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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr.

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Die Ausgleichung der Familienlasten

Brüdern ins Gemüt zu reden, und diese Reise soll ausgezeichnete Folgen gehabt
haben. ,Jn London, Paris, Petersburg und Rom verkündet man gleicherweise
das nahe bevorstehende Ende des Militarismus der Zentralmächte. Die großen
Worte der Ententepresse dröhnen einem im Ohre. Aber es ist nicht das erste¬
mal, daß Deutschland und seinen Bundesgenossen der baldige Untergang
prophezeit wird und es ist zu erwarten, daß es auch diesmal bei den Illusionen
bleibt und so weiter geht, wie der Unionist Sir Mark Sykes neulich im Unter¬
hause sagte: "Wir debattieren und der Feind beschließt, wir untersuchen und
der Feind macht Pläne, wir sind erstaunt und der Feind handelt!"




Die Ausgleichung der Familienlasten als Grundlage
einer gerechten Besteuerung
von A. Jener, I. Staatsanwalt in Iweibrncken

n der Februarnummer von "Recht und Wissenschaft" hat Herr
Geheimrat Strutz mit schlagenden Gründen die Notwendigkeit
dargetan, bei der künftigen Gestaltung der Steuer weit stärker
als heute auf die Höhe der Familienlasten der Steuerpflichtigen
Rücksicht zu nehmen, anderseits aber davor gewarnt, sich von
der sogenannten Junggesellensteuer einen starken Einfluß auf die Hebung der
Volkszahl zu versprechen. Wenn ich trotz aller Übereinstimmung mit dieser
Auffassung auch noch die Aufmerksamkeit des Lesers erbitte, so geschieht es aus
einem doppelten Grunde: weil mir die Bevölkerungsfrage eine der wichtigsten
scheint, deren Lösung uns obliegt, und weil ich glaube, daß Strutz mit den
aus seinen Betrachtungen gezogenen Folgerungen lange nicht weit genug geht.

Wir sind darüber einig: Der ernsten Gefahr, in der Bevölkerungszahl
von den östlichen Nachbarn stark überflügelt zu werden, muß mit aller Kraft
entgegengetreten werden. Zum Ziele führt nicht ein einzelnes Mittel; fondern
alle die mancherlei Mittel, die wir kennen, müssen verbunden und nebenein¬
ander angewendet werden. Wenn aber die Hebung der Lebenshaltung und
damit die bedrohlich steigende Schwierigkeit, eine größere Familie aufzuziehen;
wenn die immer stärkere Verbreiterung der Kluft zwischen der Lebenshaltung des
Ehelosen, des Kinderlosen, der kinderreichen Familie mit Sicherheit als einer
der stärksten Gründe für den Geburtenrückgang anzusprechen ist, dann muß
eins der hauptsächlichsten Gegenmittel die Schaffung wirtschaftlicher Hilfen für
die kinderreichen Familien sein.


Die Ausgleichung der Familienlasten

Brüdern ins Gemüt zu reden, und diese Reise soll ausgezeichnete Folgen gehabt
haben. ,Jn London, Paris, Petersburg und Rom verkündet man gleicherweise
das nahe bevorstehende Ende des Militarismus der Zentralmächte. Die großen
Worte der Ententepresse dröhnen einem im Ohre. Aber es ist nicht das erste¬
mal, daß Deutschland und seinen Bundesgenossen der baldige Untergang
prophezeit wird und es ist zu erwarten, daß es auch diesmal bei den Illusionen
bleibt und so weiter geht, wie der Unionist Sir Mark Sykes neulich im Unter¬
hause sagte: „Wir debattieren und der Feind beschließt, wir untersuchen und
der Feind macht Pläne, wir sind erstaunt und der Feind handelt!"




Die Ausgleichung der Familienlasten als Grundlage
einer gerechten Besteuerung
von A. Jener, I. Staatsanwalt in Iweibrncken

n der Februarnummer von „Recht und Wissenschaft" hat Herr
Geheimrat Strutz mit schlagenden Gründen die Notwendigkeit
dargetan, bei der künftigen Gestaltung der Steuer weit stärker
als heute auf die Höhe der Familienlasten der Steuerpflichtigen
Rücksicht zu nehmen, anderseits aber davor gewarnt, sich von
der sogenannten Junggesellensteuer einen starken Einfluß auf die Hebung der
Volkszahl zu versprechen. Wenn ich trotz aller Übereinstimmung mit dieser
Auffassung auch noch die Aufmerksamkeit des Lesers erbitte, so geschieht es aus
einem doppelten Grunde: weil mir die Bevölkerungsfrage eine der wichtigsten
scheint, deren Lösung uns obliegt, und weil ich glaube, daß Strutz mit den
aus seinen Betrachtungen gezogenen Folgerungen lange nicht weit genug geht.

