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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr.

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Der Weltkrieg und die preise der notwendigsten
Lebensmittel in den europäischen Staaten
Heinrich Göhring von

le Preise der notwendigsten Lebensmittel sind von jeher durch
verschiedene Umstände mehr oder weniger stark beeinflußt worden.
So kann beispielsweise in normalen Zeiten eine Mißernte in
Rußland, Kanada oder Indien die Getreidemärkte des europäischen
Festlandes beunruhigen, was dann in der Regel einen Hochgang
des Mehl- und Brotpreises zur Folge hat. Weiter kann eine Viehseuche in
Argentinien oder Australien die Fleischpreise von London oder Paris steigern.
Die berühmt gewordene Mißernte der Kartoffeln in Irland im Jahre 1845
bereitete England große Ernährungsschwierigkeiten. Größeren Einfluß auf die
Preisbewegung der notwendigsten Lebensmittel kann auch eine längere Streit¬
bewegung im Verkehrsgewerbe ausüben. So wurden anläßlich des Streites
im Londoner Hafen vom Jahre 1912 schon allein aus Montreal (Kanada)
berichtet, daß drei Millionen Bushels Getreide im dortigen Hafen durch den
Aufstand aufgehalten worden waren. Ein Hochgang der Preise für Mehl und
Brot in London und anderen englischen Städten war hier die Folge.

Bedeutend größere Einwirkungen auf die Preise der notwendigsten Lebens¬
mittel hat aber von jeher der Krieg gehabt und zumal der jetzige Völker¬
oder Weltkrieg liefert hierfür die Bestätigung. Nebenher sei bemerkt, daß die
Annahme verschiedener Sozialpoliker: eine Mobilmachung würde in drei bis
vier Tagen die Hungersnot in unsere Großstädte bringen, sich erfreulicher¬
weise als falsch erwiesen hat. Bekanntlich hat ja England in Gemeinschaft
mit seinen Verbündeten den Schutz, welchen das Völkerrecht in punkto der
Sicherstellung des Nahrungsmittelbedarfs der Zivilbevölkerung eines kriegführenden
Landes gewährte, durchbrochen. Durch Absperrung der Zufuhr hofften sie
Deutschland und seine Bundesgenossen aushungern zu können. Darin haben
sie sich getäuscht. Ja noch mehr: die Abwehrmaßregeln, die Deutschland
zum Schutze seiner Bewohner treffen mußte und speziell seine neue Waffe
zur See -- das Unterseeboot in der von der deutschen Marine geschaffenen




Der Weltkrieg und die preise der notwendigsten
Lebensmittel in den europäischen Staaten
Heinrich Göhring von

le Preise der notwendigsten Lebensmittel sind von jeher durch
verschiedene Umstände mehr oder weniger stark beeinflußt worden.
So kann beispielsweise in normalen Zeiten eine Mißernte in
Rußland, Kanada oder Indien die Getreidemärkte des europäischen
Festlandes beunruhigen, was dann in der Regel einen Hochgang
des Mehl- und Brotpreises zur Folge hat. Weiter kann eine Viehseuche in
Argentinien oder Australien die Fleischpreise von London oder Paris steigern.
Die berühmt gewordene Mißernte der Kartoffeln in Irland im Jahre 1845
bereitete England große Ernährungsschwierigkeiten. Größeren Einfluß auf die
Preisbewegung der notwendigsten Lebensmittel kann auch eine längere Streit¬
bewegung im Verkehrsgewerbe ausüben. So wurden anläßlich des Streites
im Londoner Hafen vom Jahre 1912 schon allein aus Montreal (Kanada)
berichtet, daß drei Millionen Bushels Getreide im dortigen Hafen durch den
Aufstand aufgehalten worden waren. Ein Hochgang der Preise für Mehl und
Brot in London und anderen englischen Städten war hier die Folge.

Bedeutend größere Einwirkungen auf die Preise der notwendigsten Lebens¬
mittel hat aber von jeher der Krieg gehabt und zumal der jetzige Völker¬
oder Weltkrieg liefert hierfür die Bestätigung. Nebenher sei bemerkt, daß die
Annahme verschiedener Sozialpoliker: eine Mobilmachung würde in drei bis
vier Tagen die Hungersnot in unsere Großstädte bringen, sich erfreulicher¬
weise als falsch erwiesen hat. Bekanntlich hat ja England in Gemeinschaft
mit seinen Verbündeten den Schutz, welchen das Völkerrecht in punkto der
Sicherstellung des Nahrungsmittelbedarfs der Zivilbevölkerung eines kriegführenden
Landes gewährte, durchbrochen. Durch Absperrung der Zufuhr hofften sie
Deutschland und seine Bundesgenossen aushungern zu können. Darin haben
sie sich getäuscht. Ja noch mehr: die Abwehrmaßregeln, die Deutschland
zum Schutze seiner Bewohner treffen mußte und speziell seine neue Waffe
zur See — das Unterseeboot in der von der deutschen Marine geschaffenen


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[0083] [Abbildung] Der Weltkrieg und die preise der notwendigsten Lebensmittel in den europäischen Staaten Heinrich Göhring von le Preise der notwendigsten Lebensmittel sind von jeher durch verschiedene Umstände mehr oder weniger stark beeinflußt worden. So kann beispielsweise in normalen Zeiten eine Mißernte in Rußland, Kanada oder Indien die Getreidemärkte des europäischen Festlandes beunruhigen, was dann in der Regel einen Hochgang des Mehl- und Brotpreises zur Folge hat. Weiter kann eine Viehseuche in Argentinien oder Australien die Fleischpreise von London oder Paris steigern. Die berühmt gewordene Mißernte der Kartoffeln in Irland im Jahre 1845 bereitete England große Ernährungsschwierigkeiten. Größeren Einfluß auf die Preisbewegung der notwendigsten Lebensmittel kann auch eine längere Streit¬ bewegung im Verkehrsgewerbe ausüben. So wurden anläßlich des Streites im Londoner Hafen vom Jahre 1912 schon allein aus Montreal (Kanada) berichtet, daß drei Millionen Bushels Getreide im dortigen Hafen durch den Aufstand aufgehalten worden waren. Ein Hochgang der Preise für Mehl und Brot in London und anderen englischen Städten war hier die Folge. Bedeutend größere Einwirkungen auf die Preise der notwendigsten Lebens¬ mittel hat aber von jeher der Krieg gehabt und zumal der jetzige Völker¬ oder Weltkrieg liefert hierfür die Bestätigung. Nebenher sei bemerkt, daß die Annahme verschiedener Sozialpoliker: eine Mobilmachung würde in drei bis vier Tagen die Hungersnot in unsere Großstädte bringen, sich erfreulicher¬ weise als falsch erwiesen hat. Bekanntlich hat ja England in Gemeinschaft mit seinen Verbündeten den Schutz, welchen das Völkerrecht in punkto der Sicherstellung des Nahrungsmittelbedarfs der Zivilbevölkerung eines kriegführenden Landes gewährte, durchbrochen. Durch Absperrung der Zufuhr hofften sie Deutschland und seine Bundesgenossen aushungern zu können. Darin haben sie sich getäuscht. Ja noch mehr: die Abwehrmaßregeln, die Deutschland zum Schutze seiner Bewohner treffen mußte und speziell seine neue Waffe zur See — das Unterseeboot in der von der deutschen Marine geschaffenen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972/83>, abgerufen am 26.05.2024.