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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr.

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Grenzboten
das Abonnement zum I. Quartal 1916
erneuern zu wollen. -- BestellungenG^enzidoten
nimmt jede Buchhandlung und jede <sinds
Poftanstalt entgegen. Preis 6 M. Berlin ...

Ein mitteleuropäisch-vorderasiatischer
Hchiedsgerichtsbund
von Dr. Uarl Mehrmann

.W^M,-!edanken, einmal ausgesprochen, sterben nicht. Sie können ver¬
krüppeln; sie können vervollkommnet werden; sie können in andern
Ideen aufgehen. Aber ihre Spur läßt sich niemals ganz ver¬
wischen.

Selbst ein Gegner des Pazifismus, erkenne ich sogar in
einer Zeit, die seinem Wollen so ganz entgegengesetzt ist wie die heutige, in
seinem System lebendige Kräfte, die nicht verloren gehen können. Die Sehn¬
sucht nach ewigem Frieden freilich hat die schönste Formulierung ihres Programms
schon vor bald zweitausend Jahren gefunden, in der Weihnachtsbotschaft für alle
Menschen, die guten Willens sind. Bis die Welt in Rauch und Flammen
verzehrt oder in Schnee und Eis erstarrt ist, wird die Friedenssehnsucht ewig
neue und immer zartere Töne veredelter Menschlichkeit aus dem Gebot christ¬
licher Nächstenliebe hervorlocken. Jedoch, wer in aller Welt wird jemals den
Punkt entdecken, an dem die Politik glatt in das Gedankenreich der Friedens¬
freunde mündet und restlos darin aufgeht? Der Staatsmann und der Historiker
haben in dem Kampf von jeher eine gottgewollte Notwendigkeit gesehen. Und
wenn Moltke als Soldat den ewigen Frieden einen Traum und nicht einmal
einen schönen nannte, so hatte ihm der Philosoph Heraklit schon vor mehr als
zweitausend Jahren die Begründung vorweg genommen: der Kampf ist der
Vater aller Dinge. Nun ist der Weltkrieg in alle Phantasien, die die letzte
Friedenszeit wieder so üppig hatte wuchern lassen, mit rauher Hand hinein¬
gefahren. Die blühenden Hoffnungen der Pazifisten sind geknickt. Im Haag
steht der Friedenspalast verödet, und Mars regiert die Stunde.

Und alles wäre unter dem Schutt und den Trümmern, die der große
Weltenbrand auf die gestürzten Utopien der Friedensliebhaber gehäuft hat,
erstickt? Aus schmalen Ritzen und Fugen ringelt sich der Schiedsgerichtsgedanke


Grenzboten l 1916 7


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Hchiedsgerichtsbund
von Dr. Uarl Mehrmann

.W^M,-!edanken, einmal ausgesprochen, sterben nicht. Sie können ver¬
krüppeln; sie können vervollkommnet werden; sie können in andern
Ideen aufgehen. Aber ihre Spur läßt sich niemals ganz ver¬
wischen.

Selbst ein Gegner des Pazifismus, erkenne ich sogar in
einer Zeit, die seinem Wollen so ganz entgegengesetzt ist wie die heutige, in
seinem System lebendige Kräfte, die nicht verloren gehen können. Die Sehn¬
sucht nach ewigem Frieden freilich hat die schönste Formulierung ihres Programms
schon vor bald zweitausend Jahren gefunden, in der Weihnachtsbotschaft für alle
Menschen, die guten Willens sind. Bis die Welt in Rauch und Flammen
verzehrt oder in Schnee und Eis erstarrt ist, wird die Friedenssehnsucht ewig
neue und immer zartere Töne veredelter Menschlichkeit aus dem Gebot christ¬
licher Nächstenliebe hervorlocken. Jedoch, wer in aller Welt wird jemals den
Punkt entdecken, an dem die Politik glatt in das Gedankenreich der Friedens¬
freunde mündet und restlos darin aufgeht? Der Staatsmann und der Historiker
haben in dem Kampf von jeher eine gottgewollte Notwendigkeit gesehen. Und
wenn Moltke als Soldat den ewigen Frieden einen Traum und nicht einmal
einen schönen nannte, so hatte ihm der Philosoph Heraklit schon vor mehr als
zweitausend Jahren die Begründung vorweg genommen: der Kampf ist der
Vater aller Dinge. Nun ist der Weltkrieg in alle Phantasien, die die letzte
Friedenszeit wieder so üppig hatte wuchern lassen, mit rauher Hand hinein¬
gefahren. Die blühenden Hoffnungen der Pazifisten sind geknickt. Im Haag
steht der Friedenspalast verödet, und Mars regiert die Stunde.

Und alles wäre unter dem Schutt und den Trümmern, die der große
Weltenbrand auf die gestürzten Utopien der Friedensliebhaber gehäuft hat,
erstickt? Aus schmalen Ritzen und Fugen ringelt sich der Schiedsgerichtsgedanke


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[0109] [Abbildung] ^ Wir bitten die Freunde der :: :: :: :: Grenzboten das Abonnement zum I. Quartal 1916 erneuern zu wollen. — BestellungenG^enzidoten nimmt jede Buchhandlung und jede <sinds Poftanstalt entgegen. Preis 6 M. Berlin ... Ein mitteleuropäisch-vorderasiatischer Hchiedsgerichtsbund von Dr. Uarl Mehrmann .W^M,-!edanken, einmal ausgesprochen, sterben nicht. Sie können ver¬ krüppeln; sie können vervollkommnet werden; sie können in andern Ideen aufgehen. Aber ihre Spur läßt sich niemals ganz ver¬ wischen. Selbst ein Gegner des Pazifismus, erkenne ich sogar in einer Zeit, die seinem Wollen so ganz entgegengesetzt ist wie die heutige, in seinem System lebendige Kräfte, die nicht verloren gehen können. Die Sehn¬ sucht nach ewigem Frieden freilich hat die schönste Formulierung ihres Programms schon vor bald zweitausend Jahren gefunden, in der Weihnachtsbotschaft für alle Menschen, die guten Willens sind. Bis die Welt in Rauch und Flammen verzehrt oder in Schnee und Eis erstarrt ist, wird die Friedenssehnsucht ewig neue und immer zartere Töne veredelter Menschlichkeit aus dem Gebot christ¬ licher Nächstenliebe hervorlocken. Jedoch, wer in aller Welt wird jemals den Punkt entdecken, an dem die Politik glatt in das Gedankenreich der Friedens¬ freunde mündet und restlos darin aufgeht? Der Staatsmann und der Historiker haben in dem Kampf von jeher eine gottgewollte Notwendigkeit gesehen. Und wenn Moltke als Soldat den ewigen Frieden einen Traum und nicht einmal einen schönen nannte, so hatte ihm der Philosoph Heraklit schon vor mehr als zweitausend Jahren die Begründung vorweg genommen: der Kampf ist der Vater aller Dinge. Nun ist der Weltkrieg in alle Phantasien, die die letzte Friedenszeit wieder so üppig hatte wuchern lassen, mit rauher Hand hinein¬ gefahren. Die blühenden Hoffnungen der Pazifisten sind geknickt. Im Haag steht der Friedenspalast verödet, und Mars regiert die Stunde. Und alles wäre unter dem Schutt und den Trümmern, die der große Weltenbrand auf die gestürzten Utopien der Friedensliebhaber gehäuft hat, erstickt? Aus schmalen Ritzen und Fugen ringelt sich der Schiedsgerichtsgedanke Grenzboten l 1916 7

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_329665/109>, abgerufen am 30.04.2024.