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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr.

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Gstpreußenhilfe
von einem N?estpreußen

"le Frage des Wiederaufbaues Ostpreußens und der wirtschaftlichen
Kräftigung unserer östlichsten Provinz hat in diesen Blättern
schon manchen trefflichen Beitrag gezeitigt. Einer der besten,
ist der in Nummer 26 erschienene Aufsatz des Professors
Dr. Max I. Wolff. An einem Fehler aber leiden auch
diese vortrefflichen Ausführungen, auf den ich glaube im Interesse einer
richtigen Beurteilung der ostpreußischen Verhältnisse hier doch einmal hin¬
weisen zu müssen. In allen Erörterungen wird immer von "Ostpreußen"
und den Maßnahmen für "Ostpreußen" gesprochen, als ob Ostpreußen ein
völkisch und wirtschaftlich einheitliches Gebiet wäre. Das ist es aber nicht, es
zerfällt in mehrere ganz verschiedene Teile und auf diese Verschiedenheit muß
man Rücksicht nehmen, wenn man nicht zu irrigen Schlüssen gelangen will.
Ostpreußen zerfällt erstens in die drei völkisch verschiedene Teile, den deutschen
(im wesentlichen der Regierungsbezirk Königsberg), den litauischen (im wesent¬
lichen der Regierungsbezirk Gumbinnen) und den masurischen (im wesentlichen
der Regierungsbezirk Altenstein). Von dem Regierungsbezirk Königsberg
gehört der Kreis Memel noch zu Litauen, außerdem aber tritt noch ein Teil
als etwas Besonderes hervor, nämlich das Ermland (die Kreise Braunsberg
und Heilsberg und die Kreise Altenstein und Rössel von Altenstein). Diese
verschiedenen Teile muß man auseinanderhalten, wenn es sich um die sür
Ostpreußen wesentliche, ja wesentlichste Frage der Verteilung von Groß" und
Kleingrundbesitz und der inneren Kolonisation handelt. In dem deutschen
Teile (Regierungsbezirk Königsberg) überwiegt der Großgrundbesitz, mit Aus¬
nahme des Ermlandes, das fast gar keinen Großgrundbesitz hat. In Litauen
überwiegt der Kleingrundbesitz, in Masuren ist er ebenfalls mehr verbreitet,
außerdem kommt hier ein großer Teil des Landes auf fiskalische Forsien.
Wenn daher Professor Wolff sagt: "Es entspricht nur den natürlichen Be¬
dingungen der Provinz, daß der Kleinbesttz bei der bevorstehenden Neu¬
entwicklung möglichst gestärkt, der Großgrundbesitz dagegen zurückgedrängt wird,
obgleich er in Ostpreußen bei weitem nicht so vorherrscht wie in Pommern,
Mecklenburg oder einzelnen Teilen Schlesiens" -- so muß man dazu die
Anmerkung machen, daß in gewissen Teilen Ostpreußens der Großgrundbesitz
sehr stark vorherrscht, in anderen dagegen nicht nur nicht vorherrscht, sondern
fast gar nicht vorhanden ist. Demgemäß sind dann auch die Verhältnisse der




