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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr.

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?le Alabamafrage

dürfen wir auch Schweden und Norwegen gegen russische und nun gar den
niederländischen Kolonialbesitz gegen japanische Begehrlichkeit verteidigen. Diese
Proben verschrobenster Weltfremdheit genügen wohl. Man sollte es nicht für
möglich halten!

Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen. Das gilt auch hier. Eine
Reihe zum Teil fesselnd geschriebener Abhandlungen von wertvollen Inhalte konnten
wir an unseren Augen vorübergehen lassen. Aber für das Ganze möchte ich die
Worte wiederholen, mit denen Friedrich von Raumer in einem Berichte an
den Staatskanzler von Hardenberg vom 26. August 1810 die Übersicht der
aus dem Publikum eingegangenen Reformvorschläge begleitete: "Ich gewahrte
bald, daß das Wahre nicht neu. und das Neue nicht wahr oder brauchbar
sei. Deßungeachtet war die Leserei anziehend genug, und ich erlaubte mir,
beim Mangel ernsthafter Weisheit einige der gar kuriosen Einfälle und Vor¬
schläge aufzuzählen." Letzteres ist auch hier geschehen.

Auf dem Gebiete der auswärtigen Politik dürfen Kriegsziele nicht erörtert
werden, obgleich wir hier durch das militärische Ergebnis schon einigermaßen
mit festen Grundlagen zu rechnen haben. Aber aus dem Gebiete der inneren
Politik nach dem Kriege tappen wir noch in dunklem Nebel, aus dem einiger¬
maßen die ungefügen Gestalten von Demokratie und Staatssozialismus sichtbar
werden. Tiefer in dieses Nebelmeer hineinzuleuchten, um Einzelheiten zu er¬
kennen, ist noch durchaus verfrüht. Das zeigt vor allem das Buch von neuem
Deutschland, das eigentlich eins vom alten Deutschland ist.




Die Alabamafrage
von Dr. H. Knnfermann

le Erscheinungen des deutsch-englischen Seekrieges, Deutschlands
Abschließung durch England, die Taten der "Emden", "Karls¬
ruhe" und der "Möve", der Unterseebootkrieg, erinnern in mancher
Beziehung an die Ereignisse zur See im nordamerikanischen Se¬
zessionskriege, an die Blockade der südstaatlichen Küste durch den
Norden und besonders an das Auftreten der berühmten südstaatlichen Kaper¬
schiffe, wie der "Alabama", und die daraus entstandene "Alabamafrage", die
beinahe zu einer kriegerischen Auseinandersetzung zwischen den Vereinigten Staaten
und England geführt hätte.

Während des amerikanischen Sezessionskrieges in den Jahren 1861 bis
1865 unterstützte England in offensichtlicher Weise den Süden gegen die Nord-


?le Alabamafrage

dürfen wir auch Schweden und Norwegen gegen russische und nun gar den
niederländischen Kolonialbesitz gegen japanische Begehrlichkeit verteidigen. Diese
Proben verschrobenster Weltfremdheit genügen wohl. Man sollte es nicht für
möglich halten!

Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen. Das gilt auch hier. Eine
Reihe zum Teil fesselnd geschriebener Abhandlungen von wertvollen Inhalte konnten
wir an unseren Augen vorübergehen lassen. Aber für das Ganze möchte ich die
Worte wiederholen, mit denen Friedrich von Raumer in einem Berichte an
den Staatskanzler von Hardenberg vom 26. August 1810 die Übersicht der
aus dem Publikum eingegangenen Reformvorschläge begleitete: „Ich gewahrte
bald, daß das Wahre nicht neu. und das Neue nicht wahr oder brauchbar
sei. Deßungeachtet war die Leserei anziehend genug, und ich erlaubte mir,
beim Mangel ernsthafter Weisheit einige der gar kuriosen Einfälle und Vor¬
schläge aufzuzählen." Letzteres ist auch hier geschehen.

