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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr.

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Der neue ^ohn des Himmels
von Erich von Salzmann (Schluß)

Die fremden Besatzungstruppen standen noch an den verschiedensten Punkten
der Provinz Tschiki. Wo man jedoch hinkam, fand man schon neben ihnen,
neuartig ganz in Schwarz gekleidet, chinesische Truppen. Das waren die Turban¬
träger Juanschikais. Ihre kleidsame einfache Kopfbedeckung gab ihnen den
Namen. Der dunkle Ernst ihrer Uniformen stach merkwürdig scharf gegen die
letzten bunten zerlumpten Überbleibsel der alten chinesischen Armee ab. Die
Leute fühlten sich als Diener ihres Herrn, sie waren stolz und zurückhaltend,
ein ganz neuer Schlag Menschen unter den Chinesen. Die Führer waren
Duar treu ergeben. Sie wurden prompt bezahlt, sie plünderten nicht, sie
rauchten kein Opium, sie bedrückten das Volk nicht, und -- sie taten Dienst
von morgens bis abends. Wer sich von ihnen schlecht aufführte, dem flog
schnell der Kopf herunter. Der große Herr in Tientsin fackelte nicht lange.

So wuchs Juans Macht geradezu unheimlich an. Aber auch auf anderen
Gebieten hatte er von den Fremden gelernt. Bis zum Jahre 1902 hatte
Tientsin Stadt und den großen zu ihr gehörigen Bezirk eine internationale
provisorische Regierung verwaltet. Kein geringerer war ihr Herz und ihre
Seele gewesen und hatte sie in geradezu genialer und vorbildlicher Weise ein¬
gerichtet, als der jetzige Chef des Generalstabes der deutschen Armee. General
der Infanterie von Falkenhayn. Er ist nicht nur ein Meister des Schwertes.
Er hat damals zum Staunen der Beteiligten gezeigt, daß er auch außerordent¬
liche Fähigkeiten auf den Gebieten ziviler Verwaltung und Organisation besitzt.
Auf dem Ergebnis der schamlosen Mißwirtschaft vieler Jahrhunderte, auf einer
innerlich und äußerlich total verrotteten Verwaltung aufbauend, hatte Falkenhayn
es verstanden, in kurzer Zeit einen neuen kleinen Musterstaat zu schaffen. Er
hatte den größten Teil einer verbrannten und zerschossenen Millionenstadt nieder¬
gerissen und eine neue größere, modernen Anforderungen entsprechende Stadt
wieder aufgebaut. Es läßt sich hier nicht aufzählen, was da alles in zwei
Jahren geschaffen worden war. Riesenhaftes war entstanden, und neues Leben
blühte überall. Die Kassen waren gefüllt, und es war nicht schwer für
Juanschikai, nun von neuem anzufangen. Unan kann heute Falkenhayn viel
danken, denn nur an Falkenhayns Schöpfung anknüpfend, war es ihm nun




Der neue ^ohn des Himmels
von Erich von Salzmann (Schluß)

Die fremden Besatzungstruppen standen noch an den verschiedensten Punkten
der Provinz Tschiki. Wo man jedoch hinkam, fand man schon neben ihnen,
neuartig ganz in Schwarz gekleidet, chinesische Truppen. Das waren die Turban¬
träger Juanschikais. Ihre kleidsame einfache Kopfbedeckung gab ihnen den
Namen. Der dunkle Ernst ihrer Uniformen stach merkwürdig scharf gegen die
letzten bunten zerlumpten Überbleibsel der alten chinesischen Armee ab. Die
Leute fühlten sich als Diener ihres Herrn, sie waren stolz und zurückhaltend,
ein ganz neuer Schlag Menschen unter den Chinesen. Die Führer waren
Duar treu ergeben. Sie wurden prompt bezahlt, sie plünderten nicht, sie
rauchten kein Opium, sie bedrückten das Volk nicht, und — sie taten Dienst
von morgens bis abends. Wer sich von ihnen schlecht aufführte, dem flog
schnell der Kopf herunter. Der große Herr in Tientsin fackelte nicht lange.

