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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr.

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Früchte des Arieges
Betrachtungen aus dem Felde
<veto Dahmke, Unteroffizier der Seewehr von

s kehrt die Zahl nicht heim, die ausgezogen ist nach Ost und
West, aber diejenigen, die heimkehren werden, find dafür ge¬
wachsen -- auch die Knochen, Arme und das Genick. Doch mehr
noch sind gewachsen Hirn und Herz. Das schafft kein Friede in
strengster Arbeit, was hier der Krieg gebildet und erzogen.

Da kamen sie anmarschiert im letzten August, die Rekruten mit ihren
Kindergesichtern, schmalen Schultern, mit unverwüstlichem Humor und den hellen
Stimmen beim Marschgesang. Zwischen uns Landwehrmänner wurden sie
gesteckt. Dann marschierte der achtzehnjährige Schneider neben dem achtund-
dreißigjährigen Grobschmied, der feingliedrige Student neben dem Bauernsohn,
der Fabrikarbeiter neben dem Kaufmann. Und so sind sie durch Feindesland
gezogen, ins Gefecht und zur Schlacht, jeder abhängig von dem anderen, jeder
für alle anderen.

In solcher Gemeinschaft und unter solchen Verhältnissen schleift jede Kruste
ab, die im Frieden so oft den Charakter verdeckt. Von jedem einzigen erkennt
man schnell seines Wesens Kern. Die Drückeberger sind sofort erkannt, die
Faulen, die Selbstsüchtigen. Die enge Gemeinschaft straft sie schnell und erzieht
sie bald. Wie du mir, so ich dir. Die Guten und Hilfsbereiten werden geehrt
und geachtet, die Tüchtigen und Rechtlichdenkenden genießen Ansehen.

So ungefähr ist es ja im Frieden auch. Aber um wie viel schwerer, und
ernster, und größer, sind die Anforderungen, die gestellt werden, wenn es auf
Tod und Leben geht, wenn die Strapazen auch den allerletzten Rest der Kraft
erfordern, wenn kein Unterschied ist zwischen Tag und Nacht, Hitze oder Kälte.

Jeder fühlt den unerhörten Willen, der in den Kommandostellen wirkt,
und der fein eigenes Geschick leitet. Jeder spürt, daß der Wille die Wurzel
aller Erfolge ist. Und jeder, auch der Letzte, erkennt, daß er selbst nur bestehe"
kann, wenn er Willen zeigt, Willen und Ausdauer. Nur dadurch kann er sich
behaupten und Geltung verschaffen.




Früchte des Arieges
Betrachtungen aus dem Felde
<veto Dahmke, Unteroffizier der Seewehr von

s kehrt die Zahl nicht heim, die ausgezogen ist nach Ost und
West, aber diejenigen, die heimkehren werden, find dafür ge¬
wachsen — auch die Knochen, Arme und das Genick. Doch mehr
noch sind gewachsen Hirn und Herz. Das schafft kein Friede in
strengster Arbeit, was hier der Krieg gebildet und erzogen.

Da kamen sie anmarschiert im letzten August, die Rekruten mit ihren
Kindergesichtern, schmalen Schultern, mit unverwüstlichem Humor und den hellen
Stimmen beim Marschgesang. Zwischen uns Landwehrmänner wurden sie
gesteckt. Dann marschierte der achtzehnjährige Schneider neben dem achtund-
dreißigjährigen Grobschmied, der feingliedrige Student neben dem Bauernsohn,
der Fabrikarbeiter neben dem Kaufmann. Und so sind sie durch Feindesland
gezogen, ins Gefecht und zur Schlacht, jeder abhängig von dem anderen, jeder
für alle anderen.

In solcher Gemeinschaft und unter solchen Verhältnissen schleift jede Kruste
ab, die im Frieden so oft den Charakter verdeckt. Von jedem einzigen erkennt
man schnell seines Wesens Kern. Die Drückeberger sind sofort erkannt, die
Faulen, die Selbstsüchtigen. Die enge Gemeinschaft straft sie schnell und erzieht
sie bald. Wie du mir, so ich dir. Die Guten und Hilfsbereiten werden geehrt
und geachtet, die Tüchtigen und Rechtlichdenkenden genießen Ansehen.

So ungefähr ist es ja im Frieden auch. Aber um wie viel schwerer, und
ernster, und größer, sind die Anforderungen, die gestellt werden, wenn es auf
Tod und Leben geht, wenn die Strapazen auch den allerletzten Rest der Kraft
erfordern, wenn kein Unterschied ist zwischen Tag und Nacht, Hitze oder Kälte.

Jeder fühlt den unerhörten Willen, der in den Kommandostellen wirkt,
und der fein eigenes Geschick leitet. Jeder spürt, daß der Wille die Wurzel
aller Erfolge ist. Und jeder, auch der Letzte, erkennt, daß er selbst nur bestehe«
kann, wenn er Willen zeigt, Willen und Ausdauer. Nur dadurch kann er sich
behaupten und Geltung verschaffen.


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[0360] [Abbildung] Früchte des Arieges Betrachtungen aus dem Felde <veto Dahmke, Unteroffizier der Seewehr von s kehrt die Zahl nicht heim, die ausgezogen ist nach Ost und West, aber diejenigen, die heimkehren werden, find dafür ge¬ wachsen — auch die Knochen, Arme und das Genick. Doch mehr noch sind gewachsen Hirn und Herz. Das schafft kein Friede in strengster Arbeit, was hier der Krieg gebildet und erzogen. Da kamen sie anmarschiert im letzten August, die Rekruten mit ihren Kindergesichtern, schmalen Schultern, mit unverwüstlichem Humor und den hellen Stimmen beim Marschgesang. Zwischen uns Landwehrmänner wurden sie gesteckt. Dann marschierte der achtzehnjährige Schneider neben dem achtund- dreißigjährigen Grobschmied, der feingliedrige Student neben dem Bauernsohn, der Fabrikarbeiter neben dem Kaufmann. Und so sind sie durch Feindesland gezogen, ins Gefecht und zur Schlacht, jeder abhängig von dem anderen, jeder für alle anderen. In solcher Gemeinschaft und unter solchen Verhältnissen schleift jede Kruste ab, die im Frieden so oft den Charakter verdeckt. Von jedem einzigen erkennt man schnell seines Wesens Kern. Die Drückeberger sind sofort erkannt, die Faulen, die Selbstsüchtigen. Die enge Gemeinschaft straft sie schnell und erzieht sie bald. Wie du mir, so ich dir. Die Guten und Hilfsbereiten werden geehrt und geachtet, die Tüchtigen und Rechtlichdenkenden genießen Ansehen. So ungefähr ist es ja im Frieden auch. Aber um wie viel schwerer, und ernster, und größer, sind die Anforderungen, die gestellt werden, wenn es auf Tod und Leben geht, wenn die Strapazen auch den allerletzten Rest der Kraft erfordern, wenn kein Unterschied ist zwischen Tag und Nacht, Hitze oder Kälte. Jeder fühlt den unerhörten Willen, der in den Kommandostellen wirkt, und der fein eigenes Geschick leitet. Jeder spürt, daß der Wille die Wurzel aller Erfolge ist. Und jeder, auch der Letzte, erkennt, daß er selbst nur bestehe« kann, wenn er Willen zeigt, Willen und Ausdauer. Nur dadurch kann er sich behaupten und Geltung verschaffen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323538/360>, abgerufen am 28.03.2024.