Wir sind darüber einig: Der ernsten Gefahr, in der Bevölkerungszahl
von den östlichen Nachbarn stark überflügelt zu werden, muß mit aller Kraft
entgegengetreten werden. Zum Ziele führt nicht ein einzelnes Mittel; fondern
alle die mancherlei Mittel, die wir kennen, müssen verbunden und nebenein¬
ander angewendet werden. Wenn aber die Hebung der Lebenshaltung und
damit die bedrohlich steigende Schwierigkeit, eine größere Familie aufzuziehen;
wenn die immer stärkere Verbreiterung der Kluft zwischen der Lebenshaltung des
Ehelosen, des Kinderlosen, der kinderreichen Familie mit Sicherheit als einer
der stärksten Gründe für den Geburtenrückgang anzusprechen ist, dann muß
eins der hauptsächlichsten Gegenmittel die Schaffung wirtschaftlicher Hilfen für
die kinderreichen Familien sein.


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[0316] Die Ausgleichung der Familienlasten Brüdern ins Gemüt zu reden, und diese Reise soll ausgezeichnete Folgen gehabt haben. ,Jn London, Paris, Petersburg und Rom verkündet man gleicherweise das nahe bevorstehende Ende des Militarismus der Zentralmächte. Die großen Worte der Ententepresse dröhnen einem im Ohre. Aber es ist nicht das erste¬ mal, daß Deutschland und seinen Bundesgenossen der baldige Untergang prophezeit wird und es ist zu erwarten, daß es auch diesmal bei den Illusionen bleibt und so weiter geht, wie der Unionist Sir Mark Sykes neulich im Unter¬ hause sagte: „Wir debattieren und der Feind beschließt, wir untersuchen und der Feind macht Pläne, wir sind erstaunt und der Feind handelt!" Die Ausgleichung der Familienlasten als Grundlage einer gerechten Besteuerung von A. Jener, I. Staatsanwalt in Iweibrncken n der Februarnummer von „Recht und Wissenschaft" hat Herr Geheimrat Strutz mit schlagenden Gründen die Notwendigkeit dargetan, bei der künftigen Gestaltung der Steuer weit stärker als heute auf die Höhe der Familienlasten der Steuerpflichtigen Rücksicht zu nehmen, anderseits aber davor gewarnt, sich von der sogenannten Junggesellensteuer einen starken Einfluß auf die Hebung der Volkszahl zu versprechen. Wenn ich trotz aller Übereinstimmung mit dieser Auffassung auch noch die Aufmerksamkeit des Lesers erbitte, so geschieht es aus einem doppelten Grunde: weil mir die Bevölkerungsfrage eine der wichtigsten scheint, deren Lösung uns obliegt, und weil ich glaube, daß Strutz mit den aus seinen Betrachtungen gezogenen Folgerungen lange nicht weit genug geht. Wir sind darüber einig: Der ernsten Gefahr, in der Bevölkerungszahl von den östlichen Nachbarn stark überflügelt zu werden, muß mit aller Kraft entgegengetreten werden. Zum Ziele führt nicht ein einzelnes Mittel; fondern alle die mancherlei Mittel, die wir kennen, müssen verbunden und nebenein¬ ander angewendet werden. Wenn aber die Hebung der Lebenshaltung und damit die bedrohlich steigende Schwierigkeit, eine größere Familie aufzuziehen; wenn die immer stärkere Verbreiterung der Kluft zwischen der Lebenshaltung des Ehelosen, des Kinderlosen, der kinderreichen Familie mit Sicherheit als einer der stärksten Gründe für den Geburtenrückgang anzusprechen ist, dann muß eins der hauptsächlichsten Gegenmittel die Schaffung wirtschaftlicher Hilfen für die kinderreichen Familien sein.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_329665/316>, abgerufen am 30.04.2024.