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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr.

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muß jetzt in russischer Sprache werden. Von den 69 Professoren sind etwa
58 Deutsche, also über 84 Prozent. Die Frequenz betrug am 1. Januar 1914
2084 Studenten. Es existieren drei deutsche Korps an der Hochschule mit
ähnlichem CharaKer wie die Dörptschen. Die Bedeutung dieses Instituts besteht
darin, daß den Ballen hier die Errungenschaften deutscher Technik und deutsche
Schulung vermittelt werden.


b) Mittleres und niederes Schulwesen.

Durch die Nussisizierung des bis in das Ende der 80 ziger Jahre rein¬
deutschen Schulwesens erhielt das baltische Deutschtum seinen schwersten Schlag.
Wie man sich zu helfen suchte, haben wir oben gesehen. Seit 1905 haben die
Ballen wieder das Recht Schulen mit deutscher Unterrichtssprache zu erhalten.
Es entstanden die Schulen, die unten aufgezählt werden. Der Krebsschaden, an
dem diese Privatschulen -- staatliche und städtische Schulen blieben, wie gesagt,
russisch -- litten, war der Mangel an jeglichen Rechten. Der Absolvent
des Lehrerseminars zu Mitau oder des Lehrerseminars zu Dorpat mußte
sich z. B. seine Lehrberechtignng an einer Prüfungs'Kommission der
russischen Lehrbezirksverwaltung, der Absolvent eines Privatgymnastnms sein
Reifezeugnis oder die Freiwilligen- oder die Apothekerberechtigung an einem
staatlichen Gymnasium erwerben. Daß es die dort examinierenden russischen
Lehrer an jeder erdenklichen Chikanierung nicht fehlen ließen, ist für jeden Ken¬
ner der Verhältnisse selbstverständlich. In den letztet" Jahren vor dem Kriege
war das sogenannte "Externenexcnnen" für den, der nicht über große Geld¬
mittel zu Bestcchungszwecken oder hohe Protektion verfügte, fast eine Unmög¬
lichkeit. Diese Schwierigkeiten haben naturgemäß manche Eltern abgeschreckt,
ihre Kinder in deutsche Schulen zu schicken. Sonst wäre die Zahl der Schulen
noch größer. Besser dran als die Mehrzahl der Privatschulen waren die 4
oder eigentlich 5 Gymnasien -- das zu Mitau ist eine Doppelschule: Gymna¬
sium und Realschule -- die von den Ritter- und Landschaften erhalten wurden.
Diese Schulen haben das Privileg, daß ihre Absolvevten von Kommissionen
bestehend aus den Lehrern der Anstalt und einem staatlichen Deputierten exa¬
miniert werden, der im Chikanieren natürlich seine Hauptaufgabe sieht. Das
Abiturium findet außer im Deutschen und in der Religion in russischer Sprache
statt. Zur Erreichung dieses Ziels dient die oberste Repetitionsklafse mit rus¬
sischer Unterrichtssprache. Das Fortkommen der Schüler, die die Schule nicht
durchmachen, ist ebenso schwierig wie bei den Privatschulen. Wir geben nun
eine Übersicht über die Schulen mit deutscher Unterrichtssprache:


Livland.

Der Deutsche Verein*) erhielt:



*) Alle Angaben über den Deutschen Verein beziehen sich für Kurland und Estland
auf das Berichtsjahr I.Juli 1912 -- 1. Juli 1913, für Livland auf das Berichtsjahr 1912.

muß jetzt in russischer Sprache werden. Von den 69 Professoren sind etwa
58 Deutsche, also über 84 Prozent. Die Frequenz betrug am 1. Januar 1914
2084 Studenten. Es existieren drei deutsche Korps an der Hochschule mit
ähnlichem CharaKer wie die Dörptschen. Die Bedeutung dieses Instituts besteht
darin, daß den Ballen hier die Errungenschaften deutscher Technik und deutsche
Schulung vermittelt werden.


b) Mittleres und niederes Schulwesen.

Durch die Nussisizierung des bis in das Ende der 80 ziger Jahre rein¬
deutschen Schulwesens erhielt das baltische Deutschtum seinen schwersten Schlag.
Wie man sich zu helfen suchte, haben wir oben gesehen. Seit 1905 haben die
Ballen wieder das Recht Schulen mit deutscher Unterrichtssprache zu erhalten.
Es entstanden die Schulen, die unten aufgezählt werden. Der Krebsschaden, an
dem diese Privatschulen — staatliche und städtische Schulen blieben, wie gesagt,
russisch — litten, war der Mangel an jeglichen Rechten. Der Absolvent
des Lehrerseminars zu Mitau oder des Lehrerseminars zu Dorpat mußte
sich z. B. seine Lehrberechtignng an einer Prüfungs'Kommission der
russischen Lehrbezirksverwaltung, der Absolvent eines Privatgymnastnms sein
Reifezeugnis oder die Freiwilligen- oder die Apothekerberechtigung an einem
staatlichen Gymnasium erwerben. Daß es die dort examinierenden russischen
Lehrer an jeder erdenklichen Chikanierung nicht fehlen ließen, ist für jeden Ken¬
ner der Verhältnisse selbstverständlich. In den letztet« Jahren vor dem Kriege
war das sogenannte „Externenexcnnen" für den, der nicht über große Geld¬
mittel zu Bestcchungszwecken oder hohe Protektion verfügte, fast eine Unmög¬
lichkeit. Diese Schwierigkeiten haben naturgemäß manche Eltern abgeschreckt,
ihre Kinder in deutsche Schulen zu schicken. Sonst wäre die Zahl der Schulen
noch größer. Besser dran als die Mehrzahl der Privatschulen waren die 4
oder eigentlich 5 Gymnasien — das zu Mitau ist eine Doppelschule: Gymna¬
sium und Realschule — die von den Ritter- und Landschaften erhalten wurden.
Diese Schulen haben das Privileg, daß ihre Absolvevten von Kommissionen
bestehend aus den Lehrern der Anstalt und einem staatlichen Deputierten exa¬
miniert werden, der im Chikanieren natürlich seine Hauptaufgabe sieht. Das
Abiturium findet außer im Deutschen und in der Religion in russischer Sprache
statt. Zur Erreichung dieses Ziels dient die oberste Repetitionsklafse mit rus¬
sischer Unterrichtssprache. Das Fortkommen der Schüler, die die Schule nicht
durchmachen, ist ebenso schwierig wie bei den Privatschulen. Wir geben nun
eine Übersicht über die Schulen mit deutscher Unterrichtssprache:


Livland.

Der Deutsche Verein*) erhielt:



*) Alle Angaben über den Deutschen Verein beziehen sich für Kurland und Estland
auf das Berichtsjahr I.Juli 1912 — 1. Juli 1913, für Livland auf das Berichtsjahr 1912.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_324408/306>, abgerufen am 05.05.2024.