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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr.

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War die zweite englische Kriegsanleihe ein Erfolg?

prozentigen. der deutsche auf einer vierprozentigen Basis. Infolge des Krieges
mußte Deutschland zu einem fünfprozentigen Typus übergehen, den es zuerst zu
97^/z emittierte. Bei der zweiten Anleihe war der Kredit Deutschlands bereits
so gehoben, daß die Regierung den Preis auf 98^ erhöhen und damit einen
großen Erfolg erzielen konnte. In derselben Zeit ging England vom zweiein-
halbprozentigen Typ zum dreieinhalbprozentigen und dann zum viereinhalb-
prozentigen über, der zwar offiziell zu pari cuilliere wurde, aber am Tage
des Schlusses der Zeichnungsliste tatsächlich zu 97^ Prozent zu haben war,
und einige Tage später sogar aus 96^ Prozent sank. Also nicht einmal mehr
ein Unterschied von einem halben Prozent in der Rendite zwischen deutschem und
englischem Staatskredit! Wie anders war das Verhältnis in früheren Zeiten!
Zu bemerken ist noch hierbei, daß, wie bereits erwähnt, der englischen Anleihe
das wertvolle Recht innewohnt, in jede spätere Anleihe zu pari konvertiert zu
werden, was bei der deutschen bekanntlich nicht der Fall ist.

Mr. Harold Cox, der als Autorität für finanzielle Fragen bekannt ist,
hatte den Mut, diese Verschiebung im Verhältnis des deutschen und englischen
Staatskredites zu ungunsten des letzteren ganz offen in seiner Rede in der
City am 16, Juli auszusprechen. Er sagte, "als der Krieg anfing, glaubten
wir uns alle in einer stärkeren finanziellen Lage als Deutschland. Ich glaube
nicht, daß wir auch jetzt noch davon so überzeugt sind wie früher" (vergleiche
Times vom 17. Juli). Bezeichnend ist, daß diese Rede vor einem Auditorium von
Bankiers und Cityleuten gehalten wurde.

In Frankreich fiel die dreiprozentige Rente in jenem kritischen Monat
von 72.75 auf 69,--- (14. Juni bis 16. Juli).


Nach Schluß der Zeichnungslisten

Man hatte erwartet, daß nach Schluß der Listen eine Beruhigung des
Anleihemarktes eintreten würde. Aber wie sah man sich getäuscht! Die
Depression wollte nicht aus der City weichen. Aus Furcht, die neue Anleihe
sofort offiziell zu einem Disagio gehandelt zu fehen, mußte man unter einem
billigen Vorwand den Handel darin vorläufig verbieten, wenn man damit auch
nicht verhindern konnte, daß sich das Disagio in dem weiteren Kursrückgang
der alten Anleihe immer mehr ausdrückte. Diese ging am 16. Juli bis auf
92 i/g herunter, was von den meisten Blättern aber vevschwiegen wurde (vergleiche
Economist vom 17. Juli). Es herrschte eine ausgesprochene Panikstimmung. Trotz
des von den Zeitungen ausgegebenen Schlagwortes eines großen Erfolges der
Anleihe sah man auch nach Schluß der Zeichnungen Zeitungen und Staats¬
männer ruhig weiter Reklame für die Anleihe machen, als wenn man erst am
Anfang der Kampagne stände. Wie die Daily Chronicle am 16. Juli mit¬
teilt, wurden sieben verschiedene Reklameschilder (posterg) zur weitgehendsten
Verbreitung in allen englischen Städten von der Regierung hergestellt. Nummer 6
dieser Reklameschilder gefällt der Daily Chronicle so gut, daß sie es zum


War die zweite englische Kriegsanleihe ein Erfolg?

prozentigen. der deutsche auf einer vierprozentigen Basis. Infolge des Krieges
mußte Deutschland zu einem fünfprozentigen Typus übergehen, den es zuerst zu
97^/z emittierte. Bei der zweiten Anleihe war der Kredit Deutschlands bereits
so gehoben, daß die Regierung den Preis auf 98^ erhöhen und damit einen
großen Erfolg erzielen konnte. In derselben Zeit ging England vom zweiein-
halbprozentigen Typ zum dreieinhalbprozentigen und dann zum viereinhalb-
prozentigen über, der zwar offiziell zu pari cuilliere wurde, aber am Tage
des Schlusses der Zeichnungsliste tatsächlich zu 97^ Prozent zu haben war,
und einige Tage später sogar aus 96^ Prozent sank. Also nicht einmal mehr
ein Unterschied von einem halben Prozent in der Rendite zwischen deutschem und
englischem Staatskredit! Wie anders war das Verhältnis in früheren Zeiten!
Zu bemerken ist noch hierbei, daß, wie bereits erwähnt, der englischen Anleihe
das wertvolle Recht innewohnt, in jede spätere Anleihe zu pari konvertiert zu
werden, was bei der deutschen bekanntlich nicht der Fall ist.

Mr. Harold Cox, der als Autorität für finanzielle Fragen bekannt ist,
hatte den Mut, diese Verschiebung im Verhältnis des deutschen und englischen
Staatskredites zu ungunsten des letzteren ganz offen in seiner Rede in der
City am 16, Juli auszusprechen. Er sagte, „als der Krieg anfing, glaubten
wir uns alle in einer stärkeren finanziellen Lage als Deutschland. Ich glaube
nicht, daß wir auch jetzt noch davon so überzeugt sind wie früher" (vergleiche
Times vom 17. Juli). Bezeichnend ist, daß diese Rede vor einem Auditorium von
Bankiers und Cityleuten gehalten wurde.

In Frankreich fiel die dreiprozentige Rente in jenem kritischen Monat
von 72.75 auf 69,—- (14. Juni bis 16. Juli).


Nach Schluß der Zeichnungslisten

Man hatte erwartet, daß nach Schluß der Listen eine Beruhigung des
Anleihemarktes eintreten würde. Aber wie sah man sich getäuscht! Die
Depression wollte nicht aus der City weichen. Aus Furcht, die neue Anleihe
sofort offiziell zu einem Disagio gehandelt zu fehen, mußte man unter einem
billigen Vorwand den Handel darin vorläufig verbieten, wenn man damit auch
nicht verhindern konnte, daß sich das Disagio in dem weiteren Kursrückgang
der alten Anleihe immer mehr ausdrückte. Diese ging am 16. Juli bis auf
92 i/g herunter, was von den meisten Blättern aber vevschwiegen wurde (vergleiche
Economist vom 17. Juli). Es herrschte eine ausgesprochene Panikstimmung. Trotz
des von den Zeitungen ausgegebenen Schlagwortes eines großen Erfolges der
Anleihe sah man auch nach Schluß der Zeichnungen Zeitungen und Staats¬
männer ruhig weiter Reklame für die Anleihe machen, als wenn man erst am
Anfang der Kampagne stände. Wie die Daily Chronicle am 16. Juli mit¬
teilt, wurden sieben verschiedene Reklameschilder (posterg) zur weitgehendsten
Verbreitung in allen englischen Städten von der Regierung hergestellt. Nummer 6
dieser Reklameschilder gefällt der Daily Chronicle so gut, daß sie es zum


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972/183>, abgerufen am 18.05.2024.