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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr.

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Die Hochebene von Lafraun--Vielgereut
Land und Leute
Professor Dr. Reisten von

rüber nur in den Kreisen der völkischen Schutzvereine genannt,
ist die Hochebene von Lafraun--Vielgereut seit dem Krieg zwischen
Italien und Österreich in aller Munde. Die in den österreichischen
Generalstabskarten und -berichten als das "Plateau von Lavarone--
Folgaria" bezeichnete Hochebene ist ein Teil des Berglandes
zwischen der Etsch und der das Suganertal durchströmendem Brenta. Tausende
von Venedigreisenden sind zwischen Trient und Roveredo an dem Abfall diese"
Berglands gegen die Etsch vorbeigefahren, ohne dem zerklüfteten Bergwall
besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Benutze man aber von Trient ans die
andere Linie nach Venedig, die neue Smzcmerwlbahn, über Perser (Pergine),
Lein'co und Bassano, so wird auch das abgestumpfte und ermüdete Auge auf
der Höhe des Sees von Caldonazzo gefesselt durch den schönbewaldeten Steil-
iibsturz einer hohen Gebirgswand. Dieser Steilabsturz ist ein Teil der Hoch¬
ebene von Lafraun--Vielgereut und wird auf der österreichischen Generalstabs¬
karte als "Hochleiten"*) bezeichnet. Von den Einheimischen wird der Name
"Hochteile" der ganzen Hochfläche gegeben, auf der die beiden Großgemeinden
Lafraun und Vielgereut mit ihren vielen Teilgemeinden liegen.

Der Gebirgsstock, zu dem die "Hochteile" gehört, hat keinen einheitlichen
Namen; er hängt im Süden und Osten, jenseits der sehr nahen italienischen
Grenze mit den Lessmischen Alpen zusammen, die gegen die Poebene allmählich
abfallen und auf ihren Abdachungen die "sieben und die dreizehn zimbrischen
Gemeinden" tragen.

Der ganze westliche Teil dieses Gebirges besteht aus Kalk- und Kretde-
schichten, welche die Eigenart und die hohe Schönheit der Landschaft begründen.



*) "Hochteile" ist ein altertümlicher tiroler Ausdruck für Hochfläche. Die anscheinende
Mehrzahlform "Hochleiten" ist wahrscheinlich ein Mißverständnis des Offiziers, der die Karte
aufnahm, indem dieser die mundartliche Aussprache "d'Hochleit'n" für den Nominativ Pluralis
statt für den Nominativ Singuralis gehalten haben wird. Auf den französischen General¬
stabskarten des Elsaß kommen ähnliche Mißverständnisse nicht selten vor.


Die Hochebene von Lafraun—Vielgereut
Land und Leute
Professor Dr. Reisten von

rüber nur in den Kreisen der völkischen Schutzvereine genannt,
ist die Hochebene von Lafraun—Vielgereut seit dem Krieg zwischen
Italien und Österreich in aller Munde. Die in den österreichischen
Generalstabskarten und -berichten als das „Plateau von Lavarone—
Folgaria" bezeichnete Hochebene ist ein Teil des Berglandes
zwischen der Etsch und der das Suganertal durchströmendem Brenta. Tausende
von Venedigreisenden sind zwischen Trient und Roveredo an dem Abfall diese«
Berglands gegen die Etsch vorbeigefahren, ohne dem zerklüfteten Bergwall
besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Benutze man aber von Trient ans die
andere Linie nach Venedig, die neue Smzcmerwlbahn, über Perser (Pergine),
Lein'co und Bassano, so wird auch das abgestumpfte und ermüdete Auge auf
der Höhe des Sees von Caldonazzo gefesselt durch den schönbewaldeten Steil-
iibsturz einer hohen Gebirgswand. Dieser Steilabsturz ist ein Teil der Hoch¬
ebene von Lafraun—Vielgereut und wird auf der österreichischen Generalstabs¬
karte als „Hochleiten"*) bezeichnet. Von den Einheimischen wird der Name
„Hochteile" der ganzen Hochfläche gegeben, auf der die beiden Großgemeinden
Lafraun und Vielgereut mit ihren vielen Teilgemeinden liegen.

