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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr.

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Die vereinigten Staaten von Amerika und Japan

unausbleibliche Folge dieses Aufschwunges ist die Entstehung von zahlreichen
Reibungsflächen japanischer und amerikanischer Interessen auf dem chinesischen
Weltmarkte.

Wir wollen im folgenden nur die wesentlichsten Punkte der amerikanisch¬
japanischen Frage kurz berühren, wohl wissend, daß eine auch nur annähernd voll¬
ständige Darstellung dieses Problems weit über den Rahmen hinausgehen
würde, der uns hier gesteckt ist. Wir wollen uns darauf beschränken,
die amerikanischen Interessen in China und die Einwanderungsfrage
etwas näher zu beleuchten, die die wichtigsten Faktoren jenes oft bestrittenen,
aber zweifellos bestehenden Problems sind: des Kampfes um die Herrschaft im
Stillen Ozean zwischen der weißen und der gelben Rasse.

I.

"Ein geeinigtes China, sich stark entwickelnd, Herr in seinem eigenen
Lande, welches es dem Handel aller Nationen der Welt in gleichem Maße
offen hält." Mit diesen Worten kennzeichnet der jetzige Gesandte der Ver¬
einigten Staaten von Amerika in Peking, Professor Reinsch*), einer der besten
Kenner der amerikanischen Politik und diplomatischen Geschichte der Union, die
Politik, die die Vereinigten Staaten stets dem Reiche der Mitte gegenüber
beobachtet haben, die sie auch heute der jungen Republik China gegenüber
vertreten.

Bereits kurze Zeit nach der Abtretung Kaliforniens an die Union im
Frieden von Guadeloupe Hidalgo (1848) finden wir die ersten Anzeichen für
das Streben der Vereinigten Staaten, einen Einfluß in Australien zu erlangen
und an der Erschließung des chinesischen Reiches teilzunehmen. Schon damals
erkannten die amerikanischen Staatsmänner, daß der Stille Ozean dereinst eine
große Rolle auf dem Welttheater spielen werde, und aus dieser Erkenntnis
entsprang der Wunsch, daß auch die Vereinigten Staaten ostasiatische Politik
treiben, daß auch sie sich auf den neuerschlossenen Gebieten des Weltmarktes
im Fernen Osten betätigen sollten.

So sicherten sich die Vereinigten Staaten in ihrem Vertrage mit China
1844 durch die Einfügung der sogenannten Meistbegünstigungsklausel die Vor¬
teile, die England und Frankreich kurz vorher durch den Opiumkrieg (1840 bis
1842) errungen hatten. Die Folge dieses Vertrages war ein rasches Aufblühen
des amerikanischen Handels mit China und die Begründung zahlreicher
amerikanischer Handelshäuser in den Vertragshäfen im Reiche der Mitte. Wenn
auch der Handel zwischen der Union und China einigen nicht unbedeutenden
Schwankungen ausgesetzt war, die auf die politischen Zustände in den beiden
Ländern zurückzuführen find, so zeigt doch die Skala des amerikantsch-chinesischen



*) Reinsch: "Die Vereinigten Staaten und der Ferne Osten sin der Zeitschrift für
Politik, 1913) Seite 200.
Die vereinigten Staaten von Amerika und Japan

unausbleibliche Folge dieses Aufschwunges ist die Entstehung von zahlreichen
Reibungsflächen japanischer und amerikanischer Interessen auf dem chinesischen
Weltmarkte.

Wir wollen im folgenden nur die wesentlichsten Punkte der amerikanisch¬
japanischen Frage kurz berühren, wohl wissend, daß eine auch nur annähernd voll¬
ständige Darstellung dieses Problems weit über den Rahmen hinausgehen
würde, der uns hier gesteckt ist. Wir wollen uns darauf beschränken,
die amerikanischen Interessen in China und die Einwanderungsfrage
etwas näher zu beleuchten, die die wichtigsten Faktoren jenes oft bestrittenen,
aber zweifellos bestehenden Problems sind: des Kampfes um die Herrschaft im
Stillen Ozean zwischen der weißen und der gelben Rasse.

I.

„Ein geeinigtes China, sich stark entwickelnd, Herr in seinem eigenen
Lande, welches es dem Handel aller Nationen der Welt in gleichem Maße
offen hält." Mit diesen Worten kennzeichnet der jetzige Gesandte der Ver¬
einigten Staaten von Amerika in Peking, Professor Reinsch*), einer der besten
Kenner der amerikanischen Politik und diplomatischen Geschichte der Union, die
Politik, die die Vereinigten Staaten stets dem Reiche der Mitte gegenüber
beobachtet haben, die sie auch heute der jungen Republik China gegenüber
vertreten.