Gstpreußenhilfe
von einem N?estpreußen

«le Frage des Wiederaufbaues Ostpreußens und der wirtschaftlichen
Kräftigung unserer östlichsten Provinz hat in diesen Blättern
schon manchen trefflichen Beitrag gezeitigt. Einer der besten,
ist der in Nummer 26 erschienene Aufsatz des Professors
Dr. Max I. Wolff. An einem Fehler aber leiden auch
diese vortrefflichen Ausführungen, auf den ich glaube im Interesse einer
richtigen Beurteilung der ostpreußischen Verhältnisse hier doch einmal hin¬
weisen zu müssen. In allen Erörterungen wird immer von „Ostpreußen"
und den Maßnahmen für „Ostpreußen" gesprochen, als ob Ostpreußen ein
völkisch und wirtschaftlich einheitliches Gebiet wäre. Das ist es aber nicht, es
zerfällt in mehrere ganz verschiedene Teile und auf diese Verschiedenheit muß
man Rücksicht nehmen, wenn man nicht zu irrigen Schlüssen gelangen will.
Ostpreußen zerfällt erstens in die drei völkisch verschiedene Teile, den deutschen
(im wesentlichen der Regierungsbezirk Königsberg), den litauischen (im wesent¬
lichen der Regierungsbezirk Gumbinnen) und den masurischen (im wesentlichen
der Regierungsbezirk Altenstein). Von dem Regierungsbezirk Königsberg
gehört der Kreis Memel noch zu Litauen, außerdem aber tritt noch ein Teil
als etwas Besonderes hervor, nämlich das Ermland (die Kreise Braunsberg
und Heilsberg und die Kreise Altenstein und Rössel von Altenstein). Diese
verschiedenen Teile muß man auseinanderhalten, wenn es sich um die sür
Ostpreußen wesentliche, ja wesentlichste Frage der Verteilung von Groß« und
Kleingrundbesitz und der inneren Kolonisation handelt. In dem deutschen
Teile (Regierungsbezirk Königsberg) überwiegt der Großgrundbesitz, mit Aus¬
nahme des Ermlandes, das fast gar keinen Großgrundbesitz hat. In Litauen
überwiegt der Kleingrundbesitz, in Masuren ist er ebenfalls mehr verbreitet,
außerdem kommt hier ein großer Teil des Landes auf fiskalische Forsien.
Wenn daher Professor Wolff sagt: „Es entspricht nur den natürlichen Be¬
dingungen der Provinz, daß der Kleinbesttz bei der bevorstehenden Neu¬
entwicklung möglichst gestärkt, der Großgrundbesitz dagegen zurückgedrängt wird,
obgleich er in Ostpreußen bei weitem nicht so vorherrscht wie in Pommern,
Mecklenburg oder einzelnen Teilen Schlesiens" — so muß man dazu die
Anmerkung machen, daß in gewissen Teilen Ostpreußens der Großgrundbesitz
sehr stark vorherrscht, in anderen dagegen nicht nur nicht vorherrscht, sondern
fast gar nicht vorhanden ist. Demgemäß sind dann auch die Verhältnisse der


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[0192] [Abbildung] Gstpreußenhilfe von einem N?estpreußen «le Frage des Wiederaufbaues Ostpreußens und der wirtschaftlichen Kräftigung unserer östlichsten Provinz hat in diesen Blättern schon manchen trefflichen Beitrag gezeitigt. Einer der besten, ist der in Nummer 26 erschienene Aufsatz des Professors Dr. Max I. Wolff. An einem Fehler aber leiden auch diese vortrefflichen Ausführungen, auf den ich glaube im Interesse einer richtigen Beurteilung der ostpreußischen Verhältnisse hier doch einmal hin¬ weisen zu müssen. In allen Erörterungen wird immer von „Ostpreußen" und den Maßnahmen für „Ostpreußen" gesprochen, als ob Ostpreußen ein völkisch und wirtschaftlich einheitliches Gebiet wäre. Das ist es aber nicht, es zerfällt in mehrere ganz verschiedene Teile und auf diese Verschiedenheit muß man Rücksicht nehmen, wenn man nicht zu irrigen Schlüssen gelangen will. Ostpreußen zerfällt erstens in die drei völkisch verschiedene Teile, den deutschen (im wesentlichen der Regierungsbezirk Königsberg), den litauischen (im wesent¬ lichen der Regierungsbezirk Gumbinnen) und den masurischen (im wesentlichen der Regierungsbezirk Altenstein). Von dem Regierungsbezirk Königsberg gehört der Kreis Memel noch zu Litauen, außerdem aber tritt noch ein Teil als etwas Besonderes hervor, nämlich das Ermland (die Kreise Braunsberg und Heilsberg und die Kreise Altenstein und Rössel von Altenstein). Diese verschiedenen Teile muß man auseinanderhalten, wenn es sich um die sür Ostpreußen wesentliche, ja wesentlichste Frage der Verteilung von Groß« und Kleingrundbesitz und der inneren Kolonisation handelt. In dem deutschen Teile (Regierungsbezirk Königsberg) überwiegt der Großgrundbesitz, mit Aus¬ nahme des Ermlandes, das fast gar keinen Großgrundbesitz hat. In Litauen überwiegt der Kleingrundbesitz, in Masuren ist er ebenfalls mehr verbreitet, außerdem kommt hier ein großer Teil des Landes auf fiskalische Forsien. Wenn daher Professor Wolff sagt: „Es entspricht nur den natürlichen Be¬ dingungen der Provinz, daß der Kleinbesttz bei der bevorstehenden Neu¬ entwicklung möglichst gestärkt, der Großgrundbesitz dagegen zurückgedrängt wird, obgleich er in Ostpreußen bei weitem nicht so vorherrscht wie in Pommern, Mecklenburg oder einzelnen Teilen Schlesiens" — so muß man dazu die Anmerkung machen, daß in gewissen Teilen Ostpreußens der Großgrundbesitz sehr stark vorherrscht, in anderen dagegen nicht nur nicht vorherrscht, sondern fast gar nicht vorhanden ist. Demgemäß sind dann auch die Verhältnisse der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972/192>, abgerufen am 19.05.2024.