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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr.

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Wie spricht Tommy Aelius?

Und hier wurde England wirklich dazu gezwungen, Buße zu tun und zum ersten
Mal Neutralitätspflichten in einem Seekriege anzuerkennen, die es bis dahin
mit selbstsüchtiger Entschiedenheit abgelehnt hatte. Nach der Erklärung des Be¬
dauerns über die zugelassene Ausfahrt der "Alabama" und der anderen Kaper
in der Einleitung des Washingtoner Vertrages, mußte es sich zu der Anerkennung
des völkerrechtlichen Grundsatzes bequemen, kein neutraler Staat dürste ge¬
statten, daß auf seinem Gebiet Schiffe ausgerüstet würden, die bestimmt seien,
gegen eine der kriegführenden Mächte zu kreuzen und Krieg zu führen, ferner,
daß ein neutraler Staat auch Privatpersonen an der Verletzung dieser Pflichten
hindern müsse.

Die Festsetzung der Höhe der Entschädigung wurde einem Schiedsgericht
überwiesen, das in Genf zusammentrat und endlich am 14. September 1872
nach langwierigen Verhandlungen über den Begriff der direkten und indirekten
Schädigung des nordstaatlichen Handels bestimmte, daß England für die ver¬
ursachten Verluste einen Schadenersatz von 15^ Millionen Dollar zu leisten
habe. Damit hatten die Amerikaner gesiegt und England eine empfindliche
Demütigung zugefügt.




it)le spricht Tommy Aelius?
von Winfried Lüdecke

er Krieg, dieser große Vernichter so vieler geistiger und materieller
Werte, wirkt dennoch auf die Sprache befruchtend und schöpferisch,
und die schon im Frieden reich entwickelte Kasernensprache unserer
Soldaten hat sich an der Front, im Schützengraben und auf dem
Schlachtfelde, in ungeahnter Weise weitergebildet. Es sind zahl¬
lose Neubildungen entstanden, und nichts zeugt deutlicher von der kraftvollen,
frohen und zuversichtlichen Stimmung des Feldgrauen als diese auschavlichen
witzigen, scharf das Wesentliche kennzeichnenden neuen Wörter und Wendungen
seiner Sprache! Nicht nur mit der Schärfe des Bajonetts, auch mit der
Schärfe des Wortes sucht der deutsche Soldat dem Feinde zu trotzen.

Aber auch unsere Feinde haben eine Soldatensprache. Hier sei einmal
kurz die Feldsprache des englischen Soldaten betrachtet, wie sie uns in eng¬
lischen Schiffspost- und Feldpostbriefen entgegentritt. Die Ausbeute ist nicht
allzu groß, eine Tatsache, die in dem durchaus auf das Wirkliche, Tatsächliche
gerichteten englischen Nationalcharakter begründet liegen dürste, in einer ge¬
wissen angelsächsischen geistigen Schwerfälligkeit, die mit dem praktischen Blitzen


Wie spricht Tommy Aelius?

Und hier wurde England wirklich dazu gezwungen, Buße zu tun und zum ersten
Mal Neutralitätspflichten in einem Seekriege anzuerkennen, die es bis dahin
mit selbstsüchtiger Entschiedenheit abgelehnt hatte. Nach der Erklärung des Be¬
dauerns über die zugelassene Ausfahrt der „Alabama" und der anderen Kaper
in der Einleitung des Washingtoner Vertrages, mußte es sich zu der Anerkennung
des völkerrechtlichen Grundsatzes bequemen, kein neutraler Staat dürste ge¬
statten, daß auf seinem Gebiet Schiffe ausgerüstet würden, die bestimmt seien,
gegen eine der kriegführenden Mächte zu kreuzen und Krieg zu führen, ferner,
daß ein neutraler Staat auch Privatpersonen an der Verletzung dieser Pflichten
hindern müsse.

