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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr.

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Aönig Nikola von Montenegro und seine Politik

über freiwillig bindenden Kulturstaates der Zukunft sein. Dann wird sich die
Freiheit des Volks- und Staatsganzen, die in kultureller Nutzbarmachung aller
materiellen und geistigen Güter der Menschheit für das Ganze besteht, zur
Völker-Freiheit erweitern, und ein Schritt weiter auf dem Wege der Menschheit
gegangen sein.

"Noch blendet uns der neue Tag". -- Die Vorsehung aber, die uns im
Völkerkrieg das Schwert geführt hat, wird uns auch Hammer und Meißel in
die Hand geben, das Völkerrecht der Zukunft auf- und auszubauen. Noch
stehen die Grundmauern des Völkerrechts; der Weltkrieg hat sie nicht zerstört,
im Gegenteil: er hat sie neu gefestigt.

Ich möchte das Völkerrecht einer gewaltigen Eiche vergleichen, unter deren
schützenden Blätterdach die Völker des Erdballs ruhig und sicher wohnen oder
wohnen sollten. Gar arg zerzaust worden sind im Völkerkriege Blätter und
Äste. Wir aber denken an das stolze Horazwort: LxAZitant kronäes immoto
stipite voulu3. Mag der Sturmwind die Blätter zerzausen, -- der Stamm
bleibt unbewegt.




Aönig Nikola von Montenegro und seine Politik
von Spiridion Goxcevic

^ as große Tagesereignis ist die bedingungslose Unterwerfung
Montenegros, verbunden mit der rätselhaften Flucht des Kömgs
Nikola*) nach Frankreich. Nicht als ob dies in militärischer Be-
Ziehung viel bedeutet hätte. Die 40 000 Montenegriner spielten
im Weltkrieg keine Rolle und auch die 100 000 Österreicher, welche
jetzt für andere Zwecke frei werden, kommen angesichts der vielen Millionen,
die unter Waffen stehen, nicht allzu sehr in Betracht. Die Bedeutung des Er-
eignisses liegt nur auf politischem Gebiete. Denn wenn König Nikola seine
Zustimmung zum Niederlegen der Waffen gab, statt sich nach Albanien zurück¬
zuziehen und dort den nutzlosen Kampf weiterzuführen -- so wie dies die stets



*) So heißt der König und nicht, wie alle deutschen Zeitungen mit unverständlicher
Hartnäckigkeit schreiben, "nitida" -- ein Wort, das garnichts bedeutet und auf einem bereits
bor einem halben Jahrhundert in ein Wiener Blatt eingeschlichenen Druckfehler beruht. Ich
habe das schon vor mehr als 40 Jahren in Wiener Blättern und dann in meinem Erstlings¬
werke "Montenegro und die Montenegriner" erklärt und damals hatte es auch den Erfolg,
daß alle Wiener Blätter "Nikola" oder "Nikolaus" schrieben. Daß jetzt wieder jener lächerliche
Name auftritt und nicht auszurotten ist, erscheint unverständlich. Aber Tatsache ist, daß ich
sogar in Zeitungen, welche meine diesbezügliche durch die "Oktav-Korrespondenz" an viele
hundert Blätter übermittelte Aufklärung abdrückten, in derselben Nummer den alten Fehler fand!
Aönig Nikola von Montenegro und seine Politik

über freiwillig bindenden Kulturstaates der Zukunft sein. Dann wird sich die
Freiheit des Volks- und Staatsganzen, die in kultureller Nutzbarmachung aller
materiellen und geistigen Güter der Menschheit für das Ganze besteht, zur
Völker-Freiheit erweitern, und ein Schritt weiter auf dem Wege der Menschheit
gegangen sein.

„Noch blendet uns der neue Tag". — Die Vorsehung aber, die uns im
Völkerkrieg das Schwert geführt hat, wird uns auch Hammer und Meißel in
die Hand geben, das Völkerrecht der Zukunft auf- und auszubauen. Noch
stehen die Grundmauern des Völkerrechts; der Weltkrieg hat sie nicht zerstört,
im Gegenteil: er hat sie neu gefestigt.

Ich möchte das Völkerrecht einer gewaltigen Eiche vergleichen, unter deren
schützenden Blätterdach die Völker des Erdballs ruhig und sicher wohnen oder
wohnen sollten. Gar arg zerzaust worden sind im Völkerkriege Blätter und
Äste. Wir aber denken an das stolze Horazwort: LxAZitant kronäes immoto
stipite voulu3. Mag der Sturmwind die Blätter zerzausen, — der Stamm
bleibt unbewegt.




