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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.

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Staatsverträge und Vertragsbrüche
im englischen Urteil
Tonis von Aohl von
Übersetzung aus der dänischen Zeitschrift "Sxektator"

ürzlich hat ein Belgier, L. Bernard, in London einen Vortrag
gehalten, worin er -- nach dem Referat des "Labour Leader" --
nachwies, daß England allein durch seine Eifersucht auf die
beständig wachsende deutsche Flotte veranlaßt wurde, in den Krieg
gegen Deutschland einzutreten, und das englische Blatt findet die
Worte des Redners sehr vernünftig.

Aber es gibt Engländer, die noch weiter gehen, indem sie nicht nur nicht
die Beweggründe ihres Vaterlandes verbergen, sondern sogar mit bewunderungs¬
würdiger Objektivität zu beweisen suchen, daß man Deutschland seinen Neu-
tralitätsbruch gar nicht zum Vorwurf machen und es jedenfalls deswegen nicht
verdammen dürfe. Ein Mitglied des Parlaments. Mr. Arthur Ponsonby, der
bereits früher durch seine Schriften "?Ke Lamel ana tre ^eeäles Lye" und
"l'Ke DeclinL ol /".nstoerÄL^" Aufsehen erregt hat, kommt jetzt in seinem
Buch über "DemoLi-aey mal viplomaey", in dem er die Notwendigkeit einer
diplomatischen Kontrolle der auswärtigen Politik versieht, auf die Frage der
Staatsverträge und ihrer Verletzung zu sprechen. Er sagt:

". . . . Hinsichtlich ihres Gegenstandes können Staatsverträge kurz folgender¬
maßen eingeteilt werden:

1. Politische Verträge über Friedensschlüsse, Bündnisse, Abtretungen, Garantien
und Ähnliches.
2. Handelsabkommen, wie Konsulats- und Fischerei-Konventionen, Ab¬
machungen, betreffend den Sklavenhandel, Schiffahrt usw.
3. Abkommen, betreffend spezielle soziale Fragen, wie Post- und Telegraphen¬
wesen, Maß- und Gewichtssystem und dergleichen.
4. Verträge über strafrechtliche Verhältniße, zum Beispiel Auslieferung.
5. Verträge, betreffend zivilrechtliche Verhältnisse, zum Beispiel Warenmarken-
schütz und Urheberrecht.
6. Abkommen, durch die bestimmte Regeln für internationale Gesetze bezüglich
der Kriegführung und dergleichen aufgestellt werden.

Die Frage der Dauer einer durch Verträge geschaffenen Verpflichtung ist
in keiner Weise festgesetzt oder unveränderlich. Folglich kommt ein Vertrag in


10*


Staatsverträge und Vertragsbrüche
im englischen Urteil
Tonis von Aohl von
Übersetzung aus der dänischen Zeitschrift „Sxektator"

ürzlich hat ein Belgier, L. Bernard, in London einen Vortrag
gehalten, worin er — nach dem Referat des „Labour Leader" —
nachwies, daß England allein durch seine Eifersucht auf die
beständig wachsende deutsche Flotte veranlaßt wurde, in den Krieg
gegen Deutschland einzutreten, und das englische Blatt findet die
Worte des Redners sehr vernünftig.

Aber es gibt Engländer, die noch weiter gehen, indem sie nicht nur nicht
die Beweggründe ihres Vaterlandes verbergen, sondern sogar mit bewunderungs¬
würdiger Objektivität zu beweisen suchen, daß man Deutschland seinen Neu-
tralitätsbruch gar nicht zum Vorwurf machen und es jedenfalls deswegen nicht
verdammen dürfe. Ein Mitglied des Parlaments. Mr. Arthur Ponsonby, der
bereits früher durch seine Schriften „?Ke Lamel ana tre ^eeäles Lye" und
„l'Ke DeclinL ol /».nstoerÄL^" Aufsehen erregt hat, kommt jetzt in seinem
Buch über „DemoLi-aey mal viplomaey", in dem er die Notwendigkeit einer
diplomatischen Kontrolle der auswärtigen Politik versieht, auf die Frage der
Staatsverträge und ihrer Verletzung zu sprechen. Er sagt:

