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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr.

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Gobineau über Deutsche und Franzosen
Prof. Dr. Ludwig Schemann von

MM> iederholt während des jetzigen Krieges gefragt, wie wohl Gobineau
zu diesem und zu uns sich gestellt haben würde, und von be¬
freundeter Seite eindringlich aufgefordert, ihn, wie es mit andern
Geistesmächtigen wohl geschehen, als Zeugen für uns heranzu-
^ ziehen, habe ich solchen Anfragen und Aufforderungen gegenüber
bisher, wenigstens vor der Öffentlichkeit, Zurückhaltung bewahren zu sollen ge¬
glaubt, hauptsächlich aus dem Grunde, weil ich der Meinung war, Gobineaus
Verhältnis zu den Deutschen und zum Deutschtum in einer Reihe früherer, noch
dazu in Buchform vorliegender Schriften so gründlich, allseitig und unanfechtbar
festgestellt und aus den Quellen belegt zu haben, daß alles weitere über den
Gegenstand fortan nur als Wiederholung erscheinen könnte*). Wenn ich dennoch
zu diesem hier nochmals das Wort ergreife, so geschieht es, weil gerade neuester-
dings von Gobineau allernächst stehender Seite versucht worden ist, die von
mir begründete und in Deutschland jetzt allgemein verbreitete Auffassung anzu-
fechten, ja in ihrem Kern zu erschüttern. Ich werde unter diesen Umständen
nicht umhin können, das Wesentliche meiner früheren Darlegungen nochmals
kurz zusammenzufassen, habe mich aber nunmehr, der Zeit Rechnung tragend,
entschlossen, jene durch ein bedeutsames Neues zu erweitern, das eigentlich seine
Stelle erst im Schlußbande der Biographie hätte finden sollen, im gegenwärtigen
Augenblick aber durch die vielen interessanten und schlagenden Parallelen, die
es an die Hand gibt, noch weit unmittelbarer wirken dürste: nämlich durch
Mitteilungen über Gobineaus Erlebnisse während des Krieges 1870/71 und
vor allem durch die Analyse seiner bisher völlig unbekannten Schrift über
diesen Krieg.

Ehe ich aber zu diesen Dingen übergehe, liegt es mir ob, den erwähnten
Versuch, der Stellung Gobineaus zu unserem Vaterlande ein von Grund aus



*) Ich verweise hier in erster Linie auf die ganz unserem Thema gewidmete Schrift
"Gobineau und die deutsche Kultur". Leipzig, Fr. Eckardt, 1910. Demnächst auf den ersten
Band der Biographie "Gobineau", Straßburg, Trübner, 1913, nebst dem Beiband "Quellen
und Untersuchungen zum Leben Gobineaus", ebenda 1914. Auch in dem früher erschienenen
"Gobineaus Rassenwerk, Aktenstücke und Betrachtungen", Stuttgart, Frommann, 1910, findet
sich manches Beachtenswerte hierfür.


Gobineau über Deutsche und Franzosen
Prof. Dr. Ludwig Schemann von

MM> iederholt während des jetzigen Krieges gefragt, wie wohl Gobineau
zu diesem und zu uns sich gestellt haben würde, und von be¬
freundeter Seite eindringlich aufgefordert, ihn, wie es mit andern
Geistesmächtigen wohl geschehen, als Zeugen für uns heranzu-
^ ziehen, habe ich solchen Anfragen und Aufforderungen gegenüber
bisher, wenigstens vor der Öffentlichkeit, Zurückhaltung bewahren zu sollen ge¬
glaubt, hauptsächlich aus dem Grunde, weil ich der Meinung war, Gobineaus
Verhältnis zu den Deutschen und zum Deutschtum in einer Reihe früherer, noch
dazu in Buchform vorliegender Schriften so gründlich, allseitig und unanfechtbar
festgestellt und aus den Quellen belegt zu haben, daß alles weitere über den
Gegenstand fortan nur als Wiederholung erscheinen könnte*). Wenn ich dennoch
zu diesem hier nochmals das Wort ergreife, so geschieht es, weil gerade neuester-
dings von Gobineau allernächst stehender Seite versucht worden ist, die von
mir begründete und in Deutschland jetzt allgemein verbreitete Auffassung anzu-
fechten, ja in ihrem Kern zu erschüttern. Ich werde unter diesen Umständen
nicht umhin können, das Wesentliche meiner früheren Darlegungen nochmals
kurz zusammenzufassen, habe mich aber nunmehr, der Zeit Rechnung tragend,
entschlossen, jene durch ein bedeutsames Neues zu erweitern, das eigentlich seine
Stelle erst im Schlußbande der Biographie hätte finden sollen, im gegenwärtigen
Augenblick aber durch die vielen interessanten und schlagenden Parallelen, die
es an die Hand gibt, noch weit unmittelbarer wirken dürste: nämlich durch
Mitteilungen über Gobineaus Erlebnisse während des Krieges 1870/71 und
vor allem durch die Analyse seiner bisher völlig unbekannten Schrift über
diesen Krieg.