So wuchs Juans Macht geradezu unheimlich an. Aber auch auf anderen
Gebieten hatte er von den Fremden gelernt. Bis zum Jahre 1902 hatte
Tientsin Stadt und den großen zu ihr gehörigen Bezirk eine internationale
provisorische Regierung verwaltet. Kein geringerer war ihr Herz und ihre
Seele gewesen und hatte sie in geradezu genialer und vorbildlicher Weise ein¬
gerichtet, als der jetzige Chef des Generalstabes der deutschen Armee. General
der Infanterie von Falkenhayn. Er ist nicht nur ein Meister des Schwertes.
Er hat damals zum Staunen der Beteiligten gezeigt, daß er auch außerordent¬
liche Fähigkeiten auf den Gebieten ziviler Verwaltung und Organisation besitzt.
Auf dem Ergebnis der schamlosen Mißwirtschaft vieler Jahrhunderte, auf einer
innerlich und äußerlich total verrotteten Verwaltung aufbauend, hatte Falkenhayn
es verstanden, in kurzer Zeit einen neuen kleinen Musterstaat zu schaffen. Er
hatte den größten Teil einer verbrannten und zerschossenen Millionenstadt nieder¬
gerissen und eine neue größere, modernen Anforderungen entsprechende Stadt
wieder aufgebaut. Es läßt sich hier nicht aufzählen, was da alles in zwei
Jahren geschaffen worden war. Riesenhaftes war entstanden, und neues Leben
blühte überall. Die Kassen waren gefüllt, und es war nicht schwer für
Juanschikai, nun von neuem anzufangen. Unan kann heute Falkenhayn viel
danken, denn nur an Falkenhayns Schöpfung anknüpfend, war es ihm nun


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[0156] [Abbildung] Der neue ^ohn des Himmels von Erich von Salzmann (Schluß) Die fremden Besatzungstruppen standen noch an den verschiedensten Punkten der Provinz Tschiki. Wo man jedoch hinkam, fand man schon neben ihnen, neuartig ganz in Schwarz gekleidet, chinesische Truppen. Das waren die Turban¬ träger Juanschikais. Ihre kleidsame einfache Kopfbedeckung gab ihnen den Namen. Der dunkle Ernst ihrer Uniformen stach merkwürdig scharf gegen die letzten bunten zerlumpten Überbleibsel der alten chinesischen Armee ab. Die Leute fühlten sich als Diener ihres Herrn, sie waren stolz und zurückhaltend, ein ganz neuer Schlag Menschen unter den Chinesen. Die Führer waren Duar treu ergeben. Sie wurden prompt bezahlt, sie plünderten nicht, sie rauchten kein Opium, sie bedrückten das Volk nicht, und — sie taten Dienst von morgens bis abends. Wer sich von ihnen schlecht aufführte, dem flog schnell der Kopf herunter. Der große Herr in Tientsin fackelte nicht lange. So wuchs Juans Macht geradezu unheimlich an. Aber auch auf anderen Gebieten hatte er von den Fremden gelernt. Bis zum Jahre 1902 hatte Tientsin Stadt und den großen zu ihr gehörigen Bezirk eine internationale provisorische Regierung verwaltet. Kein geringerer war ihr Herz und ihre Seele gewesen und hatte sie in geradezu genialer und vorbildlicher Weise ein¬ gerichtet, als der jetzige Chef des Generalstabes der deutschen Armee. General der Infanterie von Falkenhayn. Er ist nicht nur ein Meister des Schwertes. Er hat damals zum Staunen der Beteiligten gezeigt, daß er auch außerordent¬ liche Fähigkeiten auf den Gebieten ziviler Verwaltung und Organisation besitzt. Auf dem Ergebnis der schamlosen Mißwirtschaft vieler Jahrhunderte, auf einer innerlich und äußerlich total verrotteten Verwaltung aufbauend, hatte Falkenhayn es verstanden, in kurzer Zeit einen neuen kleinen Musterstaat zu schaffen. Er hatte den größten Teil einer verbrannten und zerschossenen Millionenstadt nieder¬ gerissen und eine neue größere, modernen Anforderungen entsprechende Stadt wieder aufgebaut. Es läßt sich hier nicht aufzählen, was da alles in zwei Jahren geschaffen worden war. Riesenhaftes war entstanden, und neues Leben blühte überall. Die Kassen waren gefüllt, und es war nicht schwer für Juanschikai, nun von neuem anzufangen. Unan kann heute Falkenhayn viel danken, denn nur an Falkenhayns Schöpfung anknüpfend, war es ihm nun

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_329665/156>, abgerufen am 30.04.2024.