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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr.

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Lriedensziele der Elektrotechnik

Notwendigkeit, durch Belgien durchzumarschieren, in der Schweiz zuerst die
Empfindung auflöste: Wenn der Satz "Not kennt kein Gebot" seine Anwendung
auf die Schweiz verlangen würde, hätte die Schweiz dasselbe Schicksal erfahren
wie Belgien. So gibt Wernle dem Empfinden seines Vaterlandes Ausdruck:
"Wir denken in der deutschen Schweiz nicht daran, die Verletzung der belgischen
Neutralität durch Deutschland zu rechtfertigen, wir haben dazu gar keinen
Grund". Sämtliche Versuche, die wir gemacht haben, Z ser Vorgehen zu recht¬
fertigen, sind in der Schweiz wohlbekannt. Sie haben nicht vermocht, in einem
Lande Eindruck zu machen, dessen äußere Politik, ja nationale Existenz auf das
Neutralitätsprinzip gegründet ist. Ja, eine Zeitlang waren die Augen mancher
Schweizer so ausschließlich auf Belgien gerichtet, daß es scheinen konnte, als
drehe sich der ganze Weltkrieg um die belgische Neutralität. Bei Wernle finden
wir wenigstens einen Versuch, die Verletzung der Neutralität "einigermaßen
nach dem Grundsatz der Billigkeit zu verstehen" (Seite 23). Er findet es zwar
sehr ideal, wenn man sagt: "Lieber ehrenvoll untergehen, als Bruch eines ge>
schriebeneu Vertrages". Aber ob das mehr als Worte sind, ob irgend ein
Staat anders gehandelt hätte, ob Frankreich oder England es anders gemacht
hätten, bezweifelt er mit Recht. Inzwischen ist nun Griechenlands Neutralität
ohne Not von England und Frankreich verletzt. Diese Tatsachen haben auch
n der Schweiz ihren Eindruck nicht verfehlt. (Schluß folgt.)




Friedensziele der Elektrotechnik
von Gberingenieur Lajos Steiner

le Erörterung dieser Frage wird wohl manchem als verfrüht, den
Ereignissen weit vorauseilend, erscheinen. Sie werden sich an der
Bezeichnung Friedensziele stoßen und werden sie inmitten des
Weltkrieges als wenig zeitgemäß empfinden. Wenn auch die Er¬
wähnung des Friedens im allgemeinen von unseren redegewandten
Feinden als Schwäche gedeutet werden könnte, welcher Auslegung zum Glück
die Tatsachen widersprechen, so darf man im besonderen auf dem Gebiete der
Industrie getrost von Friedenszielen sprechen, ja man muß sogar darüber reden.

In der Nummer47d.J. 1916 der "Grenzboten" habe ich die Aufgaben gestreift,
die der elektrischen Industrie durch den Krieg erwachsen sind, und auf die mannig¬
fachen Schwierigkeiten hingewiesen, die sie wegen der leidigen Rohstoffrage zu


Lriedensziele der Elektrotechnik

Notwendigkeit, durch Belgien durchzumarschieren, in der Schweiz zuerst die
Empfindung auflöste: Wenn der Satz „Not kennt kein Gebot" seine Anwendung
auf die Schweiz verlangen würde, hätte die Schweiz dasselbe Schicksal erfahren
wie Belgien. So gibt Wernle dem Empfinden seines Vaterlandes Ausdruck:
„Wir denken in der deutschen Schweiz nicht daran, die Verletzung der belgischen
Neutralität durch Deutschland zu rechtfertigen, wir haben dazu gar keinen
Grund". Sämtliche Versuche, die wir gemacht haben, Z ser Vorgehen zu recht¬
fertigen, sind in der Schweiz wohlbekannt. Sie haben nicht vermocht, in einem
Lande Eindruck zu machen, dessen äußere Politik, ja nationale Existenz auf das
Neutralitätsprinzip gegründet ist. Ja, eine Zeitlang waren die Augen mancher
Schweizer so ausschließlich auf Belgien gerichtet, daß es scheinen konnte, als
drehe sich der ganze Weltkrieg um die belgische Neutralität. Bei Wernle finden
wir wenigstens einen Versuch, die Verletzung der Neutralität „einigermaßen
nach dem Grundsatz der Billigkeit zu verstehen" (Seite 23). Er findet es zwar
sehr ideal, wenn man sagt: „Lieber ehrenvoll untergehen, als Bruch eines ge>
schriebeneu Vertrages". Aber ob das mehr als Worte sind, ob irgend ein
Staat anders gehandelt hätte, ob Frankreich oder England es anders gemacht
hätten, bezweifelt er mit Recht. Inzwischen ist nun Griechenlands Neutralität
ohne Not von England und Frankreich verletzt. Diese Tatsachen haben auch
n der Schweiz ihren Eindruck nicht verfehlt. (Schluß folgt.)




