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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr.

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Die Mißgriffe der englischen Agrarpolitik
Lin Beitrag zu der englischen Frachtraumkrise
von Dr. G. Buetz

as kleine Portugal hat am 23. Februar dem Drängen Englands
nachgeben müssen und die fünfunddreißig in Portugiesischen Häfen
lagernden deutschell Handelsschiffe mit Beschlag belegt. Das Er¬
gebnis dieses Rechtsbruches besteht darin, daß England nunmehr
270000 Brutto-Registertonnen deutschen Schiffsraumes zur Ver¬
ringerung seiner Frachtraumkalamitäten zur Verfügung hat.

Die englische Frachtraumfrage hat sich in den letzten zwei Monaten von
einer rein wirtschaftlichen zu einer rein politischen Frage ausgewachsen. Das
Emporschnellen der Frachtkosten hat in Italien eine Friedenspartei entstehen
lassen und in Frankreich die vorhandene Nervosität noch um ein Erhebliches
gesteigert. Das italienische Volk ist sich bewußt geworden, daß es die Steigerung
seiner Brot- und Kohlenpreise in erster Linie der englischen Frachtoerteuerung zuzu¬
schreiben hat. Die Frachtkosten sind für italienische Importwaren von 7^ Schilling
Schiffsfracht auf 79 Schilling gestiegen. Man zahlt heute für die Tonne Kohle
von Cardiff nach Genua statt 8 Lire 80 Lire. Dergleichen Preise zeitigen ihre
besonderen Folgen. Die Frachtsätze, welche Frankreich zu notieren hat, sind
nicht minder absonderliche. Der Durchschnittsfrachtpreis stellt sich pro Tonne
auf 40 Fr., er beträgt augenblicklich für die Tonne von Cardiff oder Newcastle
nach Marseille 75 Fr., nach Bordeaux 68 Fr., nach Saint-Nazaire und Nantes
48 Fr. und nach Rouen 32 Fr. Mit den sonstigen Frachtspesen, als da sind
Lagergelder, Versicherung, Courtagekosten, beläuft sich der Durchschnittspreis
heute pro Tonne auf 80 Fr. In England selbst leidet man nicht weniger
empfindlich unter dem Mangel an Frachtraum. Nicht nur, daß man von der letzten
Ernte etwa 11 Millionen Zentner weniger vom Auslande einführen konnte als
in normalen Zeiten, und so bei dem gesteigerten Mehrverbrauche des Krieges


Grenzboten I 1916 2t


Die Mißgriffe der englischen Agrarpolitik
Lin Beitrag zu der englischen Frachtraumkrise
von Dr. G. Buetz

as kleine Portugal hat am 23. Februar dem Drängen Englands
nachgeben müssen und die fünfunddreißig in Portugiesischen Häfen
lagernden deutschell Handelsschiffe mit Beschlag belegt. Das Er¬
gebnis dieses Rechtsbruches besteht darin, daß England nunmehr
270000 Brutto-Registertonnen deutschen Schiffsraumes zur Ver¬
ringerung seiner Frachtraumkalamitäten zur Verfügung hat.

Die englische Frachtraumfrage hat sich in den letzten zwei Monaten von
einer rein wirtschaftlichen zu einer rein politischen Frage ausgewachsen. Das
Emporschnellen der Frachtkosten hat in Italien eine Friedenspartei entstehen
lassen und in Frankreich die vorhandene Nervosität noch um ein Erhebliches
gesteigert. Das italienische Volk ist sich bewußt geworden, daß es die Steigerung
seiner Brot- und Kohlenpreise in erster Linie der englischen Frachtoerteuerung zuzu¬
schreiben hat. Die Frachtkosten sind für italienische Importwaren von 7^ Schilling
Schiffsfracht auf 79 Schilling gestiegen. Man zahlt heute für die Tonne Kohle
von Cardiff nach Genua statt 8 Lire 80 Lire. Dergleichen Preise zeitigen ihre
besonderen Folgen. Die Frachtsätze, welche Frankreich zu notieren hat, sind
nicht minder absonderliche. Der Durchschnittsfrachtpreis stellt sich pro Tonne
auf 40 Fr., er beträgt augenblicklich für die Tonne von Cardiff oder Newcastle
nach Marseille 75 Fr., nach Bordeaux 68 Fr., nach Saint-Nazaire und Nantes
48 Fr. und nach Rouen 32 Fr. Mit den sonstigen Frachtspesen, als da sind
Lagergelder, Versicherung, Courtagekosten, beläuft sich der Durchschnittspreis
heute pro Tonne auf 80 Fr. In England selbst leidet man nicht weniger
empfindlich unter dem Mangel an Frachtraum. Nicht nur, daß man von der letzten
Ernte etwa 11 Millionen Zentner weniger vom Auslande einführen konnte als
in normalen Zeiten, und so bei dem gesteigerten Mehrverbrauche des Krieges


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[0333] [Abbildung] Die Mißgriffe der englischen Agrarpolitik Lin Beitrag zu der englischen Frachtraumkrise von Dr. G. Buetz as kleine Portugal hat am 23. Februar dem Drängen Englands nachgeben müssen und die fünfunddreißig in Portugiesischen Häfen lagernden deutschell Handelsschiffe mit Beschlag belegt. Das Er¬ gebnis dieses Rechtsbruches besteht darin, daß England nunmehr 270000 Brutto-Registertonnen deutschen Schiffsraumes zur Ver¬ ringerung seiner Frachtraumkalamitäten zur Verfügung hat. Die englische Frachtraumfrage hat sich in den letzten zwei Monaten von einer rein wirtschaftlichen zu einer rein politischen Frage ausgewachsen. Das Emporschnellen der Frachtkosten hat in Italien eine Friedenspartei entstehen lassen und in Frankreich die vorhandene Nervosität noch um ein Erhebliches gesteigert. Das italienische Volk ist sich bewußt geworden, daß es die Steigerung seiner Brot- und Kohlenpreise in erster Linie der englischen Frachtoerteuerung zuzu¬ schreiben hat. Die Frachtkosten sind für italienische Importwaren von 7^ Schilling Schiffsfracht auf 79 Schilling gestiegen. Man zahlt heute für die Tonne Kohle von Cardiff nach Genua statt 8 Lire 80 Lire. Dergleichen Preise zeitigen ihre besonderen Folgen. Die Frachtsätze, welche Frankreich zu notieren hat, sind nicht minder absonderliche. Der Durchschnittsfrachtpreis stellt sich pro Tonne auf 40 Fr., er beträgt augenblicklich für die Tonne von Cardiff oder Newcastle nach Marseille 75 Fr., nach Bordeaux 68 Fr., nach Saint-Nazaire und Nantes 48 Fr. und nach Rouen 32 Fr. Mit den sonstigen Frachtspesen, als da sind Lagergelder, Versicherung, Courtagekosten, beläuft sich der Durchschnittspreis heute pro Tonne auf 80 Fr. In England selbst leidet man nicht weniger empfindlich unter dem Mangel an Frachtraum. Nicht nur, daß man von der letzten Ernte etwa 11 Millionen Zentner weniger vom Auslande einführen konnte als in normalen Zeiten, und so bei dem gesteigerten Mehrverbrauche des Krieges Grenzboten I 1916 2t

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_329665/333>, abgerufen am 30.04.2024.