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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr.

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Andrassy und die österreichisch-ungarische Ocientpolitik

der Schiffahrt -- die Holland-Amerika-Linie kann beispielsweise ihre gesamte
Flotte aus den Kriegsgewinnen abschreiben --, sehr danieder. Aber auch die
Unternehmerschaft aller übrigen neutralen Länder Europas hat mehr oder
weniger ihre Sorgen. So bereiten beispielsweise die seitens der italienischen
und französischen Regierung der Schweiz betreffs der Ein- und Ausfuhr ge¬
machten Schwierigkeiten der dortigen Industrie recht erhebliche Schwierigkeiten.

Diese Ausführungen genügen wohl für ein allgemeines Bild der Lage der
Unternehmerschaft in Europa. Jedenfalls lassen sie erkennen, daß Deutschlands
und seiner Verbündeten Unternehmer wohl unter der Wucht dieses ungeheuren
Krieges zu kämpfen haben, aber doch nicht schlechter gestellt sind, als diejenigen
in den gegnerischen Ländern.




Graf Julius Andrassy
und die österreichisch-ungarische Grientpolitik
von I. p. Buß

icht
^ erst mit seiner Ernennung zum Minister des Auswärtigen
(November 1871) war Julius Andrassy in die Sphäre der großen
welthistorischen Begebenheiten und in die hohe Schule der euro¬
päischen Politik und Diplomatie eingetreten. Denn er hatte schon
in den vorangegangenen Jahren in seiner Funktion als ungarischer
Ministerpräsident Gelegenheit gehabt, sein geniales Können und die Wesenheiten
seiner entschlossenen und großzügigen Individualität vor aller Welt darzutun.
Mit seiner ganzen Persönlichkeit, die in der Politik vollkommen auf das Realistische
hinzielte, war er im Jahre 1870 für die Neutralität im Deutsch-Französischen
Kriege eingetreten. Die Richtlinien seiner Politik waren immer die einer be¬
stimmten und lebenskräftigen Friedenspolitik. Solcherart war bereits sein zu
Beginn seiner Ministertätigkeit, in der er sich stets als Repräsentant der ge¬
samten Habsburgischen Monarchie fühlte, aufgestelltes Programm: "Die Vorteile,
die ein noch so glücklicher Krieg uns verschaffen könnte, würden nimmermehr
diejenigen aufwiegen, welche die fortschreitende Entfaltung einer Prosperität uns
eintragen würde, deren Aufschwung selbst durch eine Reihe innerer Krisen nicht
einen Augenblick aufgehalten würde."

Seine auswärtige Politik war vor allem durch die Voraussicht motiviert,
Rußland, das schon zu Beginn der siebziger Jahre in ständig zunehmender


Andrassy und die österreichisch-ungarische Ocientpolitik

der Schiffahrt — die Holland-Amerika-Linie kann beispielsweise ihre gesamte
Flotte aus den Kriegsgewinnen abschreiben —, sehr danieder. Aber auch die
Unternehmerschaft aller übrigen neutralen Länder Europas hat mehr oder
weniger ihre Sorgen. So bereiten beispielsweise die seitens der italienischen
und französischen Regierung der Schweiz betreffs der Ein- und Ausfuhr ge¬
machten Schwierigkeiten der dortigen Industrie recht erhebliche Schwierigkeiten.

Diese Ausführungen genügen wohl für ein allgemeines Bild der Lage der
Unternehmerschaft in Europa. Jedenfalls lassen sie erkennen, daß Deutschlands
und seiner Verbündeten Unternehmer wohl unter der Wucht dieses ungeheuren
Krieges zu kämpfen haben, aber doch nicht schlechter gestellt sind, als diejenigen
in den gegnerischen Ländern.