Aönig Nikola von Montenegro und seine Politik
von Spiridion Goxcevic

^ as große Tagesereignis ist die bedingungslose Unterwerfung
Montenegros, verbunden mit der rätselhaften Flucht des Kömgs
Nikola*) nach Frankreich. Nicht als ob dies in militärischer Be-
Ziehung viel bedeutet hätte. Die 40 000 Montenegriner spielten
im Weltkrieg keine Rolle und auch die 100 000 Österreicher, welche
jetzt für andere Zwecke frei werden, kommen angesichts der vielen Millionen,
die unter Waffen stehen, nicht allzu sehr in Betracht. Die Bedeutung des Er-
eignisses liegt nur auf politischem Gebiete. Denn wenn König Nikola seine
Zustimmung zum Niederlegen der Waffen gab, statt sich nach Albanien zurück¬
zuziehen und dort den nutzlosen Kampf weiterzuführen — so wie dies die stets



*) So heißt der König und nicht, wie alle deutschen Zeitungen mit unverständlicher
Hartnäckigkeit schreiben, „nitida" — ein Wort, das garnichts bedeutet und auf einem bereits
bor einem halben Jahrhundert in ein Wiener Blatt eingeschlichenen Druckfehler beruht. Ich
habe das schon vor mehr als 40 Jahren in Wiener Blättern und dann in meinem Erstlings¬
werke „Montenegro und die Montenegriner" erklärt und damals hatte es auch den Erfolg,
daß alle Wiener Blätter „Nikola" oder „Nikolaus" schrieben. Daß jetzt wieder jener lächerliche
Name auftritt und nicht auszurotten ist, erscheint unverständlich. Aber Tatsache ist, daß ich
sogar in Zeitungen, welche meine diesbezügliche durch die „Oktav-Korrespondenz" an viele
hundert Blätter übermittelte Aufklärung abdrückten, in derselben Nummer den alten Fehler fand!
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[0192] Aönig Nikola von Montenegro und seine Politik über freiwillig bindenden Kulturstaates der Zukunft sein. Dann wird sich die Freiheit des Volks- und Staatsganzen, die in kultureller Nutzbarmachung aller materiellen und geistigen Güter der Menschheit für das Ganze besteht, zur Völker-Freiheit erweitern, und ein Schritt weiter auf dem Wege der Menschheit gegangen sein. „Noch blendet uns der neue Tag". — Die Vorsehung aber, die uns im Völkerkrieg das Schwert geführt hat, wird uns auch Hammer und Meißel in die Hand geben, das Völkerrecht der Zukunft auf- und auszubauen. Noch stehen die Grundmauern des Völkerrechts; der Weltkrieg hat sie nicht zerstört, im Gegenteil: er hat sie neu gefestigt. Ich möchte das Völkerrecht einer gewaltigen Eiche vergleichen, unter deren schützenden Blätterdach die Völker des Erdballs ruhig und sicher wohnen oder wohnen sollten. Gar arg zerzaust worden sind im Völkerkriege Blätter und Äste. Wir aber denken an das stolze Horazwort: LxAZitant kronäes immoto stipite voulu3. Mag der Sturmwind die Blätter zerzausen, — der Stamm bleibt unbewegt. Aönig Nikola von Montenegro und seine Politik von Spiridion Goxcevic ^ as große Tagesereignis ist die bedingungslose Unterwerfung Montenegros, verbunden mit der rätselhaften Flucht des Kömgs Nikola*) nach Frankreich. Nicht als ob dies in militärischer Be- Ziehung viel bedeutet hätte. Die 40 000 Montenegriner spielten im Weltkrieg keine Rolle und auch die 100 000 Österreicher, welche jetzt für andere Zwecke frei werden, kommen angesichts der vielen Millionen, die unter Waffen stehen, nicht allzu sehr in Betracht. Die Bedeutung des Er- eignisses liegt nur auf politischem Gebiete. Denn wenn König Nikola seine Zustimmung zum Niederlegen der Waffen gab, statt sich nach Albanien zurück¬ zuziehen und dort den nutzlosen Kampf weiterzuführen — so wie dies die stets *) So heißt der König und nicht, wie alle deutschen Zeitungen mit unverständlicher Hartnäckigkeit schreiben, „nitida" — ein Wort, das garnichts bedeutet und auf einem bereits bor einem halben Jahrhundert in ein Wiener Blatt eingeschlichenen Druckfehler beruht. Ich habe das schon vor mehr als 40 Jahren in Wiener Blättern und dann in meinem Erstlings¬ werke „Montenegro und die Montenegriner" erklärt und damals hatte es auch den Erfolg, daß alle Wiener Blätter „Nikola" oder „Nikolaus" schrieben. Daß jetzt wieder jener lächerliche Name auftritt und nicht auszurotten ist, erscheint unverständlich. Aber Tatsache ist, daß ich sogar in Zeitungen, welche meine diesbezügliche durch die „Oktav-Korrespondenz" an viele hundert Blätter übermittelte Aufklärung abdrückten, in derselben Nummer den alten Fehler fand!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_329665/192>, abgerufen am 30.04.2024.