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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr.

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Ariegsliteratur
Dr. zur. Kurt Ed. Zmberg von
III. Indien und Ägypten,

is England uns im August des vergangenen Jahres den Krieg
erklärte, da richteten sich vieler Augen nach dem Orient, nach
den großen britischen Besitzungen in Afrika und Asien. In Ägypten
und Indien, glaubte man, werde die Flamme des Aufruhrs
gegen die "verhaßte" Britenherrschaft auflodern, Mohammedaner
und Hindus würden die günstige Gelegenheit benutzen, das schwere Joch der
englischen Herrschaft abzuschütteln. So manchen wird es tief enttäuscht haben,
-- als abgesehen von einigen mehr oder weniger ernsten örtlichen Unruhen, die
in diesen Ländern stets an der Tagesordnung sind -- weder Ägypten noch
Indien Anstalten trafen, die auf sie gesetzten Hoffnungen zu verwirklichen.

Diesem Glauben, als stehe die englische Herrschaft in Indien auf schwachen
Füßen, tritt Professor Seen Konow in seiner ausgezeichneten Studie: "Indien
unter der englischen Herrschaft" (Verlag von I. C. B. Mohr, Tübingen)
entgegen. Nach einem kurzen Überblick über Land und Leute gibt der Verfasser
einen klaren, höchst interessanten Abriß von der Geschichte der Eroberung
Indiens durch die Engländer. Alsdann geht Konow dazu über, die heutigen
Verhältnisse in Indien zu schildern, die Verwaltung, das Finanz- und Verkehrs¬
wesen des Landes, Landwirtschaft, Handel und Industrie dieses überaus
fruchtbaren und reichen Gebiets. Unleugbar haben die Engländer, wie der
Verfasser unumwunden zugibt, in Indien außerordentlich viel geleistet. "Die
Verwaltung des Landes ist ausgezeichnet, und das ökonomische Leben hat so
gewaltige Fortschritte gemacht, daß Indien jetzt im Weltverkehr eine überaus
wichtige Rolle spielt." Alles dies hat England getan, nicht etwa weil es den
Indern Kultur und Wohlstand bringen wollte, sondern weil man einsah, daß
gute Verwaltung und planmäßige Arbeit, die auf das Emporkommen Indiens
abzielt, auch vom englischen Standpunkte aus die einzige verständige Politik
ist, und daß es "einfach selbstmörderisch" wäre, wenn die Engländer in Indien
eine Mißwirtschaft zulassen würden.

Daß für eine allgemeine Volkserhebung in Indien kein Boden vorhanden
ist, weist Konow in einem am 13. November 1914 in Hamburg gehaltenen
Vortrage: "Die indische Frage" nach, der bei L. Frtederichsen u. Co. in




Ariegsliteratur
Dr. zur. Kurt Ed. Zmberg von
III. Indien und Ägypten,

is England uns im August des vergangenen Jahres den Krieg
erklärte, da richteten sich vieler Augen nach dem Orient, nach
den großen britischen Besitzungen in Afrika und Asien. In Ägypten
und Indien, glaubte man, werde die Flamme des Aufruhrs
gegen die „verhaßte" Britenherrschaft auflodern, Mohammedaner
und Hindus würden die günstige Gelegenheit benutzen, das schwere Joch der
englischen Herrschaft abzuschütteln. So manchen wird es tief enttäuscht haben,
— als abgesehen von einigen mehr oder weniger ernsten örtlichen Unruhen, die
in diesen Ländern stets an der Tagesordnung sind — weder Ägypten noch
Indien Anstalten trafen, die auf sie gesetzten Hoffnungen zu verwirklichen.