Friedensziele der Elektrotechnik
von Gberingenieur Lajos Steiner

le Erörterung dieser Frage wird wohl manchem als verfrüht, den
Ereignissen weit vorauseilend, erscheinen. Sie werden sich an der
Bezeichnung Friedensziele stoßen und werden sie inmitten des
Weltkrieges als wenig zeitgemäß empfinden. Wenn auch die Er¬
wähnung des Friedens im allgemeinen von unseren redegewandten
Feinden als Schwäche gedeutet werden könnte, welcher Auslegung zum Glück
die Tatsachen widersprechen, so darf man im besonderen auf dem Gebiete der
Industrie getrost von Friedenszielen sprechen, ja man muß sogar darüber reden.

In der Nummer47d.J. 1916 der „Grenzboten" habe ich die Aufgaben gestreift,
die der elektrischen Industrie durch den Krieg erwachsen sind, und auf die mannig¬
fachen Schwierigkeiten hingewiesen, die sie wegen der leidigen Rohstoffrage zu


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[0059] Lriedensziele der Elektrotechnik Notwendigkeit, durch Belgien durchzumarschieren, in der Schweiz zuerst die Empfindung auflöste: Wenn der Satz „Not kennt kein Gebot" seine Anwendung auf die Schweiz verlangen würde, hätte die Schweiz dasselbe Schicksal erfahren wie Belgien. So gibt Wernle dem Empfinden seines Vaterlandes Ausdruck: „Wir denken in der deutschen Schweiz nicht daran, die Verletzung der belgischen Neutralität durch Deutschland zu rechtfertigen, wir haben dazu gar keinen Grund". Sämtliche Versuche, die wir gemacht haben, Z ser Vorgehen zu recht¬ fertigen, sind in der Schweiz wohlbekannt. Sie haben nicht vermocht, in einem Lande Eindruck zu machen, dessen äußere Politik, ja nationale Existenz auf das Neutralitätsprinzip gegründet ist. Ja, eine Zeitlang waren die Augen mancher Schweizer so ausschließlich auf Belgien gerichtet, daß es scheinen konnte, als drehe sich der ganze Weltkrieg um die belgische Neutralität. Bei Wernle finden wir wenigstens einen Versuch, die Verletzung der Neutralität „einigermaßen nach dem Grundsatz der Billigkeit zu verstehen" (Seite 23). Er findet es zwar sehr ideal, wenn man sagt: „Lieber ehrenvoll untergehen, als Bruch eines ge> schriebeneu Vertrages". Aber ob das mehr als Worte sind, ob irgend ein Staat anders gehandelt hätte, ob Frankreich oder England es anders gemacht hätten, bezweifelt er mit Recht. Inzwischen ist nun Griechenlands Neutralität ohne Not von England und Frankreich verletzt. Diese Tatsachen haben auch n der Schweiz ihren Eindruck nicht verfehlt. (Schluß folgt.) Friedensziele der Elektrotechnik von Gberingenieur Lajos Steiner le Erörterung dieser Frage wird wohl manchem als verfrüht, den Ereignissen weit vorauseilend, erscheinen. Sie werden sich an der Bezeichnung Friedensziele stoßen und werden sie inmitten des Weltkrieges als wenig zeitgemäß empfinden. Wenn auch die Er¬ wähnung des Friedens im allgemeinen von unseren redegewandten Feinden als Schwäche gedeutet werden könnte, welcher Auslegung zum Glück die Tatsachen widersprechen, so darf man im besonderen auf dem Gebiete der Industrie getrost von Friedenszielen sprechen, ja man muß sogar darüber reden. In der Nummer47d.J. 1916 der „Grenzboten" habe ich die Aufgaben gestreift, die der elektrischen Industrie durch den Krieg erwachsen sind, und auf die mannig¬ fachen Schwierigkeiten hingewiesen, die sie wegen der leidigen Rohstoffrage zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_329665/59>, abgerufen am 30.04.2024.