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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr.

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Der Wiederaufbau Ostpreußens
als wirtschaftspolitisches und kulturelles Hiedlungs-
problem
von Baurat Kurt Hager, z. Zt. Bürgermeister der Kreisstadt praschnitz (Polen)

or Jahresfrist wurden hier schon die Grundzüge besprochen, die
für den Wiederaufbau Ostpreußens maßgebend sein konnten und
es wurde dabei auch der vorbereitenden Aufgaben der Kriegshilfs¬
kommission gedacht.*)

Inzwischen ist die Arbeit der Kriegshilfskommission aus dem
Stadium der tastenden Versuche herausgetreten. Man ist auf einem Gebiete
staatlicher Verwaltungskunst, für das jedes Vorbild in der Geschichte fehlt, zu
positiven Ergebnissen gelangt. Die Kriegshilfskommission hat in Verbindung
mit den Ressortministerien in einem Jahre angestrengtester Arbeit die Grund¬
lagen geschaffen, auf denen das wirtschaftliche Leben vor völligem Niedergang be¬
wahrt, ja sogar soweit gestützt wurde, um sich weiter gedeihlich entwickeln zu können.

Dies wurde zunächst und in erster Linie durch die vorläufige Ermittlung
von Kriegsschäden und die Vorentschädigung in den durch den Krieg unmittelbar
berührten Landesteilen erreicht, die durch die Ministerialverordnung vom
18. Januar 1915 geregelt ist. Aus den für die Vorentschädigung bereit ge¬
stellten Mitteln dürfen bestritten werden: Anschaffungen zur Fortführung des
Haushaltes, des landwirtschaftlichen oder gewerblichen Betriebes, Regelung der
Schuldverbindlichkeiten, Zinszahlungen und Abgaben, schließlich Brand- und
Trümmerschäden an Gebäuden, sowie an beweglichen Sachen. Nach dem Kriege
soll durch ein Reichsgesetz, an dessen Vorbereitung jetzt schon die Kriegshilfs¬
ausschüsse arbeiten, die einheitliche und endgültige Regelung der Schäden¬
festsetzungen erfolgen.

Aber bei dem Grundsatze, daß jedem Geschädigten die ihm gebührende
Hilfe zuteil wurde, sollte man es nicht bewenden lassen. Vielmehr sollte die
Weiterentwicklung unter dem Zeichen des Fortschrittes vor sich gehen und von
dem Gedanken getragen sein, daß die Leistungen des Staates nicht als Geschenk,
sondern unter gewissen Gegenleistungen, die auf wirtschaftspolitischen und
kulturellen Gebieten liegen, gegeben werden. Hier setzen nun die Matznahmen



") Bergl. den Aufsatz "Grundzüge für den Wiederaufbau Ostpreußens" von A. G. Jaeger
in Heft 4 des Jahres 1916.


Der Wiederaufbau Ostpreußens
als wirtschaftspolitisches und kulturelles Hiedlungs-
problem
von Baurat Kurt Hager, z. Zt. Bürgermeister der Kreisstadt praschnitz (Polen)

or Jahresfrist wurden hier schon die Grundzüge besprochen, die
für den Wiederaufbau Ostpreußens maßgebend sein konnten und
es wurde dabei auch der vorbereitenden Aufgaben der Kriegshilfs¬
kommission gedacht.*)

Inzwischen ist die Arbeit der Kriegshilfskommission aus dem
Stadium der tastenden Versuche herausgetreten. Man ist auf einem Gebiete
staatlicher Verwaltungskunst, für das jedes Vorbild in der Geschichte fehlt, zu
positiven Ergebnissen gelangt. Die Kriegshilfskommission hat in Verbindung
mit den Ressortministerien in einem Jahre angestrengtester Arbeit die Grund¬
lagen geschaffen, auf denen das wirtschaftliche Leben vor völligem Niedergang be¬
wahrt, ja sogar soweit gestützt wurde, um sich weiter gedeihlich entwickeln zu können.

Dies wurde zunächst und in erster Linie durch die vorläufige Ermittlung
von Kriegsschäden und die Vorentschädigung in den durch den Krieg unmittelbar
berührten Landesteilen erreicht, die durch die Ministerialverordnung vom
18. Januar 1915 geregelt ist. Aus den für die Vorentschädigung bereit ge¬
stellten Mitteln dürfen bestritten werden: Anschaffungen zur Fortführung des
Haushaltes, des landwirtschaftlichen oder gewerblichen Betriebes, Regelung der
Schuldverbindlichkeiten, Zinszahlungen und Abgaben, schließlich Brand- und
Trümmerschäden an Gebäuden, sowie an beweglichen Sachen. Nach dem Kriege
soll durch ein Reichsgesetz, an dessen Vorbereitung jetzt schon die Kriegshilfs¬
ausschüsse arbeiten, die einheitliche und endgültige Regelung der Schäden¬
festsetzungen erfolgen.

Aber bei dem Grundsatze, daß jedem Geschädigten die ihm gebührende
Hilfe zuteil wurde, sollte man es nicht bewenden lassen. Vielmehr sollte die
Weiterentwicklung unter dem Zeichen des Fortschrittes vor sich gehen und von
dem Gedanken getragen sein, daß die Leistungen des Staates nicht als Geschenk,
sondern unter gewissen Gegenleistungen, die auf wirtschaftspolitischen und
kulturellen Gebieten liegen, gegeben werden. Hier setzen nun die Matznahmen



") Bergl. den Aufsatz „Grundzüge für den Wiederaufbau Ostpreußens" von A. G. Jaeger
in Heft 4 des Jahres 1916.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_329665/403>, abgerufen am 30.04.2024.