Ehe ich aber zu diesen Dingen übergehe, liegt es mir ob, den erwähnten
Versuch, der Stellung Gobineaus zu unserem Vaterlande ein von Grund aus



*) Ich verweise hier in erster Linie auf die ganz unserem Thema gewidmete Schrift
„Gobineau und die deutsche Kultur". Leipzig, Fr. Eckardt, 1910. Demnächst auf den ersten
Band der Biographie „Gobineau", Straßburg, Trübner, 1913, nebst dem Beiband „Quellen
und Untersuchungen zum Leben Gobineaus", ebenda 1914. Auch in dem früher erschienenen
„Gobineaus Rassenwerk, Aktenstücke und Betrachtungen", Stuttgart, Frommann, 1910, findet
sich manches Beachtenswerte hierfür.
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[0065] [Abbildung] Gobineau über Deutsche und Franzosen Prof. Dr. Ludwig Schemann von MM> iederholt während des jetzigen Krieges gefragt, wie wohl Gobineau zu diesem und zu uns sich gestellt haben würde, und von be¬ freundeter Seite eindringlich aufgefordert, ihn, wie es mit andern Geistesmächtigen wohl geschehen, als Zeugen für uns heranzu- ^ ziehen, habe ich solchen Anfragen und Aufforderungen gegenüber bisher, wenigstens vor der Öffentlichkeit, Zurückhaltung bewahren zu sollen ge¬ glaubt, hauptsächlich aus dem Grunde, weil ich der Meinung war, Gobineaus Verhältnis zu den Deutschen und zum Deutschtum in einer Reihe früherer, noch dazu in Buchform vorliegender Schriften so gründlich, allseitig und unanfechtbar festgestellt und aus den Quellen belegt zu haben, daß alles weitere über den Gegenstand fortan nur als Wiederholung erscheinen könnte*). Wenn ich dennoch zu diesem hier nochmals das Wort ergreife, so geschieht es, weil gerade neuester- dings von Gobineau allernächst stehender Seite versucht worden ist, die von mir begründete und in Deutschland jetzt allgemein verbreitete Auffassung anzu- fechten, ja in ihrem Kern zu erschüttern. Ich werde unter diesen Umständen nicht umhin können, das Wesentliche meiner früheren Darlegungen nochmals kurz zusammenzufassen, habe mich aber nunmehr, der Zeit Rechnung tragend, entschlossen, jene durch ein bedeutsames Neues zu erweitern, das eigentlich seine Stelle erst im Schlußbande der Biographie hätte finden sollen, im gegenwärtigen Augenblick aber durch die vielen interessanten und schlagenden Parallelen, die es an die Hand gibt, noch weit unmittelbarer wirken dürste: nämlich durch Mitteilungen über Gobineaus Erlebnisse während des Krieges 1870/71 und vor allem durch die Analyse seiner bisher völlig unbekannten Schrift über diesen Krieg. Ehe ich aber zu diesen Dingen übergehe, liegt es mir ob, den erwähnten Versuch, der Stellung Gobineaus zu unserem Vaterlande ein von Grund aus *) Ich verweise hier in erster Linie auf die ganz unserem Thema gewidmete Schrift „Gobineau und die deutsche Kultur". Leipzig, Fr. Eckardt, 1910. Demnächst auf den ersten Band der Biographie „Gobineau", Straßburg, Trübner, 1913, nebst dem Beiband „Quellen und Untersuchungen zum Leben Gobineaus", ebenda 1914. Auch in dem früher erschienenen „Gobineaus Rassenwerk, Aktenstücke und Betrachtungen", Stuttgart, Frommann, 1910, findet sich manches Beachtenswerte hierfür.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323538/65>, abgerufen am 25.04.2024.