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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr.

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Wir bitten die Freunde der :: :: ::
Grenzboten
das Abonnement zum I. Quartal 1916
emeuern zu wollen. -- Bestellungen Verlag der
6^6?I2l?se6?I
nimmt jede Buchhandlung und jede " ends
Postanstalt entgegen. Preis 6 M. Berlin 3V/n.
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Auf dem toten Punkt
Russischer Brief

le fragen mich, welche Eindrücke ich gegenwärtig von Rußland
habe, wie es steht mit der Regierung, mit der öffentlichen Mei¬
nung, mit der Seele des Volkes in diesem Lande der "un¬
begrenzten Möglichkeiten" ?

Ich kann Ihnen eine erschöpfende Antwort darauf nicht geben,
denn diejenigen Kreise, die schließlich einmal, wenn es zum Schlüsse kommt, den
Ausschlag über die Geschicke des Landes geben werden, sind unberechenbar.
Nur Gott weiß, was dort einmal beschlossen wird. --

Und Nikolai Nikolajewitsch und seine Clique? Der Großfürst thront im
Palaste der Woronzow, denen der Zar soviel verdankt. Er hat versucht, die
gesunkene Popularität dadurch aufzufrischen, daß er sich gegen die Regierung
auf die Seite der Liberalen stellte. Er wollte in seinem kleinen Despotenbezirk
auf despotische Weise diejenigen Freiheiten der Selbstverwaltung oktroyieren, die
der Fürst Tscheidse bisher vergeblich für seinen Heimatsbezirk in Anspruch ge¬
nommen hat. Nikolai und Tscheidze, nicht wahr, ein schönes Bild? Er scheints
auch aufgegeben zu haben, denn über seine Pläne ist auf einmal ein verdäch¬
tiges Schweigen hereingebrochen. Also, wenns damit nicht zu machen ist, so
vielleicht mit dem Kampf gegen die Türken? Winkt nicht Erzerum und von
ferne ein anderes Ziel, das einst Herrn Sasonow so nahe dünkte und das doch
so fern war? --

Aber die Leute sind keine Illusionisten mehr, wie einstmals. Sie sind
bescheidener geworden in ihren Zielen. Diese Ziele haben fast an Wert für
sie verloren, niemand spricht mehr von ihnen. Man weiß, es handelt sich nicht
mehr um den großen Einsatz, nicht mehr "um Sieg" gehts -- nur noch "um


Grenzboten l 1916 9


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Auf dem toten Punkt
Russischer Brief

le fragen mich, welche Eindrücke ich gegenwärtig von Rußland
habe, wie es steht mit der Regierung, mit der öffentlichen Mei¬
nung, mit der Seele des Volkes in diesem Lande der „un¬
begrenzten Möglichkeiten" ?

Ich kann Ihnen eine erschöpfende Antwort darauf nicht geben,
denn diejenigen Kreise, die schließlich einmal, wenn es zum Schlüsse kommt, den
Ausschlag über die Geschicke des Landes geben werden, sind unberechenbar.
Nur Gott weiß, was dort einmal beschlossen wird. —

Und Nikolai Nikolajewitsch und seine Clique? Der Großfürst thront im
Palaste der Woronzow, denen der Zar soviel verdankt. Er hat versucht, die
gesunkene Popularität dadurch aufzufrischen, daß er sich gegen die Regierung
auf die Seite der Liberalen stellte. Er wollte in seinem kleinen Despotenbezirk
auf despotische Weise diejenigen Freiheiten der Selbstverwaltung oktroyieren, die
der Fürst Tscheidse bisher vergeblich für seinen Heimatsbezirk in Anspruch ge¬
nommen hat. Nikolai und Tscheidze, nicht wahr, ein schönes Bild? Er scheints
auch aufgegeben zu haben, denn über seine Pläne ist auf einmal ein verdäch¬
tiges Schweigen hereingebrochen. Also, wenns damit nicht zu machen ist, so
vielleicht mit dem Kampf gegen die Türken? Winkt nicht Erzerum und von
ferne ein anderes Ziel, das einst Herrn Sasonow so nahe dünkte und das doch
so fern war? —

Aber die Leute sind keine Illusionisten mehr, wie einstmals. Sie sind
bescheidener geworden in ihren Zielen. Diese Ziele haben fast an Wert für
sie verloren, niemand spricht mehr von ihnen. Man weiß, es handelt sich nicht
mehr um den großen Einsatz, nicht mehr „um Sieg" gehts — nur noch „um


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_329665/141>, abgerufen am 30.04.2024.