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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr.

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Die vereinigten Staaten von Amerika und Japan

Aufteilung würde aber die allmähliche Monopolisierung des Handels durch die
austeilenden Mächte sein: auch der amerikanische Handel wird dann im Laufe
der Zeit vom chinesischen Markte verdrängt werden. Die Vereinigten Staaten
find deshalb ebenso wie Deutschland an einer Erhaltung der territorialen
Integrität Chinas und an seiner militärischen und nationalen Erstarkung lebhaft
interessiert, und beide Staaten müssen ein weiteres Vordringen der Japaner
auf dem asiatischen Festlande auf Kosten Chinas unbedingt verhindern, wollen
sie nicht auf ihren ostasiatischen Handel und auf ihre Mitwirkung bei der
Regelung der ostasiatischen Frage verzichten*).

Die neuesten Ereignisse im Fernen Osten haben dies bestätigt. Die von
Japan an China in der Note vom 28. Januar 1915 gestellten Forderungen
lassen klar und deutlich die Endziele der japanischen imperialistischen Politik
erkennen. Noch find die Verhandlungen nicht abgeschlossen, und es läßt sich
noch nicht überblicken, inwieweit Japan sich -- durch den Einfluß anderer
in China interessierter Mächte -- bestimmen läßt, seine für China unannehmbaren
Forderungen zu mäßigen.

VersuchtJapan--und wir zweifeln nicht, daß es diesen Versuch machen wird --
weitere chinesische Länder seinem Gebiete einzuverleiben, so wird es bald mit den
Interessen der Vereinigten Staaten in Gegensatz geraten, der zunächst mit den
Waffen des Handels auf dem asiatischen Weltmarkte ausgefochten werden wird,
der aber leicht zu einem politischen Konflikte auswachsen kann und -- wie die
Weltgeschichte bisher immer bewiesen -- auswachsen wird.


II.

Von weit größerer Bedeutung ist das Problem der japanischen Einwanderung
nach den Vereinigten Staaten von Amerika**). Durch beiderseitiges Nachgeben
und durch Verträge scheint diese Frage zwar für den Augenblick geregelt zu
sein. Aber eben nur für den Augenblick. Bald wird sie von neuem auftauchen,
und dann wahrscheinlich mit größerer Heftigkeit und Schärfe.

Von einer japanischen Einwanderung nach den Vereinigten Staaten in
größerem Umfange kann man eigentlich erst seit dem Anfang des zwanzigsten
Jahrhunderts sprechen. Waren auch schon früher japanische Arbeiter, besonders
für die Obstplantagen, nach dem amerikanischen Kontinent gekommen, so ging
doch in den achtziger und neunziger Jahren der Hauptstrom der japanischen
Auswanderer nach Hawai***), wo sie anfangs als Gegengewicht gegen die wenig





*) Vergleiche Riegelsberger: a. a. O., Seite 35.
**) Vergleiche zu dieser Frage den Aufsatz von Dr. Friedrich A. Wyneken: "Die
gelbe Gefahr in Kalifornien" in den "Grenzboten", 1913, Seite 309 ff.
***) Die ersten japanischen Einwanderer kamen 1868 nach Hawai. Der größte Teil wanderte
jedoch wieder zurück, so daß 1832 nur noch Is Japaner auf Hawai waren. Von da ab nimmt
die japanische Einwanderung einen immer größeren, schließlich bis in die Zehntausende
steigenden Umfang an, der erst infolge der amerikanischen Einwanderungsgesetzgebung im
Jahre 1907 zum Stehen gebracht wurde.
Die vereinigten Staaten von Amerika und Japan

Aufteilung würde aber die allmähliche Monopolisierung des Handels durch die
austeilenden Mächte sein: auch der amerikanische Handel wird dann im Laufe
der Zeit vom chinesischen Markte verdrängt werden. Die Vereinigten Staaten
find deshalb ebenso wie Deutschland an einer Erhaltung der territorialen
Integrität Chinas und an seiner militärischen und nationalen Erstarkung lebhaft
interessiert, und beide Staaten müssen ein weiteres Vordringen der Japaner
auf dem asiatischen Festlande auf Kosten Chinas unbedingt verhindern, wollen
sie nicht auf ihren ostasiatischen Handel und auf ihre Mitwirkung bei der
Regelung der ostasiatischen Frage verzichten*).

Die neuesten Ereignisse im Fernen Osten haben dies bestätigt. Die von
Japan an China in der Note vom 28. Januar 1915 gestellten Forderungen
lassen klar und deutlich die Endziele der japanischen imperialistischen Politik
erkennen. Noch find die Verhandlungen nicht abgeschlossen, und es läßt sich
noch nicht überblicken, inwieweit Japan sich — durch den Einfluß anderer
in China interessierter Mächte — bestimmen läßt, seine für China unannehmbaren
Forderungen zu mäßigen.

VersuchtJapan—und wir zweifeln nicht, daß es diesen Versuch machen wird —
weitere chinesische Länder seinem Gebiete einzuverleiben, so wird es bald mit den
Interessen der Vereinigten Staaten in Gegensatz geraten, der zunächst mit den
Waffen des Handels auf dem asiatischen Weltmarkte ausgefochten werden wird,
der aber leicht zu einem politischen Konflikte auswachsen kann und — wie die
Weltgeschichte bisher immer bewiesen — auswachsen wird.


II.

Von weit größerer Bedeutung ist das Problem der japanischen Einwanderung
nach den Vereinigten Staaten von Amerika**). Durch beiderseitiges Nachgeben
und durch Verträge scheint diese Frage zwar für den Augenblick geregelt zu
sein. Aber eben nur für den Augenblick. Bald wird sie von neuem auftauchen,
und dann wahrscheinlich mit größerer Heftigkeit und Schärfe.

Von einer japanischen Einwanderung nach den Vereinigten Staaten in
größerem Umfange kann man eigentlich erst seit dem Anfang des zwanzigsten
Jahrhunderts sprechen. Waren auch schon früher japanische Arbeiter, besonders
für die Obstplantagen, nach dem amerikanischen Kontinent gekommen, so ging
doch in den achtziger und neunziger Jahren der Hauptstrom der japanischen
Auswanderer nach Hawai***), wo sie anfangs als Gegengewicht gegen die wenig





*) Vergleiche Riegelsberger: a. a. O., Seite 35.
**) Vergleiche zu dieser Frage den Aufsatz von Dr. Friedrich A. Wyneken: „Die
gelbe Gefahr in Kalifornien" in den „Grenzboten", 1913, Seite 309 ff.
***) Die ersten japanischen Einwanderer kamen 1868 nach Hawai. Der größte Teil wanderte
jedoch wieder zurück, so daß 1832 nur noch Is Japaner auf Hawai waren. Von da ab nimmt
die japanische Einwanderung einen immer größeren, schließlich bis in die Zehntausende
steigenden Umfang an, der erst infolge der amerikanischen Einwanderungsgesetzgebung im
Jahre 1907 zum Stehen gebracht wurde.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323538/50>, abgerufen am 24.04.2024.