Diesem Glauben, als stehe die englische Herrschaft in Indien auf schwachen
Füßen, tritt Professor Seen Konow in seiner ausgezeichneten Studie: „Indien
unter der englischen Herrschaft" (Verlag von I. C. B. Mohr, Tübingen)
entgegen. Nach einem kurzen Überblick über Land und Leute gibt der Verfasser
einen klaren, höchst interessanten Abriß von der Geschichte der Eroberung
Indiens durch die Engländer. Alsdann geht Konow dazu über, die heutigen
Verhältnisse in Indien zu schildern, die Verwaltung, das Finanz- und Verkehrs¬
wesen des Landes, Landwirtschaft, Handel und Industrie dieses überaus
fruchtbaren und reichen Gebiets. Unleugbar haben die Engländer, wie der
Verfasser unumwunden zugibt, in Indien außerordentlich viel geleistet. „Die
Verwaltung des Landes ist ausgezeichnet, und das ökonomische Leben hat so
gewaltige Fortschritte gemacht, daß Indien jetzt im Weltverkehr eine überaus
wichtige Rolle spielt." Alles dies hat England getan, nicht etwa weil es den
Indern Kultur und Wohlstand bringen wollte, sondern weil man einsah, daß
gute Verwaltung und planmäßige Arbeit, die auf das Emporkommen Indiens
abzielt, auch vom englischen Standpunkte aus die einzige verständige Politik
ist, und daß es „einfach selbstmörderisch" wäre, wenn die Engländer in Indien
eine Mißwirtschaft zulassen würden.

Daß für eine allgemeine Volkserhebung in Indien kein Boden vorhanden
ist, weist Konow in einem am 13. November 1914 in Hamburg gehaltenen
Vortrage: „Die indische Frage" nach, der bei L. Frtederichsen u. Co. in


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[0264] [Abbildung] Ariegsliteratur Dr. zur. Kurt Ed. Zmberg von III. Indien und Ägypten, is England uns im August des vergangenen Jahres den Krieg erklärte, da richteten sich vieler Augen nach dem Orient, nach den großen britischen Besitzungen in Afrika und Asien. In Ägypten und Indien, glaubte man, werde die Flamme des Aufruhrs gegen die „verhaßte" Britenherrschaft auflodern, Mohammedaner und Hindus würden die günstige Gelegenheit benutzen, das schwere Joch der englischen Herrschaft abzuschütteln. So manchen wird es tief enttäuscht haben, — als abgesehen von einigen mehr oder weniger ernsten örtlichen Unruhen, die in diesen Ländern stets an der Tagesordnung sind — weder Ägypten noch Indien Anstalten trafen, die auf sie gesetzten Hoffnungen zu verwirklichen. Diesem Glauben, als stehe die englische Herrschaft in Indien auf schwachen Füßen, tritt Professor Seen Konow in seiner ausgezeichneten Studie: „Indien unter der englischen Herrschaft" (Verlag von I. C. B. Mohr, Tübingen) entgegen. Nach einem kurzen Überblick über Land und Leute gibt der Verfasser einen klaren, höchst interessanten Abriß von der Geschichte der Eroberung Indiens durch die Engländer. Alsdann geht Konow dazu über, die heutigen Verhältnisse in Indien zu schildern, die Verwaltung, das Finanz- und Verkehrs¬ wesen des Landes, Landwirtschaft, Handel und Industrie dieses überaus fruchtbaren und reichen Gebiets. Unleugbar haben die Engländer, wie der Verfasser unumwunden zugibt, in Indien außerordentlich viel geleistet. „Die Verwaltung des Landes ist ausgezeichnet, und das ökonomische Leben hat so gewaltige Fortschritte gemacht, daß Indien jetzt im Weltverkehr eine überaus wichtige Rolle spielt." Alles dies hat England getan, nicht etwa weil es den Indern Kultur und Wohlstand bringen wollte, sondern weil man einsah, daß gute Verwaltung und planmäßige Arbeit, die auf das Emporkommen Indiens abzielt, auch vom englischen Standpunkte aus die einzige verständige Politik ist, und daß es „einfach selbstmörderisch" wäre, wenn die Engländer in Indien eine Mißwirtschaft zulassen würden. Daß für eine allgemeine Volkserhebung in Indien kein Boden vorhanden ist, weist Konow in einem am 13. November 1914 in Hamburg gehaltenen Vortrage: „Die indische Frage" nach, der bei L. Frtederichsen u. Co. in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972/264>, abgerufen am 26.05.2024.