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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr.

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politische Literatur
Albert Haas: Die Propaganda im Ausland. Beobachtungen und Erfah¬
rungen. Heft 3 der Flugschriften zu "Deutsche Politik". Gustav Kiepenheuer
Verlag, Weimar.

Wir können es jedenfalls als einen Gewinn der bitteren Erfahrungen dieses
Krieges hundelt, daß sie uns Klarheit über unser Verhältnis zum Ausland gebracht
haben und daß wir jetzt wissen, welchem Mangel an echter Sympathie und welcher
Fülle unfreundlichen Mißverstehens unser Volk dort begegnet; und diese Erkenntnis
scheint nicht unfruchtbar zu bleiben.

Die sentimentalen nutzlosen Rechtfertigungsversuche, die reumütigen Selbst¬
anklagen, oder noch schlimmer: das kraftmeierische Auftrumpfen, mit denen wir
allzu lange und fast ausschließlich gehässige Angriffe beantworteten, beginnen zu
verstummen, nachdem selbst weitesten .Kreisen die Einsicht gekommen ist, daß die
Entstellung deutschen Wesens und deutscher Kultur im Ausland -- auch während
des Friedens -- mit bewußt unbelehrbarer und methodischer Feindseligkeit aus¬
geübt wurde, gegen die es nur ein wirksames Mittel gibt, nämlich ebenso bewußte
und methodische Aufklärungsarbeit. Voraussetzung für diese ist natürlich genaue
Kenntnis des Triebwerks und der Hilfsmittel der gegen uns wirkenden fremden
Organisationen.

Zur Übermittelung dieser Kenntnis trägt die soeben erschienene Schrift von
Albert Haas wichtiges Material bei: Haas untersucht zunächst das Wesen der
Aüslandspropaganda unseres ältesten und unversöhnlichsten Gegners, Frankreichs,
deren Wirksamkeit auch tatsächlich die Grundlage für die allgemeine Unbeliebtheit
des Deutschtums geschaffen hat. Dieses durch eigene Landeskinder auswärts nur
spärlich vertretene Frankreich verfügt über einen ungemein geschickt bedienten
Apparat, um überall im Ausland seinen Volkscharakter von der gewinnendsten
und liebenswürdigsten Seite vorzuführen.

Haas zeigt, wie diese von der französischen Negierung dauernd beobachtete,
unterstützte und belohnte Propaganda gleichsam spielend durch Sprachunterricht
und Pflege harmlos heiterer Geselligkeit (^Uianee 5r-in?aise) die Vorstellung, oder
besser: Illusion von der graziösen überlegenen Kultur Frankreichs zu befestigen
und zu verbreiten versteht, indem gleichzeitig der umfangreiche Kapitalexport des
Landes auf wirtschaftlichem Gebiete günstige Konzessionen in Finanz- und Presse¬
kreisen durchsetzt. Mit der leichten Geste ihrer Geselligkeit und der leichteren Hand,
mit der sie sich ihrer Geldmittel zu bedienen weiß, hat die französische Propaganda
ein Idealbild ihres Volks entworfen, als einer Luxusnation, "die nur den höheren
Gütern der Kultur und des verfeinerten Raffinements lebt, als ein Volk, das gut
erzogen ist, aristokratisch gesinnt ist, das die geschmackvollsten Kleider trägt, die




politische Literatur
Albert Haas: Die Propaganda im Ausland. Beobachtungen und Erfah¬
rungen. Heft 3 der Flugschriften zu „Deutsche Politik". Gustav Kiepenheuer
Verlag, Weimar.

Wir können es jedenfalls als einen Gewinn der bitteren Erfahrungen dieses
Krieges hundelt, daß sie uns Klarheit über unser Verhältnis zum Ausland gebracht
haben und daß wir jetzt wissen, welchem Mangel an echter Sympathie und welcher
Fülle unfreundlichen Mißverstehens unser Volk dort begegnet; und diese Erkenntnis
scheint nicht unfruchtbar zu bleiben.

Die sentimentalen nutzlosen Rechtfertigungsversuche, die reumütigen Selbst¬
anklagen, oder noch schlimmer: das kraftmeierische Auftrumpfen, mit denen wir
allzu lange und fast ausschließlich gehässige Angriffe beantworteten, beginnen zu
verstummen, nachdem selbst weitesten .Kreisen die Einsicht gekommen ist, daß die
Entstellung deutschen Wesens und deutscher Kultur im Ausland — auch während
des Friedens — mit bewußt unbelehrbarer und methodischer Feindseligkeit aus¬
geübt wurde, gegen die es nur ein wirksames Mittel gibt, nämlich ebenso bewußte
und methodische Aufklärungsarbeit. Voraussetzung für diese ist natürlich genaue
Kenntnis des Triebwerks und der Hilfsmittel der gegen uns wirkenden fremden
Organisationen.

