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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr.

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5taatsangehörigkeitsveränderungen in Ariegszeiten
Dr. iur. Aurt Oerels, Professor des Öffentlichen Rechts von

s ist eine bekannte, neuerdings durch den Dacia-Fall veranschaulichte
Tatsache, daß der in Kriegszeiten vollzogene Übergang eines Handels¬
schiffs von einer feindlichen zu einer neutralen Flagge von der
gegnerischen Kriegspartei in der Regel nicht als ihr gegenüber
wirksam betrachtet zu werden braucht, Sie behält vielmehr das
Recht, das fragliche Schiff, ungeachtet seines Flaggenwechsels, so zu behandeln,
als ob es noch seine alte, das heißt die feindliche Nationalität besäße. Es
bleibt also insbesondere nach wie vor dem Seebeuterecht unterworfen. Diese
Seekriegsrechtsregel beruht auf der Erwägung, daß der Zwang zur Anerkennung
des Flaggenwechsels für den gegnerischen Staat eine unbillige Beschränkung der
Möglichkeiten bedeuten würde, die sich seiner militärisch-politischen Betätigung im
Kriege darbieten.

In viel höherem Maße müßte dieser Gesichtspunkt Platz greifen, wenn Per¬
sonen in Kriegszeiten einen Staatsangehörigkeitswechsel vollziehen -- schon
deshalb, weil Personen die wichtigsten Träger des Nachrichtenverkehrs sind.
Mit der Frage, ob und welche Nechtswirkung solcher Nationalitätsveränderung
im Verhältnis zu den Kriegführenden zukommt, hat das Völkerrecht sich nicht
befaßt. So bleibt jedem Staat das Recht und die Pflicht, zu Staatsangehörig¬
keitsänderungen von Personen in Kriegszeiten nach eigenem Ermessen und nach
eigenem Interesse Stellung zu nehmen.

Am einfachsten geartet ist der Fall, daß der Angehörige eines fremden
Staates in den eigenen Staat eingebürgert zu werden wünscht. Denn die Ver¬
leihung der erbetenen Staatsangehörigkeit ist reine Ermessenssache, und sie wird


Grenzboten III 191S 23


5taatsangehörigkeitsveränderungen in Ariegszeiten
Dr. iur. Aurt Oerels, Professor des Öffentlichen Rechts von

s ist eine bekannte, neuerdings durch den Dacia-Fall veranschaulichte
Tatsache, daß der in Kriegszeiten vollzogene Übergang eines Handels¬
schiffs von einer feindlichen zu einer neutralen Flagge von der
gegnerischen Kriegspartei in der Regel nicht als ihr gegenüber
wirksam betrachtet zu werden braucht, Sie behält vielmehr das
Recht, das fragliche Schiff, ungeachtet seines Flaggenwechsels, so zu behandeln,
als ob es noch seine alte, das heißt die feindliche Nationalität besäße. Es
bleibt also insbesondere nach wie vor dem Seebeuterecht unterworfen. Diese
Seekriegsrechtsregel beruht auf der Erwägung, daß der Zwang zur Anerkennung
des Flaggenwechsels für den gegnerischen Staat eine unbillige Beschränkung der
Möglichkeiten bedeuten würde, die sich seiner militärisch-politischen Betätigung im
Kriege darbieten.

In viel höherem Maße müßte dieser Gesichtspunkt Platz greifen, wenn Per¬
sonen in Kriegszeiten einen Staatsangehörigkeitswechsel vollziehen — schon
deshalb, weil Personen die wichtigsten Träger des Nachrichtenverkehrs sind.
Mit der Frage, ob und welche Nechtswirkung solcher Nationalitätsveränderung
im Verhältnis zu den Kriegführenden zukommt, hat das Völkerrecht sich nicht
befaßt. So bleibt jedem Staat das Recht und die Pflicht, zu Staatsangehörig¬
keitsänderungen von Personen in Kriegszeiten nach eigenem Ermessen und nach
eigenem Interesse Stellung zu nehmen.

Am einfachsten geartet ist der Fall, daß der Angehörige eines fremden
Staates in den eigenen Staat eingebürgert zu werden wünscht. Denn die Ver¬
leihung der erbetenen Staatsangehörigkeit ist reine Ermessenssache, und sie wird


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[0367] [Abbildung] 5taatsangehörigkeitsveränderungen in Ariegszeiten Dr. iur. Aurt Oerels, Professor des Öffentlichen Rechts von s ist eine bekannte, neuerdings durch den Dacia-Fall veranschaulichte Tatsache, daß der in Kriegszeiten vollzogene Übergang eines Handels¬ schiffs von einer feindlichen zu einer neutralen Flagge von der gegnerischen Kriegspartei in der Regel nicht als ihr gegenüber wirksam betrachtet zu werden braucht, Sie behält vielmehr das Recht, das fragliche Schiff, ungeachtet seines Flaggenwechsels, so zu behandeln, als ob es noch seine alte, das heißt die feindliche Nationalität besäße. Es bleibt also insbesondere nach wie vor dem Seebeuterecht unterworfen. Diese Seekriegsrechtsregel beruht auf der Erwägung, daß der Zwang zur Anerkennung des Flaggenwechsels für den gegnerischen Staat eine unbillige Beschränkung der Möglichkeiten bedeuten würde, die sich seiner militärisch-politischen Betätigung im Kriege darbieten. In viel höherem Maße müßte dieser Gesichtspunkt Platz greifen, wenn Per¬ sonen in Kriegszeiten einen Staatsangehörigkeitswechsel vollziehen — schon deshalb, weil Personen die wichtigsten Träger des Nachrichtenverkehrs sind. Mit der Frage, ob und welche Nechtswirkung solcher Nationalitätsveränderung im Verhältnis zu den Kriegführenden zukommt, hat das Völkerrecht sich nicht befaßt. So bleibt jedem Staat das Recht und die Pflicht, zu Staatsangehörig¬ keitsänderungen von Personen in Kriegszeiten nach eigenem Ermessen und nach eigenem Interesse Stellung zu nehmen. Am einfachsten geartet ist der Fall, daß der Angehörige eines fremden Staates in den eigenen Staat eingebürgert zu werden wünscht. Denn die Ver¬ leihung der erbetenen Staatsangehörigkeit ist reine Ermessenssache, und sie wird Grenzboten III 191S 23

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972/367>, abgerufen am 19.05.2024.