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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr.

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Die vereinigten Staaten von Amerika und Japan

III.

Wir glauben gezeigt zu haben, daß die beiden oben behandelten Fragen
von größter Bedeutung sein werden für die künftige Gestaltung der Beziehungen
zwischen den Vereinigten Staaten und Japan. Aber diese beiden Fragen
bilden nur gleichsam die Eckpfeiler des weit größeren Problems, das wir hier
in aller Kürze streifen wollen, nämlich der Frage: soll die weiße oder die gelbe
Rasse im Stillen Ozean die Vorherrschaft haben?

Bedeutende amerikanische Gelehrte, wie Münsterberg*) und Coolidge**)
haben diesen Kampf um die Vorherrschaft im Stillen Ozean als leere Redensart
bezeichnet, die eigentlich gar nichts bedeute. Hierbei scheint uns aber der
Wunsch der Vater des Gedankens zu sein, denn man wird in Amerika kaum
die Augen verschließen können vor den Tatsachen, die -- besonders in den
letzten Jahren -- eine allzudeutliche Sprache sprechen. Gibt doch Coolidge***)
selbst zu, daß der Stille Ozean für die Vereinigten Staaten von außerordent¬
licher Wichtigkeit ist, und daß "jährlich ... die dortigen Begebenheiten für
das amerikanische Volk wichtiger" werden. Kurz darauf stellt er dann fest:
"Für Japan bedeutet aber das Stille Meer Anfang und Ende seiner Politik."
Gewiß: "Raum für alle hat die Erde;" aber glaubt denn Coolidge wirklich,
daß ein friedliches Nebeneinanderarbeiten der beiden imperialistische Tendenzen
verfolgenden Weltmächte im Stillen Ozean auf die Dauer möglich sein wird?
Wohl kaum; denn die neuesten Ereignisse der Weltgeschichte lehren -- wenn
es die Vergangenheit nicht schon zur Genüge bewiesen haben sollte --, daß
auch der friedliche Wettbewerb zweier Völker auf dem Felde des Weltmarktes
seine schließliche Lösung im Kampfe mit den Waffen findet. Denn, wie das
Sprichwort sagt: "Wo der Bäcker wohnt, kann der Schneider nicht wohnen," und
wie im Leben des einzelnen, so ist es auch im Leben der Völker. Einer von
beiden muß schließlich weichen. Keine emporstrebende, kräftige Nation aber --
und als solche kann man doch beide, die Vereinigten Staaten sowohl wie
Japan, bezeichnen -- wird freiwillig den Kampfplatz verlassen, mag sie auch
noch so friedliebend sein, wenn sie weiß, daß die Behauptung des Feldes für
sie ein Lebensinteresse ist.

Der Kauf von Alaska (1868), die Annexion von Hawai (1898), der
Erwerb der Philippinen und der Insel Guam in den Mariannen (im Frieden
von Paris 1898), die Erwerbung der Insel Tutuila in der Samoa-Gruppe
durch Vertrag mit Deutschland und Großbritannien (1899), sowie nicht zum
wenigsten das Riesenwerk des Panamakanals beweisen zur Genüge das Interesse
der Vereinigten Staaten im Stillen Ozean.

Schon der Staatssekretär William H. Seward. dem auch das Hauptverdienst
an der Erwerbung Alaskas gebührt, hat in den sechziger Jahren darauf hin-





*) Münsterberg: "Die Amerikaner," 1912, Band I, Seite 346.
**) Coolidge: a. a. O., Seite 3ö4.
***) Coolidge: a. a. O., Seite 328.
Die vereinigten Staaten von Amerika und Japan

III.

Wir glauben gezeigt zu haben, daß die beiden oben behandelten Fragen
von größter Bedeutung sein werden für die künftige Gestaltung der Beziehungen
zwischen den Vereinigten Staaten und Japan. Aber diese beiden Fragen
bilden nur gleichsam die Eckpfeiler des weit größeren Problems, das wir hier
in aller Kürze streifen wollen, nämlich der Frage: soll die weiße oder die gelbe
Rasse im Stillen Ozean die Vorherrschaft haben?

Bedeutende amerikanische Gelehrte, wie Münsterberg*) und Coolidge**)
haben diesen Kampf um die Vorherrschaft im Stillen Ozean als leere Redensart
bezeichnet, die eigentlich gar nichts bedeute. Hierbei scheint uns aber der
Wunsch der Vater des Gedankens zu sein, denn man wird in Amerika kaum
die Augen verschließen können vor den Tatsachen, die — besonders in den
letzten Jahren — eine allzudeutliche Sprache sprechen. Gibt doch Coolidge***)
selbst zu, daß der Stille Ozean für die Vereinigten Staaten von außerordent¬
licher Wichtigkeit ist, und daß „jährlich ... die dortigen Begebenheiten für
das amerikanische Volk wichtiger" werden. Kurz darauf stellt er dann fest:
„Für Japan bedeutet aber das Stille Meer Anfang und Ende seiner Politik."
Gewiß: „Raum für alle hat die Erde;" aber glaubt denn Coolidge wirklich,
daß ein friedliches Nebeneinanderarbeiten der beiden imperialistische Tendenzen
verfolgenden Weltmächte im Stillen Ozean auf die Dauer möglich sein wird?
Wohl kaum; denn die neuesten Ereignisse der Weltgeschichte lehren — wenn
es die Vergangenheit nicht schon zur Genüge bewiesen haben sollte —, daß
auch der friedliche Wettbewerb zweier Völker auf dem Felde des Weltmarktes
seine schließliche Lösung im Kampfe mit den Waffen findet. Denn, wie das
Sprichwort sagt: „Wo der Bäcker wohnt, kann der Schneider nicht wohnen," und
wie im Leben des einzelnen, so ist es auch im Leben der Völker. Einer von
beiden muß schließlich weichen. Keine emporstrebende, kräftige Nation aber —
und als solche kann man doch beide, die Vereinigten Staaten sowohl wie
Japan, bezeichnen — wird freiwillig den Kampfplatz verlassen, mag sie auch
noch so friedliebend sein, wenn sie weiß, daß die Behauptung des Feldes für
sie ein Lebensinteresse ist.

