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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr.

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Johannes Jörgensen
von Dr. Al. xöffler

n dem Aufsatz "Der belgische Volkskrieg im Urteil der Neutralen"
in Ur. 8 dieser Zeitschrift erfahren wir die vielen von uns gewiß
noch unbekannte Neuigkeit, daß auch Johannes Jörgensen unter
die deutschfeindlichen Schriftsteller gegangen ist, die Deutschen für
den Abschaum der Erde erklärt und auffordert: "Haßt sie, haßt
sie!" Daß der betriebsame Däne in dem Kulturkrieg, der die Welt durchtobt,
das Wort nehmen würde, war zu erwarten. Denn wenn einer in "Wer ist's?"
mitteilen kann, daß er 1887 das erste, 1912 das 37. Buch herausgegeben hat,
so kann man von ihm nicht verlangen, daß er in dieser Zeit den Mund (oder
die Feder) hätt. Und daß er sich auf die Seite der Deutschenhasser geschlagen
hat, das ist offenbar -- ähnlich wie bei Karl Spitteler -- der Dank dafür, daß er
seit seinem Übertritt zum Katholizismus (am 16. Februar 1896, nachdem er bis
dahin dem dänischen Radikalismus angehört hatte), von den deutschen Katholiken
besonders bewundert, verehrt, übersetzt und gelesen worden ist. Von seinen
37 Schriften sind mindestens zwanzig von der Gräfin H. von Holstein-Ledreborg.
Johannes Mayrhofer und anderen übersetzt und von den namhaftesten katholischen
Verlegern, Herder in Freiburg, Kirchheim in Mainz, Kösel in Kempten, Alber
in Ravensburg usw. unter die Leute gebracht worden, zum Teil in zwei und
drei Auflagen. Die Leser aber sind nicht nur Katholiken gewesen. Wenigstens
schreibt Otto Hauser in der "Neuen Freien Presse" 1903 Ur. 14116: "So
überzeugt gläubig Jörgensen ist, so kann ihn auch der Ungläubigste mit gleicher
Erbauung lesen. Hier ist die Gläubigkeit zur Kunst geworden und wirkt als
solche; sie ist ein Instrument, auf dem der Dichter eben spielt, und wäre ein
anderer als Künstler ihm gleich, es würde unter dieses anderen Hand nicht
weniger schön klingen .... Da ist kein Flunkern mit Überschwänglichkeiten
eines Konvertiten, sondern eine so schlichte Innigkeit, daß man sich ihr ganz
hingibt wie einem Kunstwerk des Quattrocento". Ist es nicht rätselhaft, daß
dieser Geist des Quattrocento, der Mystik und des si. Franz. dem Jörgensen
eine in alle Kultursprachen übersetzte Biographie gewidmet hat, sich mit einem
so völlig kritik- und urteilslosen, man muß schon sagen blödsinnigen Völkerhaß
verträgt, wie wir ihn aus den von Gad gelieferten Proben kennen lernen?
Und dabei ist Jörgensen oft und gern in Deutschland gewesen. Von seinem
"Reisebuche", das Tagebuchnotizen über Nürnberg, Rothenburg, München,