Zur Übermittelung dieser Kenntnis trägt die soeben erschienene Schrift von
Albert Haas wichtiges Material bei: Haas untersucht zunächst das Wesen der
Aüslandspropaganda unseres ältesten und unversöhnlichsten Gegners, Frankreichs,
deren Wirksamkeit auch tatsächlich die Grundlage für die allgemeine Unbeliebtheit
des Deutschtums geschaffen hat. Dieses durch eigene Landeskinder auswärts nur
spärlich vertretene Frankreich verfügt über einen ungemein geschickt bedienten
Apparat, um überall im Ausland seinen Volkscharakter von der gewinnendsten
und liebenswürdigsten Seite vorzuführen.

Haas zeigt, wie diese von der französischen Negierung dauernd beobachtete,
unterstützte und belohnte Propaganda gleichsam spielend durch Sprachunterricht
und Pflege harmlos heiterer Geselligkeit (^Uianee 5r-in?aise) die Vorstellung, oder
besser: Illusion von der graziösen überlegenen Kultur Frankreichs zu befestigen
und zu verbreiten versteht, indem gleichzeitig der umfangreiche Kapitalexport des
Landes auf wirtschaftlichem Gebiete günstige Konzessionen in Finanz- und Presse¬
kreisen durchsetzt. Mit der leichten Geste ihrer Geselligkeit und der leichteren Hand,
mit der sie sich ihrer Geldmittel zu bedienen weiß, hat die französische Propaganda
ein Idealbild ihres Volks entworfen, als einer Luxusnation, „die nur den höheren
Gütern der Kultur und des verfeinerten Raffinements lebt, als ein Volk, das gut
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[0168] [Abbildung] politische Literatur Albert Haas: Die Propaganda im Ausland. Beobachtungen und Erfah¬ rungen. Heft 3 der Flugschriften zu „Deutsche Politik". Gustav Kiepenheuer Verlag, Weimar. Wir können es jedenfalls als einen Gewinn der bitteren Erfahrungen dieses Krieges hundelt, daß sie uns Klarheit über unser Verhältnis zum Ausland gebracht haben und daß wir jetzt wissen, welchem Mangel an echter Sympathie und welcher Fülle unfreundlichen Mißverstehens unser Volk dort begegnet; und diese Erkenntnis scheint nicht unfruchtbar zu bleiben. Die sentimentalen nutzlosen Rechtfertigungsversuche, die reumütigen Selbst¬ anklagen, oder noch schlimmer: das kraftmeierische Auftrumpfen, mit denen wir allzu lange und fast ausschließlich gehässige Angriffe beantworteten, beginnen zu verstummen, nachdem selbst weitesten .Kreisen die Einsicht gekommen ist, daß die Entstellung deutschen Wesens und deutscher Kultur im Ausland — auch während des Friedens — mit bewußt unbelehrbarer und methodischer Feindseligkeit aus¬ geübt wurde, gegen die es nur ein wirksames Mittel gibt, nämlich ebenso bewußte und methodische Aufklärungsarbeit. Voraussetzung für diese ist natürlich genaue Kenntnis des Triebwerks und der Hilfsmittel der gegen uns wirkenden fremden Organisationen. Zur Übermittelung dieser Kenntnis trägt die soeben erschienene Schrift von Albert Haas wichtiges Material bei: Haas untersucht zunächst das Wesen der Aüslandspropaganda unseres ältesten und unversöhnlichsten Gegners, Frankreichs, deren Wirksamkeit auch tatsächlich die Grundlage für die allgemeine Unbeliebtheit des Deutschtums geschaffen hat. Dieses durch eigene Landeskinder auswärts nur spärlich vertretene Frankreich verfügt über einen ungemein geschickt bedienten Apparat, um überall im Ausland seinen Volkscharakter von der gewinnendsten und liebenswürdigsten Seite vorzuführen. Haas zeigt, wie diese von der französischen Negierung dauernd beobachtete, unterstützte und belohnte Propaganda gleichsam spielend durch Sprachunterricht und Pflege harmlos heiterer Geselligkeit (^Uianee 5r-in?aise) die Vorstellung, oder besser: Illusion von der graziösen überlegenen Kultur Frankreichs zu befestigen und zu verbreiten versteht, indem gleichzeitig der umfangreiche Kapitalexport des Landes auf wirtschaftlichem Gebiete günstige Konzessionen in Finanz- und Presse¬ kreisen durchsetzt. Mit der leichten Geste ihrer Geselligkeit und der leichteren Hand, mit der sie sich ihrer Geldmittel zu bedienen weiß, hat die französische Propaganda ein Idealbild ihres Volks entworfen, als einer Luxusnation, „die nur den höheren Gütern der Kultur und des verfeinerten Raffinements lebt, als ein Volk, das gut erzogen ist, aristokratisch gesinnt ist, das die geschmackvollsten Kleider trägt, die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330971/168>, abgerufen am 28.04.2024.