Der Kauf von Alaska (1868), die Annexion von Hawai (1898), der
Erwerb der Philippinen und der Insel Guam in den Mariannen (im Frieden
von Paris 1898), die Erwerbung der Insel Tutuila in der Samoa-Gruppe
durch Vertrag mit Deutschland und Großbritannien (1899), sowie nicht zum
wenigsten das Riesenwerk des Panamakanals beweisen zur Genüge das Interesse
der Vereinigten Staaten im Stillen Ozean.

Schon der Staatssekretär William H. Seward. dem auch das Hauptverdienst
an der Erwerbung Alaskas gebührt, hat in den sechziger Jahren darauf hin-





*) Münsterberg: „Die Amerikaner," 1912, Band I, Seite 346.
**) Coolidge: a. a. O., Seite 3ö4.
***) Coolidge: a. a. O., Seite 328.
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[0057] Die vereinigten Staaten von Amerika und Japan III. Wir glauben gezeigt zu haben, daß die beiden oben behandelten Fragen von größter Bedeutung sein werden für die künftige Gestaltung der Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Japan. Aber diese beiden Fragen bilden nur gleichsam die Eckpfeiler des weit größeren Problems, das wir hier in aller Kürze streifen wollen, nämlich der Frage: soll die weiße oder die gelbe Rasse im Stillen Ozean die Vorherrschaft haben? Bedeutende amerikanische Gelehrte, wie Münsterberg*) und Coolidge**) haben diesen Kampf um die Vorherrschaft im Stillen Ozean als leere Redensart bezeichnet, die eigentlich gar nichts bedeute. Hierbei scheint uns aber der Wunsch der Vater des Gedankens zu sein, denn man wird in Amerika kaum die Augen verschließen können vor den Tatsachen, die — besonders in den letzten Jahren — eine allzudeutliche Sprache sprechen. Gibt doch Coolidge***) selbst zu, daß der Stille Ozean für die Vereinigten Staaten von außerordent¬ licher Wichtigkeit ist, und daß „jährlich ... die dortigen Begebenheiten für das amerikanische Volk wichtiger" werden. Kurz darauf stellt er dann fest: „Für Japan bedeutet aber das Stille Meer Anfang und Ende seiner Politik." Gewiß: „Raum für alle hat die Erde;" aber glaubt denn Coolidge wirklich, daß ein friedliches Nebeneinanderarbeiten der beiden imperialistische Tendenzen verfolgenden Weltmächte im Stillen Ozean auf die Dauer möglich sein wird? Wohl kaum; denn die neuesten Ereignisse der Weltgeschichte lehren — wenn es die Vergangenheit nicht schon zur Genüge bewiesen haben sollte —, daß auch der friedliche Wettbewerb zweier Völker auf dem Felde des Weltmarktes seine schließliche Lösung im Kampfe mit den Waffen findet. Denn, wie das Sprichwort sagt: „Wo der Bäcker wohnt, kann der Schneider nicht wohnen," und wie im Leben des einzelnen, so ist es auch im Leben der Völker. Einer von beiden muß schließlich weichen. Keine emporstrebende, kräftige Nation aber — und als solche kann man doch beide, die Vereinigten Staaten sowohl wie Japan, bezeichnen — wird freiwillig den Kampfplatz verlassen, mag sie auch noch so friedliebend sein, wenn sie weiß, daß die Behauptung des Feldes für sie ein Lebensinteresse ist. Der Kauf von Alaska (1868), die Annexion von Hawai (1898), der Erwerb der Philippinen und der Insel Guam in den Mariannen (im Frieden von Paris 1898), die Erwerbung der Insel Tutuila in der Samoa-Gruppe durch Vertrag mit Deutschland und Großbritannien (1899), sowie nicht zum wenigsten das Riesenwerk des Panamakanals beweisen zur Genüge das Interesse der Vereinigten Staaten im Stillen Ozean. Schon der Staatssekretär William H. Seward. dem auch das Hauptverdienst an der Erwerbung Alaskas gebührt, hat in den sechziger Jahren darauf hin- *) Münsterberg: „Die Amerikaner," 1912, Band I, Seite 346. **) Coolidge: a. a. O., Seite 3ö4. ***) Coolidge: a. a. O., Seite 328.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323538/57>, abgerufen am 28.03.2024.