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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr.

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N)le kam Frankreich zu Lothringen und dem Elsaß?
von Professor Dr. Carl Franke

chthundertsiebzig war im Vertrag zu Mersen, der Deutschland
und Frankreich im wesentlichen nach der Sprachgrenze schied*),
Lothringen, das seinen Namen von dein Karolinger Lothar dem
Zweiten bekommen hatte, als fünftes Herzogtum an Deutschland
gefallen, desgleichen auch das Elsaß, das zum Herzogtum Schwaben
kam. Schon 959 ward Lothringen in die Herzogtümer Nieder- und Ober¬
lothringen zerlegt. Da aber ersteres sich später in einer Reihe von reichs-
unmittelbaren Kleinstaaten auflöste, so ging sein Name verloren**), und Ober-
lothringen ward um schlechtweg Lothringen genannt. Seine Westgrenze lief
non der Quelle der Maas an zunächst zwischen dieser und der Marne, dann
zwischen letzterer und der Aisne fast bis Meziercs, die Nordgrenze ein wenig
südlich von Bouillon und nördlich von Prüm bis Hammerstein bei Andernach,
die Ostgrenze zunächst am Rhein fast bis Rüdesheim, dann über den Hnnsrück
und die Vogesen bis etwas südlich von der Moselquelle, die Südgrenze von
diesen: Punkt bis etwas nördlich der Saar- und der Maasquelle. Demnach
umfaßte das Herzogtum Lothringen im späteren Sinne (Oberlothringen oder
Herzogtum an der Mosel) das heutige deutsche und französische Lothringen, die
südwestliche Rheinpfalz bis Pirmasens, das südliche Drittel der Rheinprovinz,
sowie das Herzogtum und das belgische Luxemburg, abgesehen von dem nörd¬
lichen Viertel. Aber die Hohenstaufen lösten von Lothringen die Grafschaft
Luxemburg los und das östlich davon gelegene Gebiet, das zu Kurtrier kam;
im vierzehnten Jahrhundert waren auch Metz, Toul und Verdun und deren
Umgebung reichsunmittelbar geworden, sodaß Lothringens Macht sehr geschwächt
war. Dazu kam, daß in diesem hochdeutsch sprechenden Lande der Adel seit
dem zwölften Jahrhundert immer mehr die französische Sprache annahm; so
änderte er den hochdeutschen Namen Lützelburg ---- kleine Burg in die französische




Doch kam alles Land westlich der Scheide an Frankreich, wiewohl vlämisch, also nieder¬
deutsch, noch jetzt in Belgisch-Flandern durchweg und in den, französischen Flandern sowie Artrecht
(Artois) von 1ö0 000 Seelen gesprochen wird, während schon damals in Westloihringen eine
Minderheit wallonisch oder französisch sprach. Vergl. hier 74. Jahrg. Ur. 39 S. 411.
**) Vergleiche hier 74. Jahrgang der Grenzboten Ur. 6 S. 171--172. "Die Stellung
Belgiens zum alten Reiche" von C. Bornhak.


N)le kam Frankreich zu Lothringen und dem Elsaß?
von Professor Dr. Carl Franke

chthundertsiebzig war im Vertrag zu Mersen, der Deutschland
und Frankreich im wesentlichen nach der Sprachgrenze schied*),
Lothringen, das seinen Namen von dein Karolinger Lothar dem
Zweiten bekommen hatte, als fünftes Herzogtum an Deutschland
gefallen, desgleichen auch das Elsaß, das zum Herzogtum Schwaben
kam. Schon 959 ward Lothringen in die Herzogtümer Nieder- und Ober¬
lothringen zerlegt. Da aber ersteres sich später in einer Reihe von reichs-
unmittelbaren Kleinstaaten auflöste, so ging sein Name verloren**), und Ober-
lothringen ward um schlechtweg Lothringen genannt. Seine Westgrenze lief
non der Quelle der Maas an zunächst zwischen dieser und der Marne, dann
zwischen letzterer und der Aisne fast bis Meziercs, die Nordgrenze ein wenig
südlich von Bouillon und nördlich von Prüm bis Hammerstein bei Andernach,
die Ostgrenze zunächst am Rhein fast bis Rüdesheim, dann über den Hnnsrück
und die Vogesen bis etwas südlich von der Moselquelle, die Südgrenze von
diesen: Punkt bis etwas nördlich der Saar- und der Maasquelle. Demnach
umfaßte das Herzogtum Lothringen im späteren Sinne (Oberlothringen oder
Herzogtum an der Mosel) das heutige deutsche und französische Lothringen, die
südwestliche Rheinpfalz bis Pirmasens, das südliche Drittel der Rheinprovinz,
sowie das Herzogtum und das belgische Luxemburg, abgesehen von dem nörd¬
lichen Viertel. Aber die Hohenstaufen lösten von Lothringen die Grafschaft
Luxemburg los und das östlich davon gelegene Gebiet, das zu Kurtrier kam;
im vierzehnten Jahrhundert waren auch Metz, Toul und Verdun und deren
Umgebung reichsunmittelbar geworden, sodaß Lothringens Macht sehr geschwächt
war. Dazu kam, daß in diesem hochdeutsch sprechenden Lande der Adel seit
dem zwölften Jahrhundert immer mehr die französische Sprache annahm; so
änderte er den hochdeutschen Namen Lützelburg ---- kleine Burg in die französische




