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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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zugekehrt. Ohne erheblich aufzufallen, fügt
sich die Kirche in die Reihe höherer, geschmack¬
loser, prunkvoller Großstadthäuser. Zu Anfang
des siebzehnten Jahrhunderts mag sie sich
noch besser in ihre Umgebung gefügt haben:
damals standen nur unansehnliche Häuser
hier und außer an den üblichen Markttagen
mag kaum ein Verkehr die Stille gestört haben.

Aber nicht nur die Großstadt Wien hat
an dem kleinen Kirchlein der Kapuziner vorbei¬
gebaut. Auch Speier ist eine deutsche Industrie¬
stadt modernen Typs geworden. Der Alltag
der neuen Welt läßt die alte vergessen, die
unter der Erde ruht. Wer gedenkt in München
und Braunschweig der toten Kaiser? Selbst
in kleinen Städten -- wie Bamberg und
Regensburg -- wer denkt an die Toten, die
ihnen einst Bedeutung gegeben? Selbst der
Alltag von Ingelheim und Lorsch kehrt sich
von Gräbern ab. Deutschland erarbeitet sich
eine neue Welt. Aber in Zeiten nationaler
Anspannung, wenn Hämmer, Triebwerke und
Schlote verstummen, in den Zeiten eines
gemeinsam gesteigerten Aufhorchens -- da
hört man die Stimmen der toten Kaiser.

Otto Zoff
Religionswissenschaft

Hermann Oldenvcrg: "Die Lehre der
Upanishaden und die Anfänge des Buddhis¬
mus". Verlag Vcmdenhoeck u. Ruprecht,
Göttingen. Geh. 9, geb. 10 M.

Upanishaden -- Buddhismus: damit sind
die beiden beherrschenden Gipfel des geistigen
Indien genannt. Mit dem letzten der beiden
Namen ist der des Verfassers eng verknüpft.
Hat er doch in seinem "Buddha" die erste
Darstellung des alten Buddhismus auf der
Grundlage der Paliquellen gegeben. Aber
sowohl in diesem Werk wie auch anderswo
hat er gezeigt, daß seine tiefgrabende Arbeit
auf diesem Gebiete der Indologie, weit davon
entfernt sein Verständnis für das andere zu
schwächen, es vielmehr verschärft habe. So
war denn Professor Otterberg wie kein
anderer dazu berufen, ein Führer zu sein
auf dieser ganzen zusammenhängenden Höhen¬
kette der religiösen Philosophie Indiens, und
in dem vorliegenden Werk hat er diese sehr

[Spaltenumbruch]

schwierige Aufgabe mit gewohnter schrift¬
stellerischer Meisterschaft glänzend gelöst.

Daß jeder, der sich irgendwie -- sei es
mehr fachmännisch oder mehr dilettantisch --
mit Indologie befaßt, in diesem Buche eine
Fülle von Anregung und Belehrung findet,
ist selbstverständlich; in der Tat aber sollte
keiner, dem die großen UrProbleme, die
Außen- und Innenwelt, Leben und Tod dem
Menschengeist aufdrängt, am Herzen liegen,
dies Buch ungelesen lassen. Denn -- wie
der Verfasser in den ersten Zeilen sagt --
"die Frage nach einer jenseitigen Ordnung
der Dinge hinter oder über dem Diesseits,
das damit so eng verbundene Problem des
Todes und dessen, was nach dem Tode folgt,
hat die Denker Indiens schon in sehr alter
Zeit auf das ernstlichste beschäftigt", und das
vorliegende Buch bietet eine geradezu ideale
Darstellung dieser in ihrer Art unvergleich¬
lichen Gedanken, welche dort anheben, "wo
das Chaos altertümlicher Vorstellungen vom
Weltdasein und Geschehen sich lichtet, um der
mächtigen Idee des Brahman, des All-Einen,
die Herrschaft einzuräumen, und wo neben
die Hoffnungen auf freudenreiches Fortleben
nach dem Tode in der Gemeinschaft göttlicher
Weltherren die alles überfliegende Sehnsucht
tritt nach Eingehen in den stillen Frieden der
Ewigkeit".

Diese Entwicklung spiegelt sich, freilich
durch schwierig zu fassende, ineinander
fließende Reflexe, in den Upanishaden ab,
den dogmatisch-spekulativen Schlußteilen der
Beden. Die gehörnten Probleme vom Ver¬
hältnis des einen unteilbaren Weltgrundes
zur Vielheit der Erscheinungswelt und von
der Realität oder Nichtrealität der letzteren
treten hier in den Vordergrund. Professor
Deussen, der auf diesem Gebiete bekanntlich
als Hauptautorität dasteht, sieht in dem ab¬
soluten monistischen Idealismus, mit seinem
schroffen Ableugnen der Realität aller Vielheit
-- der berühmten Mayalehre -- den ursprüng¬
lichen Standpunkt der ältesten Upanishaden,
der in den Uajnavalkya-Gesprächen der
Brihad-Aranyaka UPanishad seinen klassischen
Ausdruck finde. Nun gehören aber jene
wohlgeordneten Dialoge offenbar nicht zu den
ältesten Teilen der Upanishadliteratur und

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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zugekehrt. Ohne erheblich aufzufallen, fügt
sich die Kirche in die Reihe höherer, geschmack¬
loser, prunkvoller Großstadthäuser. Zu Anfang
des siebzehnten Jahrhunderts mag sie sich
noch besser in ihre Umgebung gefügt haben:
damals standen nur unansehnliche Häuser
hier und außer an den üblichen Markttagen
mag kaum ein Verkehr die Stille gestört haben.

