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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr.

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Der Stickstoffbedarf der deutschen Landwirtschaft
Professor Dr. Halbfaß von

hosphorsäure, Kali und Stickstoff sind die für das Wachstum der
Kulturpflanzen wichtigsten Stoffe, sie vor allen anderen werden in
größten Mengen von den wachsenden Pflanzen dem Boden entzogen.
Allein an Stickstoff bedarf die Pflanze an 60 bis 200 Kilogramm
pro Hektar, um eine mittlere Ernte zu geben. Das Stickstoff¬
bedürfnis erreicht bei Zuckerrüben und Hülsenfrüchten das Maximum, nämlich
200 Kilogramm. Im Jahre 1909 wurde bei uns der Verbrauch an Stickstoff
auf beinahe 200000 Tonnen veranschlagt und ist seitdem noch erheblich
gestiegen; sein Geldwert beträgt mindestens eine Viertel Milliarde Mark.
Dabei erreicht der heutige Verbrauch noch nicht einmal ein Drittel der durch
den Boden aufnehmbaren Menge. Obwohl die Beschaffung genügender Mengen
von Phosphorsäure und Kali auch ein sehr wichtiges Problem ist, so steht es
doch in seiner Bedeutung hinter dem der Stickstoffbeschaffung weit zurück,
besonders unter den augenblicklich obwaltenden Verhältnissen.

Bisher ist Chile der hauptsächlichste Stickstofflieferant der Welt gewesen.
Der Weltkonsum an Chilisalpeter im Jahre 1913 darf auf etwa 3000000
Tonnen veranschlagt werden, wovon über 2000000 Tonnen auf Europa ent¬
fielen. Hierbei war Deutschland am stärksten beteiligt. Im Jahre 1913 führte
es etwa über drei Viertel Millionen Tonnen im Werte von über 172000000
Mark aus Chile ein. Die Einfuhr aus anderen Ländern kommt dabei nicht
in Betracht. Diese Sachlage hat sich nun seit Beginn des Krieges mehr und
mehr verschoben. Der Blockadekrieg Englands gegen uns bezieht sich ja nicht
nur auf die Verhinderung der Lebensmitteleinfuhr, sondern auch auf alle Dinge,
die zu unserer Existenz nötig sind. Dazu gehört nun auch der unserer Land¬
wirtschaft so nötige Chilisalpeter, dessen Einfuhr jetzt so gut wie gänzlich unter¬
bunden ist.

Glücklicherweise sind wir nun in der Lage, uns nach und nach vom Chili¬
salpeter unabhängig zu machen. Der Konkurrent des Chilisalpeters ist die
atmosphärische Luft über uns, die England uns nicht abschneiden kann, so gern
es wohl möchte. Die bekannte Autorität auf dem Gebiet der Landwirtschaft,
Professor Frank in Charlottenburg, hat berechnet, daß in der Luft über einem


Grenzvoten III 1916 14


Der Stickstoffbedarf der deutschen Landwirtschaft
Professor Dr. Halbfaß von

hosphorsäure, Kali und Stickstoff sind die für das Wachstum der
Kulturpflanzen wichtigsten Stoffe, sie vor allen anderen werden in
größten Mengen von den wachsenden Pflanzen dem Boden entzogen.
Allein an Stickstoff bedarf die Pflanze an 60 bis 200 Kilogramm
pro Hektar, um eine mittlere Ernte zu geben. Das Stickstoff¬
bedürfnis erreicht bei Zuckerrüben und Hülsenfrüchten das Maximum, nämlich
200 Kilogramm. Im Jahre 1909 wurde bei uns der Verbrauch an Stickstoff
auf beinahe 200000 Tonnen veranschlagt und ist seitdem noch erheblich
gestiegen; sein Geldwert beträgt mindestens eine Viertel Milliarde Mark.
Dabei erreicht der heutige Verbrauch noch nicht einmal ein Drittel der durch
den Boden aufnehmbaren Menge. Obwohl die Beschaffung genügender Mengen
von Phosphorsäure und Kali auch ein sehr wichtiges Problem ist, so steht es
doch in seiner Bedeutung hinter dem der Stickstoffbeschaffung weit zurück,
besonders unter den augenblicklich obwaltenden Verhältnissen.

