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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr.

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slawische Ortsnamen im Vrandenburgischen
von öl. Gustav Ränder

BW
^WVicht nur die Grenzen der Staaten, sondern auch diejenigen der
Sprachen haben im Laufe der Geschichte große Veränderungen
durchgemacht. So wurde das heutige Gebiet der Mark Branden¬
burg in den Zeiten vor Beginn der Völkerwanderung von dem
deutschen Stamm der Semnonen bewohnt. Dann aber verließen
diese ihre Wohnsitze, gingen nach Süddeutschland und nahmen hier den Namen
Alemannen an. In das nunmehr nur noch schwach bevölkerte Land drangen
dann von Osten her slawische Stämme ein, die Liutizen, Heveller und Sorben.
Deren Sprache, das Wendische oder Sorbische, wurde dann auch von den Resten
der deutschen Urbevölkerung angenommen und beherrschte das Land, bis im
späteren Mittelalter wieder Deutsche vom Westen her erobernd eindrangen.
Erst Albrecht dem Bären gelang es dann im 12. Jahrhundert, Brandenburg
endgültig wieder sür das Deutschtum zu sichern. Kolonisten, namentlich auch
aus den Niederlanden, wurden herbeigerufen, und die Bevölkerung nahm rasch
fast überall die deutsche Sprache wieder an. Das fiel ihr freilich umso leichter,
als sie ja einesteils schon von Hause aus halbdeutscher Abkunft war, andrer¬
seits aber auch die hier ansässigen Slawen keineswegs -- im Gegensatz zu den
späteren Verhältnissen in Polen und Rußland -- etwa mit asiatischen Völker¬
schaften gemischt waren. Die slawische Sprache als solche lebt heute in Branden¬
burg nur in jener Landschaft noch fort, die als Spreewald bekannt ist. Aber
weit darüber hinaus hat sich im Brandenburgischen -- wie auch in sehr vielen
anderen Teilen des deutschen Sprachgebietes -- als dauerndes Andenken an
die einst herrschende Sprache eine große Zahl slawischer Orts-, Flur-, Gewässer-
und Personennamen erhalten. Hierauf wollen wir nun heute unser Augenmerk
richten und zwar in erster Linie auf die Ortsnamen. Dabei wollen wir uns
im wesentlichen auf das Gebiet Brandenburgs beschränken, ohne aber auch
gelegentliche Hinweise auf ähnliche Verhältnisse anderer Gegenden auszuschließen.

Nun ist freilich die Kunst der Ortsnamendeutung nicht so einfach. Als
ein auffälliges Beispiel, wie leicht man hier daneben greifen kann, sei z. B. der
Name des Ortes Marquart bei Potsdam angeführt. Da dieser in der wen¬
dischen Mark, dicht an der früheren Grenze gegen slawisches Gebiet gelegen ist,
so liegt nichts näher, als anzunehmen, daß sich ursprünglich dort eine Warte
befunden habe, von wo aus man etwa verdächtige Bewegungen von jenseits
der Grenze habe überwachen wollen. Aber es ist leider nichts mit dieser




slawische Ortsnamen im Vrandenburgischen
von öl. Gustav Ränder

BW
^WVicht nur die Grenzen der Staaten, sondern auch diejenigen der
Sprachen haben im Laufe der Geschichte große Veränderungen
durchgemacht. So wurde das heutige Gebiet der Mark Branden¬
burg in den Zeiten vor Beginn der Völkerwanderung von dem
deutschen Stamm der Semnonen bewohnt. Dann aber verließen
diese ihre Wohnsitze, gingen nach Süddeutschland und nahmen hier den Namen
Alemannen an. In das nunmehr nur noch schwach bevölkerte Land drangen
dann von Osten her slawische Stämme ein, die Liutizen, Heveller und Sorben.
Deren Sprache, das Wendische oder Sorbische, wurde dann auch von den Resten
der deutschen Urbevölkerung angenommen und beherrschte das Land, bis im
späteren Mittelalter wieder Deutsche vom Westen her erobernd eindrangen.
Erst Albrecht dem Bären gelang es dann im 12. Jahrhundert, Brandenburg
endgültig wieder sür das Deutschtum zu sichern. Kolonisten, namentlich auch
aus den Niederlanden, wurden herbeigerufen, und die Bevölkerung nahm rasch
fast überall die deutsche Sprache wieder an. Das fiel ihr freilich umso leichter,
als sie ja einesteils schon von Hause aus halbdeutscher Abkunft war, andrer¬
seits aber auch die hier ansässigen Slawen keineswegs — im Gegensatz zu den
späteren Verhältnissen in Polen und Rußland — etwa mit asiatischen Völker¬
schaften gemischt waren. Die slawische Sprache als solche lebt heute in Branden¬
burg nur in jener Landschaft noch fort, die als Spreewald bekannt ist. Aber
weit darüber hinaus hat sich im Brandenburgischen — wie auch in sehr vielen
anderen Teilen des deutschen Sprachgebietes — als dauerndes Andenken an
die einst herrschende Sprache eine große Zahl slawischer Orts-, Flur-, Gewässer-
und Personennamen erhalten. Hierauf wollen wir nun heute unser Augenmerk
richten und zwar in erster Linie auf die Ortsnamen. Dabei wollen wir uns
im wesentlichen auf das Gebiet Brandenburgs beschränken, ohne aber auch
gelegentliche Hinweise auf ähnliche Verhältnisse anderer Gegenden auszuschließen.