Graf Julius Andrassy
und die österreichisch-ungarische Grientpolitik
von I. p. Buß

icht
^ erst mit seiner Ernennung zum Minister des Auswärtigen
(November 1871) war Julius Andrassy in die Sphäre der großen
welthistorischen Begebenheiten und in die hohe Schule der euro¬
päischen Politik und Diplomatie eingetreten. Denn er hatte schon
in den vorangegangenen Jahren in seiner Funktion als ungarischer
Ministerpräsident Gelegenheit gehabt, sein geniales Können und die Wesenheiten
seiner entschlossenen und großzügigen Individualität vor aller Welt darzutun.
Mit seiner ganzen Persönlichkeit, die in der Politik vollkommen auf das Realistische
hinzielte, war er im Jahre 1870 für die Neutralität im Deutsch-Französischen
Kriege eingetreten. Die Richtlinien seiner Politik waren immer die einer be¬
stimmten und lebenskräftigen Friedenspolitik. Solcherart war bereits sein zu
Beginn seiner Ministertätigkeit, in der er sich stets als Repräsentant der ge¬
samten Habsburgischen Monarchie fühlte, aufgestelltes Programm: „Die Vorteile,
die ein noch so glücklicher Krieg uns verschaffen könnte, würden nimmermehr
diejenigen aufwiegen, welche die fortschreitende Entfaltung einer Prosperität uns
eintragen würde, deren Aufschwung selbst durch eine Reihe innerer Krisen nicht
einen Augenblick aufgehalten würde."

Seine auswärtige Politik war vor allem durch die Voraussicht motiviert,
Rußland, das schon zu Beginn der siebziger Jahre in ständig zunehmender


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[0286] Andrassy und die österreichisch-ungarische Ocientpolitik der Schiffahrt — die Holland-Amerika-Linie kann beispielsweise ihre gesamte Flotte aus den Kriegsgewinnen abschreiben —, sehr danieder. Aber auch die Unternehmerschaft aller übrigen neutralen Länder Europas hat mehr oder weniger ihre Sorgen. So bereiten beispielsweise die seitens der italienischen und französischen Regierung der Schweiz betreffs der Ein- und Ausfuhr ge¬ machten Schwierigkeiten der dortigen Industrie recht erhebliche Schwierigkeiten. Diese Ausführungen genügen wohl für ein allgemeines Bild der Lage der Unternehmerschaft in Europa. Jedenfalls lassen sie erkennen, daß Deutschlands und seiner Verbündeten Unternehmer wohl unter der Wucht dieses ungeheuren Krieges zu kämpfen haben, aber doch nicht schlechter gestellt sind, als diejenigen in den gegnerischen Ländern. Graf Julius Andrassy und die österreichisch-ungarische Grientpolitik von I. p. Buß icht ^ erst mit seiner Ernennung zum Minister des Auswärtigen (November 1871) war Julius Andrassy in die Sphäre der großen welthistorischen Begebenheiten und in die hohe Schule der euro¬ päischen Politik und Diplomatie eingetreten. Denn er hatte schon in den vorangegangenen Jahren in seiner Funktion als ungarischer Ministerpräsident Gelegenheit gehabt, sein geniales Können und die Wesenheiten seiner entschlossenen und großzügigen Individualität vor aller Welt darzutun. Mit seiner ganzen Persönlichkeit, die in der Politik vollkommen auf das Realistische hinzielte, war er im Jahre 1870 für die Neutralität im Deutsch-Französischen Kriege eingetreten. Die Richtlinien seiner Politik waren immer die einer be¬ stimmten und lebenskräftigen Friedenspolitik. Solcherart war bereits sein zu Beginn seiner Ministertätigkeit, in der er sich stets als Repräsentant der ge¬ samten Habsburgischen Monarchie fühlte, aufgestelltes Programm: „Die Vorteile, die ein noch so glücklicher Krieg uns verschaffen könnte, würden nimmermehr diejenigen aufwiegen, welche die fortschreitende Entfaltung einer Prosperität uns eintragen würde, deren Aufschwung selbst durch eine Reihe innerer Krisen nicht einen Augenblick aufgehalten würde." Seine auswärtige Politik war vor allem durch die Voraussicht motiviert, Rußland, das schon zu Beginn der siebziger Jahre in ständig zunehmender

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_329665/286>, abgerufen am 30.04.2024.