Der Gebirgsstock, zu dem die „Hochteile" gehört, hat keinen einheitlichen
Namen; er hängt im Süden und Osten, jenseits der sehr nahen italienischen
Grenze mit den Lessmischen Alpen zusammen, die gegen die Poebene allmählich
abfallen und auf ihren Abdachungen die „sieben und die dreizehn zimbrischen
Gemeinden" tragen.

Der ganze westliche Teil dieses Gebirges besteht aus Kalk- und Kretde-
schichten, welche die Eigenart und die hohe Schönheit der Landschaft begründen.



*) „Hochteile" ist ein altertümlicher tiroler Ausdruck für Hochfläche. Die anscheinende
Mehrzahlform „Hochleiten" ist wahrscheinlich ein Mißverständnis des Offiziers, der die Karte
aufnahm, indem dieser die mundartliche Aussprache „d'Hochleit'n" für den Nominativ Pluralis
statt für den Nominativ Singuralis gehalten haben wird. Auf den französischen General¬
stabskarten des Elsaß kommen ähnliche Mißverständnisse nicht selten vor.
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[0051] [Abbildung] Die Hochebene von Lafraun—Vielgereut Land und Leute Professor Dr. Reisten von rüber nur in den Kreisen der völkischen Schutzvereine genannt, ist die Hochebene von Lafraun—Vielgereut seit dem Krieg zwischen Italien und Österreich in aller Munde. Die in den österreichischen Generalstabskarten und -berichten als das „Plateau von Lavarone— Folgaria" bezeichnete Hochebene ist ein Teil des Berglandes zwischen der Etsch und der das Suganertal durchströmendem Brenta. Tausende von Venedigreisenden sind zwischen Trient und Roveredo an dem Abfall diese« Berglands gegen die Etsch vorbeigefahren, ohne dem zerklüfteten Bergwall besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Benutze man aber von Trient ans die andere Linie nach Venedig, die neue Smzcmerwlbahn, über Perser (Pergine), Lein'co und Bassano, so wird auch das abgestumpfte und ermüdete Auge auf der Höhe des Sees von Caldonazzo gefesselt durch den schönbewaldeten Steil- iibsturz einer hohen Gebirgswand. Dieser Steilabsturz ist ein Teil der Hoch¬ ebene von Lafraun—Vielgereut und wird auf der österreichischen Generalstabs¬ karte als „Hochleiten"*) bezeichnet. Von den Einheimischen wird der Name „Hochteile" der ganzen Hochfläche gegeben, auf der die beiden Großgemeinden Lafraun und Vielgereut mit ihren vielen Teilgemeinden liegen. Der Gebirgsstock, zu dem die „Hochteile" gehört, hat keinen einheitlichen Namen; er hängt im Süden und Osten, jenseits der sehr nahen italienischen Grenze mit den Lessmischen Alpen zusammen, die gegen die Poebene allmählich abfallen und auf ihren Abdachungen die „sieben und die dreizehn zimbrischen Gemeinden" tragen. Der ganze westliche Teil dieses Gebirges besteht aus Kalk- und Kretde- schichten, welche die Eigenart und die hohe Schönheit der Landschaft begründen. *) „Hochteile" ist ein altertümlicher tiroler Ausdruck für Hochfläche. Die anscheinende Mehrzahlform „Hochleiten" ist wahrscheinlich ein Mißverständnis des Offiziers, der die Karte aufnahm, indem dieser die mundartliche Aussprache „d'Hochleit'n" für den Nominativ Pluralis statt für den Nominativ Singuralis gehalten haben wird. Auf den französischen General¬ stabskarten des Elsaß kommen ähnliche Mißverständnisse nicht selten vor.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972/51>, abgerufen am 19.05.2024.