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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]
Geschichte

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samkeit gegeben. Denn nun wird dieses Buch
im wahrhaften Sinn ein Werk der Pietät.
Und eine solche Übersicht der dynastisch-
bedeutungsvollen Stätten mag für die deutschen
Könige bedeutender sein als für französische
und englische: denn sie bleibt nicht innerhalb
der Grenzen des jetzigen Staates. Viel¬
mehr zeigt sie, wie Deutschland in Zeiten
besonderer Macht weit ausgespannt war, wie
es zeitweilig als Kernbesitz noch Österreich,
die Niederlande, Belgien, die Schweiz, Teile
Italiens, das französische Lothringen, die
I^rancns-Lomtö, Lyon, Spanien und Ungarn
umfaßte.

So gibt dieses Buch, das eigentlich nichts
anderes als eine chronologische Aneinander¬
reihung der historischen Orte unternimmt,
viel mehr, als in seinem engeren Zweck liegt:
es gibt eine Geschichte des Deutschen Reiches
selbst. Man könnte beinahe sagen, daß die
Lage der Geburth- und Grabstätten die Ten¬
denz der Politik angäbe. Am Beginn der
Wanderung steht die Grabstätte Karls des
Großen, Aachen, das gleichsam zwischen Deutsch¬
land und Frankreich liegt und seinen Dom
nach itlllienisch-ravennatischen Muster gebaut
hat. Also ein Signum der internationalen
Herrschaft, die dieser Kaiser ausgeübt hat,
der aus dem Fränkischen stammte, die deutschen
Stämme unterwarf und in Rom zum Im¬
perator gekrönt wurde. Diese Weltpolitik,
mehr oder minder von seinen Nachfahren
traditionell ausgeübt, wandelt sich unter den
Ottonen zu einer ausgesprochen italienischen:
und so wird Otto der Zweite in der Peters¬
kirche zu Rom begraben, und Otto der Dritte
stirbt auf der Burg Paterno bei Liona
Lastelwna am Fuße des Soracte. Später

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]
Geschichte

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samkeit gegeben. Denn nun wird dieses Buch
im wahrhaften Sinn ein Werk der Pietät.
Und eine solche Übersicht der dynastisch-
bedeutungsvollen Stätten mag für die deutschen
Könige bedeutender sein als für französische
und englische: denn sie bleibt nicht innerhalb
der Grenzen des jetzigen Staates. Viel¬
mehr zeigt sie, wie Deutschland in Zeiten
besonderer Macht weit ausgespannt war, wie
es zeitweilig als Kernbesitz noch Österreich,
die Niederlande, Belgien, die Schweiz, Teile
Italiens, das französische Lothringen, die
I^rancns-Lomtö, Lyon, Spanien und Ungarn
umfaßte.

So gibt dieses Buch, das eigentlich nichts
anderes als eine chronologische Aneinander¬
reihung der historischen Orte unternimmt,
viel mehr, als in seinem engeren Zweck liegt:
es gibt eine Geschichte des Deutschen Reiches
selbst. Man könnte beinahe sagen, daß die
Lage der Geburth- und Grabstätten die Ten¬
denz der Politik angäbe. Am Beginn der
Wanderung steht die Grabstätte Karls des
Großen, Aachen, das gleichsam zwischen Deutsch¬
land und Frankreich liegt und seinen Dom
nach itlllienisch-ravennatischen Muster gebaut
hat. Also ein Signum der internationalen
Herrschaft, die dieser Kaiser ausgeübt hat,
der aus dem Fränkischen stammte, die deutschen
Stämme unterwarf und in Rom zum Im¬
perator gekrönt wurde. Diese Weltpolitik,
mehr oder minder von seinen Nachfahren
traditionell ausgeübt, wandelt sich unter den
Ottonen zu einer ausgesprochen italienischen:
und so wird Otto der Zweite in der Peters¬
kirche zu Rom begraben, und Otto der Dritte
stirbt auf der Burg Paterno bei Liona
Lastelwna am Fuße des Soracte. Später

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[0070] [Abbildung] Maßgebliches und Unmaßgebliches Geschichte samkeit gegeben. Denn nun wird dieses Buch im wahrhaften Sinn ein Werk der Pietät. Und eine solche Übersicht der dynastisch- bedeutungsvollen Stätten mag für die deutschen Könige bedeutender sein als für französische und englische: denn sie bleibt nicht innerhalb der Grenzen des jetzigen Staates. Viel¬ mehr zeigt sie, wie Deutschland in Zeiten besonderer Macht weit ausgespannt war, wie es zeitweilig als Kernbesitz noch Österreich, die Niederlande, Belgien, die Schweiz, Teile Italiens, das französische Lothringen, die I^rancns-Lomtö, Lyon, Spanien und Ungarn umfaßte. So gibt dieses Buch, das eigentlich nichts anderes als eine chronologische Aneinander¬ reihung der historischen Orte unternimmt, viel mehr, als in seinem engeren Zweck liegt: es gibt eine Geschichte des Deutschen Reiches selbst. Man könnte beinahe sagen, daß die Lage der Geburth- und Grabstätten die Ten¬ denz der Politik angäbe. Am Beginn der Wanderung steht die Grabstätte Karls des Großen, Aachen, das gleichsam zwischen Deutsch¬ land und Frankreich liegt und seinen Dom nach itlllienisch-ravennatischen Muster gebaut hat. Also ein Signum der internationalen Herrschaft, die dieser Kaiser ausgeübt hat, der aus dem Fränkischen stammte, die deutschen Stämme unterwarf und in Rom zum Im¬ perator gekrönt wurde. Diese Weltpolitik, mehr oder minder von seinen Nachfahren traditionell ausgeübt, wandelt sich unter den Ottonen zu einer ausgesprochen italienischen: und so wird Otto der Zweite in der Peters¬ kirche zu Rom begraben, und Otto der Dritte stirbt auf der Burg Paterno bei Liona Lastelwna am Fuße des Soracte. Später

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_329665/70>, abgerufen am 30.04.2024.