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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr.

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Pflichtjugendwehr oder wehrhafte Erziehung?
"Line Erwiderung und eine Begründung
Oberlehrer Dr. N). Warstat von

n seinem Aufsatz "Die Notwendigkeit einer deutschen Pflicht¬
jugendwehr" (Heft 34 der "Grenzboten") erklärt Amtsrichter
Dr. Philipp meinen Vorschlag, die Schulen (Volks-, Fortbildungs-,
Mittel- und höheren Schulen) zu Trägern der Jugendwehrorgani¬
sation oder vielmehr zu Organen der Erziehung zur Wehrhaftigkeit
zu machen*), für bedenklich, obgleich er selbst kurz vorher darauf hingewiesen hat,
daß schon die großen Führer der Befreiungskriege Scharnhorst, Gneisenau, Stein,
"die Aufnahme einer soldatischen Erziehung in das deutsche Schulwesen gefordert"
hätten, und obgleich er selbst sich darüber beklagt hat, daß die Mahnungen dieser
Männer ungehört verhallt seien.

Philipp erklärt jenen Vorschlag trotzdem für bedenklich, weil er fürchtet,
daß durch die Einbeziehung der militärischen Jugenderziehung in das Gebiet
der Schulerziehung gleichzeitig ihr rein militärischer Charakter gefährdet werde.
Und diese Befürchtung ist wohl begründet. Auf eine derartige Beeinträchtigung
des rein Militärischen zugunsten des Allgemeinerzieherischen, oder besser gesagt:
auf die Unterordnung und Einordnung der militärischen Jugenderziehung in
eine allgemeine Erziehungsreform zielte mein Vorschlag tatsächlich hin. Es ist
ja nun sehr verständlich, daß ein begeisterter Vertreter des Jugendwehrgedankens
energisch für die Wahrung des rein militärischen Charakters der Jugendwehr
eintritt, ja diesen rein militärischen Charakter noch weiter zu verstärken sucht.
Philipp verlangt, daß die Jugendwehren eine Einrichtung des Heeres, ein rein
militärisches Organ bleiben, den militärischen Kommandostellen unterstellt und
militärischer Führung und Aufsicht unterworfen sein sollen. "Führer müssen im
wesentlichen nur tatkräftige, junge Offiziere und Unteroffiziere sein. Denn es
kommt vor allem auf das rein militärische Können an."

Den Beweis für die Notwendigkeit dieser Forderung bleibt Philipp aller¬
dings schuldig; denn die Tatsache, daß im feindlichen und neutralen Auslande
eine derartige rein militärische Jugendvorbildung eingeführt ist, braucht doch
nicht unbedingt auch für unsere deutschen Verhältnisse als maßgebend und
beweisend angesehen zu werden. Wir müssen daher, bevor wir zu dem Vor-



*) Vgl. meinen Aufsatz "Die Zukunft der Jugendpflege" in Heft 23 der "Grenzvoten".


Pflichtjugendwehr oder wehrhafte Erziehung?
«Line Erwiderung und eine Begründung
Oberlehrer Dr. N). Warstat von

n seinem Aufsatz „Die Notwendigkeit einer deutschen Pflicht¬
jugendwehr" (Heft 34 der „Grenzboten") erklärt Amtsrichter
Dr. Philipp meinen Vorschlag, die Schulen (Volks-, Fortbildungs-,
Mittel- und höheren Schulen) zu Trägern der Jugendwehrorgani¬
sation oder vielmehr zu Organen der Erziehung zur Wehrhaftigkeit
zu machen*), für bedenklich, obgleich er selbst kurz vorher darauf hingewiesen hat,
daß schon die großen Führer der Befreiungskriege Scharnhorst, Gneisenau, Stein,
„die Aufnahme einer soldatischen Erziehung in das deutsche Schulwesen gefordert"
hätten, und obgleich er selbst sich darüber beklagt hat, daß die Mahnungen dieser
Männer ungehört verhallt seien.