Bereits kurze Zeit nach der Abtretung Kaliforniens an die Union im
Frieden von Guadeloupe Hidalgo (1848) finden wir die ersten Anzeichen für
das Streben der Vereinigten Staaten, einen Einfluß in Australien zu erlangen
und an der Erschließung des chinesischen Reiches teilzunehmen. Schon damals
erkannten die amerikanischen Staatsmänner, daß der Stille Ozean dereinst eine
große Rolle auf dem Welttheater spielen werde, und aus dieser Erkenntnis
entsprang der Wunsch, daß auch die Vereinigten Staaten ostasiatische Politik
treiben, daß auch sie sich auf den neuerschlossenen Gebieten des Weltmarktes
im Fernen Osten betätigen sollten.

So sicherten sich die Vereinigten Staaten in ihrem Vertrage mit China
1844 durch die Einfügung der sogenannten Meistbegünstigungsklausel die Vor¬
teile, die England und Frankreich kurz vorher durch den Opiumkrieg (1840 bis
1842) errungen hatten. Die Folge dieses Vertrages war ein rasches Aufblühen
des amerikanischen Handels mit China und die Begründung zahlreicher
amerikanischer Handelshäuser in den Vertragshäfen im Reiche der Mitte. Wenn
auch der Handel zwischen der Union und China einigen nicht unbedeutenden
Schwankungen ausgesetzt war, die auf die politischen Zustände in den beiden
Ländern zurückzuführen find, so zeigt doch die Skala des amerikantsch-chinesischen



*) Reinsch: „Die Vereinigten Staaten und der Ferne Osten sin der Zeitschrift für
Politik, 1913) Seite 200.
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[0046] Die vereinigten Staaten von Amerika und Japan unausbleibliche Folge dieses Aufschwunges ist die Entstehung von zahlreichen Reibungsflächen japanischer und amerikanischer Interessen auf dem chinesischen Weltmarkte. Wir wollen im folgenden nur die wesentlichsten Punkte der amerikanisch¬ japanischen Frage kurz berühren, wohl wissend, daß eine auch nur annähernd voll¬ ständige Darstellung dieses Problems weit über den Rahmen hinausgehen würde, der uns hier gesteckt ist. Wir wollen uns darauf beschränken, die amerikanischen Interessen in China und die Einwanderungsfrage etwas näher zu beleuchten, die die wichtigsten Faktoren jenes oft bestrittenen, aber zweifellos bestehenden Problems sind: des Kampfes um die Herrschaft im Stillen Ozean zwischen der weißen und der gelben Rasse. I. „Ein geeinigtes China, sich stark entwickelnd, Herr in seinem eigenen Lande, welches es dem Handel aller Nationen der Welt in gleichem Maße offen hält." Mit diesen Worten kennzeichnet der jetzige Gesandte der Ver¬ einigten Staaten von Amerika in Peking, Professor Reinsch*), einer der besten Kenner der amerikanischen Politik und diplomatischen Geschichte der Union, die Politik, die die Vereinigten Staaten stets dem Reiche der Mitte gegenüber beobachtet haben, die sie auch heute der jungen Republik China gegenüber vertreten. Bereits kurze Zeit nach der Abtretung Kaliforniens an die Union im Frieden von Guadeloupe Hidalgo (1848) finden wir die ersten Anzeichen für das Streben der Vereinigten Staaten, einen Einfluß in Australien zu erlangen und an der Erschließung des chinesischen Reiches teilzunehmen. Schon damals erkannten die amerikanischen Staatsmänner, daß der Stille Ozean dereinst eine große Rolle auf dem Welttheater spielen werde, und aus dieser Erkenntnis entsprang der Wunsch, daß auch die Vereinigten Staaten ostasiatische Politik treiben, daß auch sie sich auf den neuerschlossenen Gebieten des Weltmarktes im Fernen Osten betätigen sollten. So sicherten sich die Vereinigten Staaten in ihrem Vertrage mit China 1844 durch die Einfügung der sogenannten Meistbegünstigungsklausel die Vor¬ teile, die England und Frankreich kurz vorher durch den Opiumkrieg (1840 bis 1842) errungen hatten. Die Folge dieses Vertrages war ein rasches Aufblühen des amerikanischen Handels mit China und die Begründung zahlreicher amerikanischer Handelshäuser in den Vertragshäfen im Reiche der Mitte. Wenn auch der Handel zwischen der Union und China einigen nicht unbedeutenden Schwankungen ausgesetzt war, die auf die politischen Zustände in den beiden Ländern zurückzuführen find, so zeigt doch die Skala des amerikantsch-chinesischen *) Reinsch: „Die Vereinigten Staaten und der Ferne Osten sin der Zeitschrift für Politik, 1913) Seite 200.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323538/46>, abgerufen am 25.04.2024.