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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]
Tagesfragen

[Spaltenumbruch]

Konstanz gehalten habe. Nach dem alten
Grundsatze Latliolics, non leZuntur werde
in der deutschen Presse, die über Spitteler
lärme, von diesem Vortrage wenig gesprochen,
und werde Baumbergers sehr gut redigiertes
Blatt in Deutschland nirgends gelesen, während
man in allen Zeitungskiosks Süddeutschlands
die Neue Züricher Zeitung finde, die alle
Lügen unserer Feinde ohne Redaktions¬
bemerkung abdrucke.

Aber auch an den Katholiken kann die
Erfahrung nicht spurlos vorübergehen, daß
die sittliche Überlegenheit Deutschlands über
die katholischen Franzosen und Belgier zu
einem guten Teile der Gesundheit und Kern-
haftigkeit der protestantischen norddeutschen
Stämme und des Hohenzollernhauses zu
danken, daß also, was übrigens die Kölner
Richtung schon seit langem anerkennt, nicht
die Konfession sondern das allgemein Christ¬
liche das Wesentliche ist. Das Borurteil,
als ob katholische Orthodoxie die Bedingung
christlicher Lebensführung sei, wird gründlich
zerstört, die deutschen Katholiken werden sich,
ohne auf die ihnen ans Herz gewachsene
Kirchenform zu verzichten, ihren Protestantischen
Mitbürgern stärker als bisher seelenverwandt
fühlen und die evangelische Konfesston nicht
mehr als eine Häresie ansehen, sondern als
eine berechtigte Form des Christentums
würdigen.

Unter diesen Umständen haben jene
Katholiken, die für eine freiere Auffassung
des Christentums kämpfen, mehr Aussicht auf
Erfolg als bisher, und ihre Bestrebungen
zu fördern, liegt offenbar im vaterländischen
Interesse. In der oben genannten Zeitschrift
haben sie sich ein Organ geschaffen, das die
Freunde der Grenzboten um so lieber unter¬
stützen werden, da ihnen der Herausgeber,
Dr. Philipp Funk, durch die Besprechung


[Ende Spaltensatz]
Freie deutsche Blätter.




Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]
Tagesfragen

[Spaltenumbruch]

Konstanz gehalten habe. Nach dem alten
Grundsatze Latliolics, non leZuntur werde
in der deutschen Presse, die über Spitteler
lärme, von diesem Vortrage wenig gesprochen,
und werde Baumbergers sehr gut redigiertes
Blatt in Deutschland nirgends gelesen, während
man in allen Zeitungskiosks Süddeutschlands
die Neue Züricher Zeitung finde, die alle
Lügen unserer Feinde ohne Redaktions¬
bemerkung abdrucke.

Aber auch an den Katholiken kann die
Erfahrung nicht spurlos vorübergehen, daß
die sittliche Überlegenheit Deutschlands über
die katholischen Franzosen und Belgier zu
einem guten Teile der Gesundheit und Kern-
haftigkeit der protestantischen norddeutschen
Stämme und des Hohenzollernhauses zu
danken, daß also, was übrigens die Kölner
Richtung schon seit langem anerkennt, nicht
die Konfession sondern das allgemein Christ¬
liche das Wesentliche ist. Das Borurteil,
als ob katholische Orthodoxie die Bedingung
christlicher Lebensführung sei, wird gründlich
zerstört, die deutschen Katholiken werden sich,
ohne auf die ihnen ans Herz gewachsene
Kirchenform zu verzichten, ihren Protestantischen
Mitbürgern stärker als bisher seelenverwandt
fühlen und die evangelische Konfesston nicht
mehr als eine Häresie ansehen, sondern als
eine berechtigte Form des Christentums
würdigen.

Unter diesen Umständen haben jene
Katholiken, die für eine freiere Auffassung
des Christentums kämpfen, mehr Aussicht auf
Erfolg als bisher, und ihre Bestrebungen
zu fördern, liegt offenbar im vaterländischen
Interesse. In der oben genannten Zeitschrift
haben sie sich ein Organ geschaffen, das die
Freunde der Grenzboten um so lieber unter¬
stützen werden, da ihnen der Herausgeber,
Dr. Philipp Funk, durch die Besprechung


[Ende Spaltensatz]
Freie deutsche Blätter.


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[0231] [Abbildung] Maßgebliches und Unmaßgebliches Tagesfragen Konstanz gehalten habe. Nach dem alten Grundsatze Latliolics, non leZuntur werde in der deutschen Presse, die über Spitteler lärme, von diesem Vortrage wenig gesprochen, und werde Baumbergers sehr gut redigiertes Blatt in Deutschland nirgends gelesen, während man in allen Zeitungskiosks Süddeutschlands die Neue Züricher Zeitung finde, die alle Lügen unserer Feinde ohne Redaktions¬ bemerkung abdrucke. Aber auch an den Katholiken kann die Erfahrung nicht spurlos vorübergehen, daß die sittliche Überlegenheit Deutschlands über die katholischen Franzosen und Belgier zu einem guten Teile der Gesundheit und Kern- haftigkeit der protestantischen norddeutschen Stämme und des Hohenzollernhauses zu danken, daß also, was übrigens die Kölner Richtung schon seit langem anerkennt, nicht die Konfession sondern das allgemein Christ¬ liche das Wesentliche ist. Das Borurteil, als ob katholische Orthodoxie die Bedingung christlicher Lebensführung sei, wird gründlich zerstört, die deutschen Katholiken werden sich, ohne auf die ihnen ans Herz gewachsene Kirchenform zu verzichten, ihren Protestantischen Mitbürgern stärker als bisher seelenverwandt fühlen und die evangelische Konfesston nicht mehr als eine Häresie ansehen, sondern als eine berechtigte Form des Christentums würdigen. Unter diesen Umständen haben jene Katholiken, die für eine freiere Auffassung des Christentums kämpfen, mehr Aussicht auf Erfolg als bisher, und ihre Bestrebungen zu fördern, liegt offenbar im vaterländischen Interesse. In der oben genannten Zeitschrift haben sie sich ein Organ geschaffen, das die Freunde der Grenzboten um so lieber unter¬ stützen werden, da ihnen der Herausgeber, Dr. Philipp Funk, durch die Besprechung Freie deutsche Blätter.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323538/231>, abgerufen am 19.04.2024.