Auf dem Gebiete der auswärtigen Politik dürfen Kriegsziele nicht erörtert
werden, obgleich wir hier durch das militärische Ergebnis schon einigermaßen
mit festen Grundlagen zu rechnen haben. Aber aus dem Gebiete der inneren
Politik nach dem Kriege tappen wir noch in dunklem Nebel, aus dem einiger¬
maßen die ungefügen Gestalten von Demokratie und Staatssozialismus sichtbar
werden. Tiefer in dieses Nebelmeer hineinzuleuchten, um Einzelheiten zu er¬
kennen, ist noch durchaus verfrüht. Das zeigt vor allem das Buch von neuem
Deutschland, das eigentlich eins vom alten Deutschland ist.




Die Alabamafrage
von Dr. H. Knnfermann

le Erscheinungen des deutsch-englischen Seekrieges, Deutschlands
Abschließung durch England, die Taten der „Emden", „Karls¬
ruhe" und der „Möve", der Unterseebootkrieg, erinnern in mancher
Beziehung an die Ereignisse zur See im nordamerikanischen Se¬
zessionskriege, an die Blockade der südstaatlichen Küste durch den
Norden und besonders an das Auftreten der berühmten südstaatlichen Kaper¬
schiffe, wie der „Alabama", und die daraus entstandene „Alabamafrage", die
beinahe zu einer kriegerischen Auseinandersetzung zwischen den Vereinigten Staaten
und England geführt hätte.

Während des amerikanischen Sezessionskrieges in den Jahren 1861 bis
1865 unterstützte England in offensichtlicher Weise den Süden gegen die Nord-


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[0195] ?le Alabamafrage dürfen wir auch Schweden und Norwegen gegen russische und nun gar den niederländischen Kolonialbesitz gegen japanische Begehrlichkeit verteidigen. Diese Proben verschrobenster Weltfremdheit genügen wohl. Man sollte es nicht für möglich halten! Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen. Das gilt auch hier. Eine Reihe zum Teil fesselnd geschriebener Abhandlungen von wertvollen Inhalte konnten wir an unseren Augen vorübergehen lassen. Aber für das Ganze möchte ich die Worte wiederholen, mit denen Friedrich von Raumer in einem Berichte an den Staatskanzler von Hardenberg vom 26. August 1810 die Übersicht der aus dem Publikum eingegangenen Reformvorschläge begleitete: „Ich gewahrte bald, daß das Wahre nicht neu. und das Neue nicht wahr oder brauchbar sei. Deßungeachtet war die Leserei anziehend genug, und ich erlaubte mir, beim Mangel ernsthafter Weisheit einige der gar kuriosen Einfälle und Vor¬ schläge aufzuzählen." Letzteres ist auch hier geschehen. Auf dem Gebiete der auswärtigen Politik dürfen Kriegsziele nicht erörtert werden, obgleich wir hier durch das militärische Ergebnis schon einigermaßen mit festen Grundlagen zu rechnen haben. Aber aus dem Gebiete der inneren Politik nach dem Kriege tappen wir noch in dunklem Nebel, aus dem einiger¬ maßen die ungefügen Gestalten von Demokratie und Staatssozialismus sichtbar werden. Tiefer in dieses Nebelmeer hineinzuleuchten, um Einzelheiten zu er¬ kennen, ist noch durchaus verfrüht. Das zeigt vor allem das Buch von neuem Deutschland, das eigentlich eins vom alten Deutschland ist. Die Alabamafrage von Dr. H. Knnfermann le Erscheinungen des deutsch-englischen Seekrieges, Deutschlands Abschließung durch England, die Taten der „Emden", „Karls¬ ruhe" und der „Möve", der Unterseebootkrieg, erinnern in mancher Beziehung an die Ereignisse zur See im nordamerikanischen Se¬ zessionskriege, an die Blockade der südstaatlichen Küste durch den Norden und besonders an das Auftreten der berühmten südstaatlichen Kaper¬ schiffe, wie der „Alabama", und die daraus entstandene „Alabamafrage", die beinahe zu einer kriegerischen Auseinandersetzung zwischen den Vereinigten Staaten und England geführt hätte. Während des amerikanischen Sezessionskrieges in den Jahren 1861 bis 1865 unterstützte England in offensichtlicher Weise den Süden gegen die Nord-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330971/195>, abgerufen am 27.04.2024.