Doch kam alles Land westlich der Scheide an Frankreich, wiewohl vlämisch, also nieder¬
deutsch, noch jetzt in Belgisch-Flandern durchweg und in den, französischen Flandern sowie Artrecht
(Artois) von 1ö0 000 Seelen gesprochen wird, während schon damals in Westloihringen eine
Minderheit wallonisch oder französisch sprach. Vergl. hier 74. Jahrg. Ur. 39 S. 411.
**) Vergleiche hier 74. Jahrgang der Grenzboten Ur. 6 S. 171—172. „Die Stellung
Belgiens zum alten Reiche" von C. Bornhak.
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[0167] [Abbildung] N)le kam Frankreich zu Lothringen und dem Elsaß? von Professor Dr. Carl Franke chthundertsiebzig war im Vertrag zu Mersen, der Deutschland und Frankreich im wesentlichen nach der Sprachgrenze schied*), Lothringen, das seinen Namen von dein Karolinger Lothar dem Zweiten bekommen hatte, als fünftes Herzogtum an Deutschland gefallen, desgleichen auch das Elsaß, das zum Herzogtum Schwaben kam. Schon 959 ward Lothringen in die Herzogtümer Nieder- und Ober¬ lothringen zerlegt. Da aber ersteres sich später in einer Reihe von reichs- unmittelbaren Kleinstaaten auflöste, so ging sein Name verloren**), und Ober- lothringen ward um schlechtweg Lothringen genannt. Seine Westgrenze lief non der Quelle der Maas an zunächst zwischen dieser und der Marne, dann zwischen letzterer und der Aisne fast bis Meziercs, die Nordgrenze ein wenig südlich von Bouillon und nördlich von Prüm bis Hammerstein bei Andernach, die Ostgrenze zunächst am Rhein fast bis Rüdesheim, dann über den Hnnsrück und die Vogesen bis etwas südlich von der Moselquelle, die Südgrenze von diesen: Punkt bis etwas nördlich der Saar- und der Maasquelle. Demnach umfaßte das Herzogtum Lothringen im späteren Sinne (Oberlothringen oder Herzogtum an der Mosel) das heutige deutsche und französische Lothringen, die südwestliche Rheinpfalz bis Pirmasens, das südliche Drittel der Rheinprovinz, sowie das Herzogtum und das belgische Luxemburg, abgesehen von dem nörd¬ lichen Viertel. Aber die Hohenstaufen lösten von Lothringen die Grafschaft Luxemburg los und das östlich davon gelegene Gebiet, das zu Kurtrier kam; im vierzehnten Jahrhundert waren auch Metz, Toul und Verdun und deren Umgebung reichsunmittelbar geworden, sodaß Lothringens Macht sehr geschwächt war. Dazu kam, daß in diesem hochdeutsch sprechenden Lande der Adel seit dem zwölften Jahrhundert immer mehr die französische Sprache annahm; so änderte er den hochdeutschen Namen Lützelburg ---- kleine Burg in die französische Doch kam alles Land westlich der Scheide an Frankreich, wiewohl vlämisch, also nieder¬ deutsch, noch jetzt in Belgisch-Flandern durchweg und in den, französischen Flandern sowie Artrecht (Artois) von 1ö0 000 Seelen gesprochen wird, während schon damals in Westloihringen eine Minderheit wallonisch oder französisch sprach. Vergl. hier 74. Jahrg. Ur. 39 S. 411. **) Vergleiche hier 74. Jahrgang der Grenzboten Ur. 6 S. 171—172. „Die Stellung Belgiens zum alten Reiche" von C. Bornhak.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_329665/167>, abgerufen am 30.04.2024.