Die Festsetzung der Höhe der Entschädigung wurde einem Schiedsgericht
überwiesen, das in Genf zusammentrat und endlich am 14. September 1872
nach langwierigen Verhandlungen über den Begriff der direkten und indirekten
Schädigung des nordstaatlichen Handels bestimmte, daß England für die ver¬
ursachten Verluste einen Schadenersatz von 15^ Millionen Dollar zu leisten
habe. Damit hatten die Amerikaner gesiegt und England eine empfindliche
Demütigung zugefügt.




it)le spricht Tommy Aelius?
von Winfried Lüdecke

er Krieg, dieser große Vernichter so vieler geistiger und materieller
Werte, wirkt dennoch auf die Sprache befruchtend und schöpferisch,
und die schon im Frieden reich entwickelte Kasernensprache unserer
Soldaten hat sich an der Front, im Schützengraben und auf dem
Schlachtfelde, in ungeahnter Weise weitergebildet. Es sind zahl¬
lose Neubildungen entstanden, und nichts zeugt deutlicher von der kraftvollen,
frohen und zuversichtlichen Stimmung des Feldgrauen als diese auschavlichen
witzigen, scharf das Wesentliche kennzeichnenden neuen Wörter und Wendungen
seiner Sprache! Nicht nur mit der Schärfe des Bajonetts, auch mit der
Schärfe des Wortes sucht der deutsche Soldat dem Feinde zu trotzen.

Aber auch unsere Feinde haben eine Soldatensprache. Hier sei einmal
kurz die Feldsprache des englischen Soldaten betrachtet, wie sie uns in eng¬
lischen Schiffspost- und Feldpostbriefen entgegentritt. Die Ausbeute ist nicht
allzu groß, eine Tatsache, die in dem durchaus auf das Wirkliche, Tatsächliche
gerichteten englischen Nationalcharakter begründet liegen dürste, in einer ge¬
wissen angelsächsischen geistigen Schwerfälligkeit, die mit dem praktischen Blitzen


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[0197] Wie spricht Tommy Aelius? Und hier wurde England wirklich dazu gezwungen, Buße zu tun und zum ersten Mal Neutralitätspflichten in einem Seekriege anzuerkennen, die es bis dahin mit selbstsüchtiger Entschiedenheit abgelehnt hatte. Nach der Erklärung des Be¬ dauerns über die zugelassene Ausfahrt der „Alabama" und der anderen Kaper in der Einleitung des Washingtoner Vertrages, mußte es sich zu der Anerkennung des völkerrechtlichen Grundsatzes bequemen, kein neutraler Staat dürste ge¬ statten, daß auf seinem Gebiet Schiffe ausgerüstet würden, die bestimmt seien, gegen eine der kriegführenden Mächte zu kreuzen und Krieg zu führen, ferner, daß ein neutraler Staat auch Privatpersonen an der Verletzung dieser Pflichten hindern müsse. Die Festsetzung der Höhe der Entschädigung wurde einem Schiedsgericht überwiesen, das in Genf zusammentrat und endlich am 14. September 1872 nach langwierigen Verhandlungen über den Begriff der direkten und indirekten Schädigung des nordstaatlichen Handels bestimmte, daß England für die ver¬ ursachten Verluste einen Schadenersatz von 15^ Millionen Dollar zu leisten habe. Damit hatten die Amerikaner gesiegt und England eine empfindliche Demütigung zugefügt. it)le spricht Tommy Aelius? von Winfried Lüdecke er Krieg, dieser große Vernichter so vieler geistiger und materieller Werte, wirkt dennoch auf die Sprache befruchtend und schöpferisch, und die schon im Frieden reich entwickelte Kasernensprache unserer Soldaten hat sich an der Front, im Schützengraben und auf dem Schlachtfelde, in ungeahnter Weise weitergebildet. Es sind zahl¬ lose Neubildungen entstanden, und nichts zeugt deutlicher von der kraftvollen, frohen und zuversichtlichen Stimmung des Feldgrauen als diese auschavlichen witzigen, scharf das Wesentliche kennzeichnenden neuen Wörter und Wendungen seiner Sprache! Nicht nur mit der Schärfe des Bajonetts, auch mit der Schärfe des Wortes sucht der deutsche Soldat dem Feinde zu trotzen. Aber auch unsere Feinde haben eine Soldatensprache. Hier sei einmal kurz die Feldsprache des englischen Soldaten betrachtet, wie sie uns in eng¬ lischen Schiffspost- und Feldpostbriefen entgegentritt. Die Ausbeute ist nicht allzu groß, eine Tatsache, die in dem durchaus auf das Wirkliche, Tatsächliche gerichteten englischen Nationalcharakter begründet liegen dürste, in einer ge¬ wissen angelsächsischen geistigen Schwerfälligkeit, die mit dem praktischen Blitzen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330971/197>, abgerufen am 27.04.2024.