Aber nicht nur die Großstadt Wien hat
an dem kleinen Kirchlein der Kapuziner vorbei¬
gebaut. Auch Speier ist eine deutsche Industrie¬
stadt modernen Typs geworden. Der Alltag
der neuen Welt läßt die alte vergessen, die
unter der Erde ruht. Wer gedenkt in München
und Braunschweig der toten Kaiser? Selbst
in kleinen Städten — wie Bamberg und
Regensburg — wer denkt an die Toten, die
ihnen einst Bedeutung gegeben? Selbst der
Alltag von Ingelheim und Lorsch kehrt sich
von Gräbern ab. Deutschland erarbeitet sich
eine neue Welt. Aber in Zeiten nationaler
Anspannung, wenn Hämmer, Triebwerke und
Schlote verstummen, in den Zeiten eines
gemeinsam gesteigerten Aufhorchens — da
hört man die Stimmen der toten Kaiser.

Otto Zoff
Religionswissenschaft

Hermann Oldenvcrg: „Die Lehre der
Upanishaden und die Anfänge des Buddhis¬
mus". Verlag Vcmdenhoeck u. Ruprecht,
Göttingen. Geh. 9, geb. 10 M.

Upanishaden — Buddhismus: damit sind
die beiden beherrschenden Gipfel des geistigen
Indien genannt. Mit dem letzten der beiden
Namen ist der des Verfassers eng verknüpft.
Hat er doch in seinem „Buddha" die erste
Darstellung des alten Buddhismus auf der
Grundlage der Paliquellen gegeben. Aber
sowohl in diesem Werk wie auch anderswo
hat er gezeigt, daß seine tiefgrabende Arbeit
auf diesem Gebiete der Indologie, weit davon
entfernt sein Verständnis für das andere zu
schwächen, es vielmehr verschärft habe. So
war denn Professor Otterberg wie kein
anderer dazu berufen, ein Führer zu sein
auf dieser ganzen zusammenhängenden Höhen¬
kette der religiösen Philosophie Indiens, und
in dem vorliegenden Werk hat er diese sehr

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schwierige Aufgabe mit gewohnter schrift¬
stellerischer Meisterschaft glänzend gelöst.

Daß jeder, der sich irgendwie — sei es
mehr fachmännisch oder mehr dilettantisch —
mit Indologie befaßt, in diesem Buche eine
Fülle von Anregung und Belehrung findet,
ist selbstverständlich; in der Tat aber sollte
keiner, dem die großen UrProbleme, die
Außen- und Innenwelt, Leben und Tod dem
Menschengeist aufdrängt, am Herzen liegen,
dies Buch ungelesen lassen. Denn — wie
der Verfasser in den ersten Zeilen sagt —
„die Frage nach einer jenseitigen Ordnung
der Dinge hinter oder über dem Diesseits,
das damit so eng verbundene Problem des
Todes und dessen, was nach dem Tode folgt,
hat die Denker Indiens schon in sehr alter
Zeit auf das ernstlichste beschäftigt", und das
vorliegende Buch bietet eine geradezu ideale
Darstellung dieser in ihrer Art unvergleich¬
lichen Gedanken, welche dort anheben, „wo
das Chaos altertümlicher Vorstellungen vom
Weltdasein und Geschehen sich lichtet, um der
mächtigen Idee des Brahman, des All-Einen,
die Herrschaft einzuräumen, und wo neben
die Hoffnungen auf freudenreiches Fortleben
nach dem Tode in der Gemeinschaft göttlicher
Weltherren die alles überfliegende Sehnsucht
tritt nach Eingehen in den stillen Frieden der
Ewigkeit".

Diese Entwicklung spiegelt sich, freilich
durch schwierig zu fassende, ineinander
fließende Reflexe, in den Upanishaden ab,
den dogmatisch-spekulativen Schlußteilen der
Beden. Die gehörnten Probleme vom Ver¬
hältnis des einen unteilbaren Weltgrundes
zur Vielheit der Erscheinungswelt und von
der Realität oder Nichtrealität der letzteren
treten hier in den Vordergrund. Professor
Deussen, der auf diesem Gebiete bekanntlich
als Hauptautorität dasteht, sieht in dem ab¬
soluten monistischen Idealismus, mit seinem
schroffen Ableugnen der Realität aller Vielheit
— der berühmten Mayalehre — den ursprüng¬
lichen Standpunkt der ältesten Upanishaden,
der in den Uajnavalkya-Gesprächen der
Brihad-Aranyaka UPanishad seinen klassischen
Ausdruck finde. Nun gehören aber jene
wohlgeordneten Dialoge offenbar nicht zu den
ältesten Teilen der Upanishadliteratur und

