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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr.

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schwedische Gedanken über den Arieg
Lrnst Liljedahl, l^auptniann und Mitglied des schwedischen Reichstags von

chwedens auslandspolitische Lage läßt sich am besten dadurch an¬
geben, daß man an die männlichen, beredten Worte erinnert, die
der Wortführende der ersten Kammer bei der Eröffnung des Reichs¬
tages des Jahres 1915 an König Gustav richtete: "Schwedens
Volk weiß, daß die Gedanken des Königs und seine eigenen sich
über den Weg, den wir in dieser schwierigen Zeit zu gehen haben, einig sind.
Dieser Weg ist nicht der Weg der Sorglosigkeit, des Bangens oder der Wankel-
mütigkeit, sondern der Weg der entschlossenen Rechtschaffenheit: keines anderen
Recht zu verletzen, aber zum Schutze seines eigenen bereit zu sein. Der Weg
ist nicht ohne Gefahr und Opfer, und kleinliche Klugheit wird vielleicht meinen,
daß er auch zu keinem Vorteile führe. Aber für ein Volk, das seine Ehre hoch
hält, ist die Befriedigung der Selbstachtung Gewinn genug; und vielleicht ist
es nicht vermessen zu glauben, daß, wenn dereinst das Kampfgetöse verstummt
ist und das Recht wieder seinen Ehrenplatz in der Welt einnimmt, dem Volke,
das so gehandelt hat, auch von anderen Völkern Anerkennung und Achtung
zuteil werde."

Schwedens streng beobachtete Neutralität ist ein Ausdruck seiner friedlichen
auswärtigen Politik, hinter welcher ein starkes, einiges Kulturvolk steht. Einzelne
Stimmen in der schwedischen Presse und Zeitschriftliteratur, wie in einigen,
gewöhnlich von Ausländern geschriebenen und in das Schwedische übersetzten
Broschüren, haben freilich unsere Neutralitätspolitik getadelt, aber sobald die
Volksmeinung im Lande von jenen demonstrierenden Stimmen eine nähere
Erklärung gefordert hat, hat sich eine solche gewöhnlich in einen geheimnis-
vollen Wortnebel gehüllt. Man hat sich höchstens damit begnügt, eine "aktive
auswärtige Politik" und "eine starke Neutralität" im Gegensatze zu "einer
schwachen" herbeizuwünschen, aber weislich unterlassen, die Bedeutung einer


Grenzboten III 1916 26


schwedische Gedanken über den Arieg
Lrnst Liljedahl, l^auptniann und Mitglied des schwedischen Reichstags von

chwedens auslandspolitische Lage läßt sich am besten dadurch an¬
geben, daß man an die männlichen, beredten Worte erinnert, die
der Wortführende der ersten Kammer bei der Eröffnung des Reichs¬
tages des Jahres 1915 an König Gustav richtete: „Schwedens
Volk weiß, daß die Gedanken des Königs und seine eigenen sich
über den Weg, den wir in dieser schwierigen Zeit zu gehen haben, einig sind.
Dieser Weg ist nicht der Weg der Sorglosigkeit, des Bangens oder der Wankel-
mütigkeit, sondern der Weg der entschlossenen Rechtschaffenheit: keines anderen
Recht zu verletzen, aber zum Schutze seines eigenen bereit zu sein. Der Weg
ist nicht ohne Gefahr und Opfer, und kleinliche Klugheit wird vielleicht meinen,
daß er auch zu keinem Vorteile führe. Aber für ein Volk, das seine Ehre hoch
hält, ist die Befriedigung der Selbstachtung Gewinn genug; und vielleicht ist
es nicht vermessen zu glauben, daß, wenn dereinst das Kampfgetöse verstummt
ist und das Recht wieder seinen Ehrenplatz in der Welt einnimmt, dem Volke,
das so gehandelt hat, auch von anderen Völkern Anerkennung und Achtung
zuteil werde."

Schwedens streng beobachtete Neutralität ist ein Ausdruck seiner friedlichen
auswärtigen Politik, hinter welcher ein starkes, einiges Kulturvolk steht. Einzelne
Stimmen in der schwedischen Presse und Zeitschriftliteratur, wie in einigen,
gewöhnlich von Ausländern geschriebenen und in das Schwedische übersetzten
Broschüren, haben freilich unsere Neutralitätspolitik getadelt, aber sobald die
Volksmeinung im Lande von jenen demonstrierenden Stimmen eine nähere
Erklärung gefordert hat, hat sich eine solche gewöhnlich in einen geheimnis-
vollen Wortnebel gehüllt. Man hat sich höchstens damit begnügt, eine „aktive
auswärtige Politik" und „eine starke Neutralität" im Gegensatze zu „einer
schwachen" herbeizuwünschen, aber weislich unterlassen, die Bedeutung einer


Grenzboten III 1916 26
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[0399] [Abbildung] schwedische Gedanken über den Arieg Lrnst Liljedahl, l^auptniann und Mitglied des schwedischen Reichstags von chwedens auslandspolitische Lage läßt sich am besten dadurch an¬ geben, daß man an die männlichen, beredten Worte erinnert, die der Wortführende der ersten Kammer bei der Eröffnung des Reichs¬ tages des Jahres 1915 an König Gustav richtete: „Schwedens Volk weiß, daß die Gedanken des Königs und seine eigenen sich über den Weg, den wir in dieser schwierigen Zeit zu gehen haben, einig sind. Dieser Weg ist nicht der Weg der Sorglosigkeit, des Bangens oder der Wankel- mütigkeit, sondern der Weg der entschlossenen Rechtschaffenheit: keines anderen Recht zu verletzen, aber zum Schutze seines eigenen bereit zu sein. Der Weg ist nicht ohne Gefahr und Opfer, und kleinliche Klugheit wird vielleicht meinen, daß er auch zu keinem Vorteile führe. Aber für ein Volk, das seine Ehre hoch hält, ist die Befriedigung der Selbstachtung Gewinn genug; und vielleicht ist es nicht vermessen zu glauben, daß, wenn dereinst das Kampfgetöse verstummt ist und das Recht wieder seinen Ehrenplatz in der Welt einnimmt, dem Volke, das so gehandelt hat, auch von anderen Völkern Anerkennung und Achtung zuteil werde." Schwedens streng beobachtete Neutralität ist ein Ausdruck seiner friedlichen auswärtigen Politik, hinter welcher ein starkes, einiges Kulturvolk steht. Einzelne Stimmen in der schwedischen Presse und Zeitschriftliteratur, wie in einigen, gewöhnlich von Ausländern geschriebenen und in das Schwedische übersetzten Broschüren, haben freilich unsere Neutralitätspolitik getadelt, aber sobald die Volksmeinung im Lande von jenen demonstrierenden Stimmen eine nähere Erklärung gefordert hat, hat sich eine solche gewöhnlich in einen geheimnis- vollen Wortnebel gehüllt. Man hat sich höchstens damit begnügt, eine „aktive auswärtige Politik" und „eine starke Neutralität" im Gegensatze zu „einer schwachen" herbeizuwünschen, aber weislich unterlassen, die Bedeutung einer Grenzboten III 1916 26

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972/399>, abgerufen am 19.05.2024.