Johannes Jörgensen
von Dr. Al. xöffler

n dem Aufsatz „Der belgische Volkskrieg im Urteil der Neutralen"
in Ur. 8 dieser Zeitschrift erfahren wir die vielen von uns gewiß
noch unbekannte Neuigkeit, daß auch Johannes Jörgensen unter
die deutschfeindlichen Schriftsteller gegangen ist, die Deutschen für
den Abschaum der Erde erklärt und auffordert: „Haßt sie, haßt
sie!" Daß der betriebsame Däne in dem Kulturkrieg, der die Welt durchtobt,
das Wort nehmen würde, war zu erwarten. Denn wenn einer in „Wer ist's?"
mitteilen kann, daß er 1887 das erste, 1912 das 37. Buch herausgegeben hat,
so kann man von ihm nicht verlangen, daß er in dieser Zeit den Mund (oder
die Feder) hätt. Und daß er sich auf die Seite der Deutschenhasser geschlagen
hat, das ist offenbar — ähnlich wie bei Karl Spitteler — der Dank dafür, daß er
seit seinem Übertritt zum Katholizismus (am 16. Februar 1896, nachdem er bis
dahin dem dänischen Radikalismus angehört hatte), von den deutschen Katholiken
besonders bewundert, verehrt, übersetzt und gelesen worden ist. Von seinen
37 Schriften sind mindestens zwanzig von der Gräfin H. von Holstein-Ledreborg.
Johannes Mayrhofer und anderen übersetzt und von den namhaftesten katholischen
Verlegern, Herder in Freiburg, Kirchheim in Mainz, Kösel in Kempten, Alber
in Ravensburg usw. unter die Leute gebracht worden, zum Teil in zwei und
drei Auflagen. Die Leser aber sind nicht nur Katholiken gewesen. Wenigstens
schreibt Otto Hauser in der „Neuen Freien Presse" 1903 Ur. 14116: „So
überzeugt gläubig Jörgensen ist, so kann ihn auch der Ungläubigste mit gleicher
Erbauung lesen. Hier ist die Gläubigkeit zur Kunst geworden und wirkt als
solche; sie ist ein Instrument, auf dem der Dichter eben spielt, und wäre ein
anderer als Künstler ihm gleich, es würde unter dieses anderen Hand nicht
weniger schön klingen .... Da ist kein Flunkern mit Überschwänglichkeiten
eines Konvertiten, sondern eine so schlichte Innigkeit, daß man sich ihr ganz
hingibt wie einem Kunstwerk des Quattrocento". Ist es nicht rätselhaft, daß
dieser Geist des Quattrocento, der Mystik und des si. Franz. dem Jörgensen
eine in alle Kultursprachen übersetzte Biographie gewidmet hat, sich mit einem
so völlig kritik- und urteilslosen, man muß schon sagen blödsinnigen Völkerhaß
verträgt, wie wir ihn aus den von Gad gelieferten Proben kennen lernen?
Und dabei ist Jörgensen oft und gern in Deutschland gewesen. Von seinem
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[0395] [Abbildung] Johannes Jörgensen von Dr. Al. xöffler n dem Aufsatz „Der belgische Volkskrieg im Urteil der Neutralen" in Ur. 8 dieser Zeitschrift erfahren wir die vielen von uns gewiß noch unbekannte Neuigkeit, daß auch Johannes Jörgensen unter die deutschfeindlichen Schriftsteller gegangen ist, die Deutschen für den Abschaum der Erde erklärt und auffordert: „Haßt sie, haßt sie!" Daß der betriebsame Däne in dem Kulturkrieg, der die Welt durchtobt, das Wort nehmen würde, war zu erwarten. Denn wenn einer in „Wer ist's?" mitteilen kann, daß er 1887 das erste, 1912 das 37. Buch herausgegeben hat, so kann man von ihm nicht verlangen, daß er in dieser Zeit den Mund (oder die Feder) hätt. Und daß er sich auf die Seite der Deutschenhasser geschlagen hat, das ist offenbar — ähnlich wie bei Karl Spitteler — der Dank dafür, daß er seit seinem Übertritt zum Katholizismus (am 16. Februar 1896, nachdem er bis dahin dem dänischen Radikalismus angehört hatte), von den deutschen Katholiken besonders bewundert, verehrt, übersetzt und gelesen worden ist. Von seinen 37 Schriften sind mindestens zwanzig von der Gräfin H. von Holstein-Ledreborg. Johannes Mayrhofer und anderen übersetzt und von den namhaftesten katholischen Verlegern, Herder in Freiburg, Kirchheim in Mainz, Kösel in Kempten, Alber in Ravensburg usw. unter die Leute gebracht worden, zum Teil in zwei und drei Auflagen. Die Leser aber sind nicht nur Katholiken gewesen. Wenigstens schreibt Otto Hauser in der „Neuen Freien Presse" 1903 Ur. 14116: „So überzeugt gläubig Jörgensen ist, so kann ihn auch der Ungläubigste mit gleicher Erbauung lesen. Hier ist die Gläubigkeit zur Kunst geworden und wirkt als solche; sie ist ein Instrument, auf dem der Dichter eben spielt, und wäre ein anderer als Künstler ihm gleich, es würde unter dieses anderen Hand nicht weniger schön klingen .... Da ist kein Flunkern mit Überschwänglichkeiten eines Konvertiten, sondern eine so schlichte Innigkeit, daß man sich ihr ganz hingibt wie einem Kunstwerk des Quattrocento". Ist es nicht rätselhaft, daß dieser Geist des Quattrocento, der Mystik und des si. Franz. dem Jörgensen eine in alle Kultursprachen übersetzte Biographie gewidmet hat, sich mit einem so völlig kritik- und urteilslosen, man muß schon sagen blödsinnigen Völkerhaß verträgt, wie wir ihn aus den von Gad gelieferten Proben kennen lernen? Und dabei ist Jörgensen oft und gern in Deutschland gewesen. Von seinem „Reisebuche", das Tagebuchnotizen über Nürnberg, Rothenburg, München,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_329665/395>, abgerufen am 30.04.2024.