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[0072] Maßgebliches und Unmaßgebliches zugekehrt. Ohne erheblich aufzufallen, fügt sich die Kirche in die Reihe höherer, geschmack¬ loser, prunkvoller Großstadthäuser. Zu Anfang des siebzehnten Jahrhunderts mag sie sich noch besser in ihre Umgebung gefügt haben: damals standen nur unansehnliche Häuser hier und außer an den üblichen Markttagen mag kaum ein Verkehr die Stille gestört haben. Aber nicht nur die Großstadt Wien hat an dem kleinen Kirchlein der Kapuziner vorbei¬ gebaut. Auch Speier ist eine deutsche Industrie¬ stadt modernen Typs geworden. Der Alltag der neuen Welt läßt die alte vergessen, die unter der Erde ruht. Wer gedenkt in München und Braunschweig der toten Kaiser? Selbst in kleinen Städten — wie Bamberg und Regensburg — wer denkt an die Toten, die ihnen einst Bedeutung gegeben? Selbst der Alltag von Ingelheim und Lorsch kehrt sich von Gräbern ab. Deutschland erarbeitet sich eine neue Welt. Aber in Zeiten nationaler Anspannung, wenn Hämmer, Triebwerke und Schlote verstummen, in den Zeiten eines gemeinsam gesteigerten Aufhorchens — da hört man die Stimmen der toten Kaiser. Otto Zoff Religionswissenschaft Hermann Oldenvcrg: „Die Lehre der Upanishaden und die Anfänge des Buddhis¬ mus". Verlag Vcmdenhoeck u. Ruprecht, Göttingen. Geh. 9, geb. 10 M. Upanishaden — Buddhismus: damit sind die beiden beherrschenden Gipfel des geistigen Indien genannt. Mit dem letzten der beiden Namen ist der des Verfassers eng verknüpft. Hat er doch in seinem „Buddha" die erste Darstellung des alten Buddhismus auf der Grundlage der Paliquellen gegeben. Aber sowohl in diesem Werk wie auch anderswo hat er gezeigt, daß seine tiefgrabende Arbeit auf diesem Gebiete der Indologie, weit davon entfernt sein Verständnis für das andere zu schwächen, es vielmehr verschärft habe. So war denn Professor Otterberg wie kein anderer dazu berufen, ein Führer zu sein auf dieser ganzen zusammenhängenden Höhen¬ kette der religiösen Philosophie Indiens, und in dem vorliegenden Werk hat er diese sehr schwierige Aufgabe mit gewohnter schrift¬ stellerischer Meisterschaft glänzend gelöst. Daß jeder, der sich irgendwie — sei es mehr fachmännisch oder mehr dilettantisch — mit Indologie befaßt, in diesem Buche eine Fülle von Anregung und Belehrung findet, ist selbstverständlich; in der Tat aber sollte keiner, dem die großen UrProbleme, die Außen- und Innenwelt, Leben und Tod dem Menschengeist aufdrängt, am Herzen liegen, dies Buch ungelesen lassen. Denn — wie der Verfasser in den ersten Zeilen sagt — „die Frage nach einer jenseitigen Ordnung der Dinge hinter oder über dem Diesseits, das damit so eng verbundene Problem des Todes und dessen, was nach dem Tode folgt, hat die Denker Indiens schon in sehr alter Zeit auf das ernstlichste beschäftigt", und das vorliegende Buch bietet eine geradezu ideale Darstellung dieser in ihrer Art unvergleich¬ lichen Gedanken, welche dort anheben, „wo das Chaos altertümlicher Vorstellungen vom Weltdasein und Geschehen sich lichtet, um der mächtigen Idee des Brahman, des All-Einen, die Herrschaft einzuräumen, und wo neben die Hoffnungen auf freudenreiches Fortleben nach dem Tode in der Gemeinschaft göttlicher Weltherren die alles überfliegende Sehnsucht tritt nach Eingehen in den stillen Frieden der Ewigkeit". Diese Entwicklung spiegelt sich, freilich durch schwierig zu fassende, ineinander fließende Reflexe, in den Upanishaden ab, den dogmatisch-spekulativen Schlußteilen der Beden. Die gehörnten Probleme vom Ver¬ hältnis des einen unteilbaren Weltgrundes zur Vielheit der Erscheinungswelt und von der Realität oder Nichtrealität der letzteren treten hier in den Vordergrund. Professor Deussen, der auf diesem Gebiete bekanntlich als Hauptautorität dasteht, sieht in dem ab¬ soluten monistischen Idealismus, mit seinem schroffen Ableugnen der Realität aller Vielheit — der berühmten Mayalehre — den ursprüng¬ lichen Standpunkt der ältesten Upanishaden, der in den Uajnavalkya-Gesprächen der Brihad-Aranyaka UPanishad seinen klassischen Ausdruck finde. Nun gehören aber jene wohlgeordneten Dialoge offenbar nicht zu den ältesten Teilen der Upanishadliteratur und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_329665/72>, abgerufen am 30.04.2024.