Philipp erklärt jenen Vorschlag trotzdem für bedenklich, weil er fürchtet,
daß durch die Einbeziehung der militärischen Jugenderziehung in das Gebiet
der Schulerziehung gleichzeitig ihr rein militärischer Charakter gefährdet werde.
Und diese Befürchtung ist wohl begründet. Auf eine derartige Beeinträchtigung
des rein Militärischen zugunsten des Allgemeinerzieherischen, oder besser gesagt:
auf die Unterordnung und Einordnung der militärischen Jugenderziehung in
eine allgemeine Erziehungsreform zielte mein Vorschlag tatsächlich hin. Es ist
ja nun sehr verständlich, daß ein begeisterter Vertreter des Jugendwehrgedankens
energisch für die Wahrung des rein militärischen Charakters der Jugendwehr
eintritt, ja diesen rein militärischen Charakter noch weiter zu verstärken sucht.
Philipp verlangt, daß die Jugendwehren eine Einrichtung des Heeres, ein rein
militärisches Organ bleiben, den militärischen Kommandostellen unterstellt und
militärischer Führung und Aufsicht unterworfen sein sollen. „Führer müssen im
wesentlichen nur tatkräftige, junge Offiziere und Unteroffiziere sein. Denn es
kommt vor allem auf das rein militärische Können an."

Den Beweis für die Notwendigkeit dieser Forderung bleibt Philipp aller¬
dings schuldig; denn die Tatsache, daß im feindlichen und neutralen Auslande
eine derartige rein militärische Jugendvorbildung eingeführt ist, braucht doch
nicht unbedingt auch für unsere deutschen Verhältnisse als maßgebend und
beweisend angesehen zu werden. Wir müssen daher, bevor wir zu dem Vor-



*) Vgl. meinen Aufsatz „Die Zukunft der Jugendpflege" in Heft 23 der „Grenzvoten".
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[0354] [Abbildung] Pflichtjugendwehr oder wehrhafte Erziehung? «Line Erwiderung und eine Begründung Oberlehrer Dr. N). Warstat von n seinem Aufsatz „Die Notwendigkeit einer deutschen Pflicht¬ jugendwehr" (Heft 34 der „Grenzboten") erklärt Amtsrichter Dr. Philipp meinen Vorschlag, die Schulen (Volks-, Fortbildungs-, Mittel- und höheren Schulen) zu Trägern der Jugendwehrorgani¬ sation oder vielmehr zu Organen der Erziehung zur Wehrhaftigkeit zu machen*), für bedenklich, obgleich er selbst kurz vorher darauf hingewiesen hat, daß schon die großen Führer der Befreiungskriege Scharnhorst, Gneisenau, Stein, „die Aufnahme einer soldatischen Erziehung in das deutsche Schulwesen gefordert" hätten, und obgleich er selbst sich darüber beklagt hat, daß die Mahnungen dieser Männer ungehört verhallt seien. Philipp erklärt jenen Vorschlag trotzdem für bedenklich, weil er fürchtet, daß durch die Einbeziehung der militärischen Jugenderziehung in das Gebiet der Schulerziehung gleichzeitig ihr rein militärischer Charakter gefährdet werde. Und diese Befürchtung ist wohl begründet. Auf eine derartige Beeinträchtigung des rein Militärischen zugunsten des Allgemeinerzieherischen, oder besser gesagt: auf die Unterordnung und Einordnung der militärischen Jugenderziehung in eine allgemeine Erziehungsreform zielte mein Vorschlag tatsächlich hin. Es ist ja nun sehr verständlich, daß ein begeisterter Vertreter des Jugendwehrgedankens energisch für die Wahrung des rein militärischen Charakters der Jugendwehr eintritt, ja diesen rein militärischen Charakter noch weiter zu verstärken sucht. Philipp verlangt, daß die Jugendwehren eine Einrichtung des Heeres, ein rein militärisches Organ bleiben, den militärischen Kommandostellen unterstellt und militärischer Führung und Aufsicht unterworfen sein sollen. „Führer müssen im wesentlichen nur tatkräftige, junge Offiziere und Unteroffiziere sein. Denn es kommt vor allem auf das rein militärische Können an." Den Beweis für die Notwendigkeit dieser Forderung bleibt Philipp aller¬ dings schuldig; denn die Tatsache, daß im feindlichen und neutralen Auslande eine derartige rein militärische Jugendvorbildung eingeführt ist, braucht doch nicht unbedingt auch für unsere deutschen Verhältnisse als maßgebend und beweisend angesehen zu werden. Wir müssen daher, bevor wir zu dem Vor- *) Vgl. meinen Aufsatz „Die Zukunft der Jugendpflege" in Heft 23 der „Grenzvoten".

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972/354>, abgerufen am 18.05.2024.