„. . . . Hinsichtlich ihres Gegenstandes können Staatsverträge kurz folgender¬
maßen eingeteilt werden:

1. Politische Verträge über Friedensschlüsse, Bündnisse, Abtretungen, Garantien
und Ähnliches.
2. Handelsabkommen, wie Konsulats- und Fischerei-Konventionen, Ab¬
machungen, betreffend den Sklavenhandel, Schiffahrt usw.
3. Abkommen, betreffend spezielle soziale Fragen, wie Post- und Telegraphen¬
wesen, Maß- und Gewichtssystem und dergleichen.
4. Verträge über strafrechtliche Verhältniße, zum Beispiel Auslieferung.
5. Verträge, betreffend zivilrechtliche Verhältnisse, zum Beispiel Warenmarken-
schütz und Urheberrecht.
6. Abkommen, durch die bestimmte Regeln für internationale Gesetze bezüglich
der Kriegführung und dergleichen aufgestellt werden.

Die Frage der Dauer einer durch Verträge geschaffenen Verpflichtung ist
in keiner Weise festgesetzt oder unveränderlich. Folglich kommt ein Vertrag in


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[0159] [Abbildung] Staatsverträge und Vertragsbrüche im englischen Urteil Tonis von Aohl von Übersetzung aus der dänischen Zeitschrift „Sxektator" ürzlich hat ein Belgier, L. Bernard, in London einen Vortrag gehalten, worin er — nach dem Referat des „Labour Leader" — nachwies, daß England allein durch seine Eifersucht auf die beständig wachsende deutsche Flotte veranlaßt wurde, in den Krieg gegen Deutschland einzutreten, und das englische Blatt findet die Worte des Redners sehr vernünftig. Aber es gibt Engländer, die noch weiter gehen, indem sie nicht nur nicht die Beweggründe ihres Vaterlandes verbergen, sondern sogar mit bewunderungs¬ würdiger Objektivität zu beweisen suchen, daß man Deutschland seinen Neu- tralitätsbruch gar nicht zum Vorwurf machen und es jedenfalls deswegen nicht verdammen dürfe. Ein Mitglied des Parlaments. Mr. Arthur Ponsonby, der bereits früher durch seine Schriften „?Ke Lamel ana tre ^eeäles Lye" und „l'Ke DeclinL ol /».nstoerÄL^" Aufsehen erregt hat, kommt jetzt in seinem Buch über „DemoLi-aey mal viplomaey", in dem er die Notwendigkeit einer diplomatischen Kontrolle der auswärtigen Politik versieht, auf die Frage der Staatsverträge und ihrer Verletzung zu sprechen. Er sagt: „. . . . Hinsichtlich ihres Gegenstandes können Staatsverträge kurz folgender¬ maßen eingeteilt werden: 1. Politische Verträge über Friedensschlüsse, Bündnisse, Abtretungen, Garantien und Ähnliches. 2. Handelsabkommen, wie Konsulats- und Fischerei-Konventionen, Ab¬ machungen, betreffend den Sklavenhandel, Schiffahrt usw. 3. Abkommen, betreffend spezielle soziale Fragen, wie Post- und Telegraphen¬ wesen, Maß- und Gewichtssystem und dergleichen. 4. Verträge über strafrechtliche Verhältniße, zum Beispiel Auslieferung. 5. Verträge, betreffend zivilrechtliche Verhältnisse, zum Beispiel Warenmarken- schütz und Urheberrecht. 6. Abkommen, durch die bestimmte Regeln für internationale Gesetze bezüglich der Kriegführung und dergleichen aufgestellt werden. Die Frage der Dauer einer durch Verträge geschaffenen Verpflichtung ist in keiner Weise festgesetzt oder unveränderlich. Folglich kommt ein Vertrag in 10*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/159>, abgerufen am 06.05.2024.