Nun ist freilich die Kunst der Ortsnamendeutung nicht so einfach. Als
ein auffälliges Beispiel, wie leicht man hier daneben greifen kann, sei z. B. der
Name des Ortes Marquart bei Potsdam angeführt. Da dieser in der wen¬
dischen Mark, dicht an der früheren Grenze gegen slawisches Gebiet gelegen ist,
so liegt nichts näher, als anzunehmen, daß sich ursprünglich dort eine Warte
befunden habe, von wo aus man etwa verdächtige Bewegungen von jenseits
der Grenze habe überwachen wollen. Aber es ist leider nichts mit dieser


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[0086] [Abbildung] slawische Ortsnamen im Vrandenburgischen von öl. Gustav Ränder BW ^WVicht nur die Grenzen der Staaten, sondern auch diejenigen der Sprachen haben im Laufe der Geschichte große Veränderungen durchgemacht. So wurde das heutige Gebiet der Mark Branden¬ burg in den Zeiten vor Beginn der Völkerwanderung von dem deutschen Stamm der Semnonen bewohnt. Dann aber verließen diese ihre Wohnsitze, gingen nach Süddeutschland und nahmen hier den Namen Alemannen an. In das nunmehr nur noch schwach bevölkerte Land drangen dann von Osten her slawische Stämme ein, die Liutizen, Heveller und Sorben. Deren Sprache, das Wendische oder Sorbische, wurde dann auch von den Resten der deutschen Urbevölkerung angenommen und beherrschte das Land, bis im späteren Mittelalter wieder Deutsche vom Westen her erobernd eindrangen. Erst Albrecht dem Bären gelang es dann im 12. Jahrhundert, Brandenburg endgültig wieder sür das Deutschtum zu sichern. Kolonisten, namentlich auch aus den Niederlanden, wurden herbeigerufen, und die Bevölkerung nahm rasch fast überall die deutsche Sprache wieder an. Das fiel ihr freilich umso leichter, als sie ja einesteils schon von Hause aus halbdeutscher Abkunft war, andrer¬ seits aber auch die hier ansässigen Slawen keineswegs — im Gegensatz zu den späteren Verhältnissen in Polen und Rußland — etwa mit asiatischen Völker¬ schaften gemischt waren. Die slawische Sprache als solche lebt heute in Branden¬ burg nur in jener Landschaft noch fort, die als Spreewald bekannt ist. Aber weit darüber hinaus hat sich im Brandenburgischen — wie auch in sehr vielen anderen Teilen des deutschen Sprachgebietes — als dauerndes Andenken an die einst herrschende Sprache eine große Zahl slawischer Orts-, Flur-, Gewässer- und Personennamen erhalten. Hierauf wollen wir nun heute unser Augenmerk richten und zwar in erster Linie auf die Ortsnamen. Dabei wollen wir uns im wesentlichen auf das Gebiet Brandenburgs beschränken, ohne aber auch gelegentliche Hinweise auf ähnliche Verhältnisse anderer Gegenden auszuschließen. Nun ist freilich die Kunst der Ortsnamendeutung nicht so einfach. Als ein auffälliges Beispiel, wie leicht man hier daneben greifen kann, sei z. B. der Name des Ortes Marquart bei Potsdam angeführt. Da dieser in der wen¬ dischen Mark, dicht an der früheren Grenze gegen slawisches Gebiet gelegen ist, so liegt nichts näher, als anzunehmen, daß sich ursprünglich dort eine Warte befunden habe, von wo aus man etwa verdächtige Bewegungen von jenseits der Grenze habe überwachen wollen. Aber es ist leider nichts mit dieser

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_329665/86>, abgerufen am 30.04.2024.