Bisher ist Chile der hauptsächlichste Stickstofflieferant der Welt gewesen.
Der Weltkonsum an Chilisalpeter im Jahre 1913 darf auf etwa 3000000
Tonnen veranschlagt werden, wovon über 2000000 Tonnen auf Europa ent¬
fielen. Hierbei war Deutschland am stärksten beteiligt. Im Jahre 1913 führte
es etwa über drei Viertel Millionen Tonnen im Werte von über 172000000
Mark aus Chile ein. Die Einfuhr aus anderen Ländern kommt dabei nicht
in Betracht. Diese Sachlage hat sich nun seit Beginn des Krieges mehr und
mehr verschoben. Der Blockadekrieg Englands gegen uns bezieht sich ja nicht
nur auf die Verhinderung der Lebensmitteleinfuhr, sondern auch auf alle Dinge,
die zu unserer Existenz nötig sind. Dazu gehört nun auch der unserer Land¬
wirtschaft so nötige Chilisalpeter, dessen Einfuhr jetzt so gut wie gänzlich unter¬
bunden ist.

Glücklicherweise sind wir nun in der Lage, uns nach und nach vom Chili¬
salpeter unabhängig zu machen. Der Konkurrent des Chilisalpeters ist die
atmosphärische Luft über uns, die England uns nicht abschneiden kann, so gern
es wohl möchte. Die bekannte Autorität auf dem Gebiet der Landwirtschaft,
Professor Frank in Charlottenburg, hat berechnet, daß in der Luft über einem


Grenzvoten III 1916 14
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[0221] [Abbildung] Der Stickstoffbedarf der deutschen Landwirtschaft Professor Dr. Halbfaß von hosphorsäure, Kali und Stickstoff sind die für das Wachstum der Kulturpflanzen wichtigsten Stoffe, sie vor allen anderen werden in größten Mengen von den wachsenden Pflanzen dem Boden entzogen. Allein an Stickstoff bedarf die Pflanze an 60 bis 200 Kilogramm pro Hektar, um eine mittlere Ernte zu geben. Das Stickstoff¬ bedürfnis erreicht bei Zuckerrüben und Hülsenfrüchten das Maximum, nämlich 200 Kilogramm. Im Jahre 1909 wurde bei uns der Verbrauch an Stickstoff auf beinahe 200000 Tonnen veranschlagt und ist seitdem noch erheblich gestiegen; sein Geldwert beträgt mindestens eine Viertel Milliarde Mark. Dabei erreicht der heutige Verbrauch noch nicht einmal ein Drittel der durch den Boden aufnehmbaren Menge. Obwohl die Beschaffung genügender Mengen von Phosphorsäure und Kali auch ein sehr wichtiges Problem ist, so steht es doch in seiner Bedeutung hinter dem der Stickstoffbeschaffung weit zurück, besonders unter den augenblicklich obwaltenden Verhältnissen. Bisher ist Chile der hauptsächlichste Stickstofflieferant der Welt gewesen. Der Weltkonsum an Chilisalpeter im Jahre 1913 darf auf etwa 3000000 Tonnen veranschlagt werden, wovon über 2000000 Tonnen auf Europa ent¬ fielen. Hierbei war Deutschland am stärksten beteiligt. Im Jahre 1913 führte es etwa über drei Viertel Millionen Tonnen im Werte von über 172000000 Mark aus Chile ein. Die Einfuhr aus anderen Ländern kommt dabei nicht in Betracht. Diese Sachlage hat sich nun seit Beginn des Krieges mehr und mehr verschoben. Der Blockadekrieg Englands gegen uns bezieht sich ja nicht nur auf die Verhinderung der Lebensmitteleinfuhr, sondern auch auf alle Dinge, die zu unserer Existenz nötig sind. Dazu gehört nun auch der unserer Land¬ wirtschaft so nötige Chilisalpeter, dessen Einfuhr jetzt so gut wie gänzlich unter¬ bunden ist. Glücklicherweise sind wir nun in der Lage, uns nach und nach vom Chili¬ salpeter unabhängig zu machen. Der Konkurrent des Chilisalpeters ist die atmosphärische Luft über uns, die England uns nicht abschneiden kann, so gern es wohl möchte. Die bekannte Autorität auf dem Gebiet der Landwirtschaft, Professor Frank in Charlottenburg, hat berechnet, daß in der Luft über einem Grenzvoten III 1916 14

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972/221>, abgerufen am 19.05.2024.