- *) Sollten Italien (37 Millionen), Persien (9 Millionen), China (330 Millionen), die Vereinigten Staaten von Nordamerika (96 Millionen) in den Krieg eingreifen, so würde die Zahl der Bewohner der kriegführenden Länder sich auf fast 1450 Millionen, also fünf Sechstel der gesamten Menschheit erhöhen!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323538/217>, abgerufen am 24.04.2024.