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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr.

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Neue Bücher

Der Barde. Die schönsten historischen Gedichte von den Anfängen deutscher Ge¬
schichte bis zur Gegenwart. Herausgegeben von Walther Eggcrt - Windegg,
C. H. Beck. München. Preis (> Mark.

Gar selten in der Welt kommt die rechte Aufgabe in die rechte Hand und schafft
ein Werk zur rechten Zeit. Und wie alles was meisterhaft gemacht wird leicht
aussieht, so fragen wir uns verwundert: warum haben wir dies Buch nicht schon
lange? Wir blättern im Inhaltsverzeichnis, lesen die Namen unserer Besten,
finden jede Epoche unserer Geschichte, Zeit und Vorzeit, fast lückenlos. Ja, wer
wußte denn, daß wir das alles haben, daß dies ganze Werden, Wachsen und
vielfältige Ringen unseres Volkes sich so vollkommen in den Werken unserer Dichter
spiegelt? Nur aus jahrelanger Beschäftigung mit dem Plane konnte diese Sammlung
entstehen.

Sehen wir zu, wie der Herausgeber sein Werk aufgebaut hat. Es ist in
zehn Bücher und sechsunddreißig Kapitel gegliedert und beginnt mit unserer Los¬
lösung aus römischem Joch: Germanen und Römer. Hermann Linggs Spartacus
ist der kraftvolle Prolog: "Der Menschheit ganzes Herz erwache!"

Ein paar Beispiele mögen zeigen, wie die einzelnen Epochen dargestellt sind.
Die Zeit der Völkerwanderung: Börries von Münchhausens "Hunnenzug" gibt
Schauplatz, Zeit und Stimmung, und wie Korr. F. Meyer, Hermann Lingg,
Wilhelm Hertz von ihm singen und sagen, steht ein gewaltiges Bild Attilas vor
uns. Oder: Uhland und Detlev von Liliencron und Strachwitz geben uns, jeder
in seinem Ton, lebendige Kunde vom Roland.

Unter die glänzenden Partien des Buches gehören, wie später das Zeitalter
Friedrich des Großen, so in der Frühzeit die Hohenstaufen mit all den verlockenden
Vorwürfen, an denen freilich ein mittelmäßiger Dichter nur scheitern kann. Es
ist aber wohl das größte und neue Verdienst dieser Sammlung, daß sie ihr Material
nicht mit Notbehelfen, die mit der Poesie nichts zu tun haben, ergänzt, sondern
das Versprechen des Titels löst und uns "die schönsten historischen Gedichte" an¬
einander reiht.

Neben den Dichtern unserer Zeit vernehmen wir auch ältere Klänge. Walther
von der Vogelweide kann nicht fehlen, Zeitlieder, deren Dichter man nicht kennt
und vieles, was Winterfelds verdienstreichem Buch: "Die deutschen Dichter des
lateinischen Mittelalters" entnommen ist. Solche Stücke sind sozusagen die Stimm¬
gabel, die Reinheit des Tones bei den Neueren zu prüfen. Und wir erkennen
z. B.. daß die späteren Dichtungen in Eggert-Windeggs Auswahl mit den Versen
Rollers und des Mönchs von Kloster Bobbio in gutem Einklang stehen.

Die Überleitung von einer Epoche zur anderen ist meist sehr glücklich. So
zeigt es von tiefem historischen Verstehen, daß zwischen die Gedichte aus der
fredericianischen Zeit und jene aus der Revolution Schubarts ergreifendes Kaplied




Neue Bücher

Der Barde. Die schönsten historischen Gedichte von den Anfängen deutscher Ge¬
schichte bis zur Gegenwart. Herausgegeben von Walther Eggcrt - Windegg,
C. H. Beck. München. Preis (> Mark.

Gar selten in der Welt kommt die rechte Aufgabe in die rechte Hand und schafft
ein Werk zur rechten Zeit. Und wie alles was meisterhaft gemacht wird leicht
aussieht, so fragen wir uns verwundert: warum haben wir dies Buch nicht schon
lange? Wir blättern im Inhaltsverzeichnis, lesen die Namen unserer Besten,
finden jede Epoche unserer Geschichte, Zeit und Vorzeit, fast lückenlos. Ja, wer
wußte denn, daß wir das alles haben, daß dies ganze Werden, Wachsen und
vielfältige Ringen unseres Volkes sich so vollkommen in den Werken unserer Dichter
spiegelt? Nur aus jahrelanger Beschäftigung mit dem Plane konnte diese Sammlung
entstehen.

Sehen wir zu, wie der Herausgeber sein Werk aufgebaut hat. Es ist in
zehn Bücher und sechsunddreißig Kapitel gegliedert und beginnt mit unserer Los¬
lösung aus römischem Joch: Germanen und Römer. Hermann Linggs Spartacus
ist der kraftvolle Prolog: „Der Menschheit ganzes Herz erwache!"

Ein paar Beispiele mögen zeigen, wie die einzelnen Epochen dargestellt sind.
Die Zeit der Völkerwanderung: Börries von Münchhausens „Hunnenzug" gibt
Schauplatz, Zeit und Stimmung, und wie Korr. F. Meyer, Hermann Lingg,
Wilhelm Hertz von ihm singen und sagen, steht ein gewaltiges Bild Attilas vor
uns. Oder: Uhland und Detlev von Liliencron und Strachwitz geben uns, jeder
in seinem Ton, lebendige Kunde vom Roland.

Unter die glänzenden Partien des Buches gehören, wie später das Zeitalter
Friedrich des Großen, so in der Frühzeit die Hohenstaufen mit all den verlockenden
Vorwürfen, an denen freilich ein mittelmäßiger Dichter nur scheitern kann. Es
ist aber wohl das größte und neue Verdienst dieser Sammlung, daß sie ihr Material
nicht mit Notbehelfen, die mit der Poesie nichts zu tun haben, ergänzt, sondern
das Versprechen des Titels löst und uns „die schönsten historischen Gedichte" an¬
einander reiht.

Neben den Dichtern unserer Zeit vernehmen wir auch ältere Klänge. Walther
von der Vogelweide kann nicht fehlen, Zeitlieder, deren Dichter man nicht kennt
und vieles, was Winterfelds verdienstreichem Buch: „Die deutschen Dichter des
lateinischen Mittelalters" entnommen ist. Solche Stücke sind sozusagen die Stimm¬
gabel, die Reinheit des Tones bei den Neueren zu prüfen. Und wir erkennen
z. B.. daß die späteren Dichtungen in Eggert-Windeggs Auswahl mit den Versen
Rollers und des Mönchs von Kloster Bobbio in gutem Einklang stehen.

Die Überleitung von einer Epoche zur anderen ist meist sehr glücklich. So
zeigt es von tiefem historischen Verstehen, daß zwischen die Gedichte aus der
fredericianischen Zeit und jene aus der Revolution Schubarts ergreifendes Kaplied


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[0299] [Abbildung] Neue Bücher Der Barde. Die schönsten historischen Gedichte von den Anfängen deutscher Ge¬ schichte bis zur Gegenwart. Herausgegeben von Walther Eggcrt - Windegg, C. H. Beck. München. Preis (> Mark. Gar selten in der Welt kommt die rechte Aufgabe in die rechte Hand und schafft ein Werk zur rechten Zeit. Und wie alles was meisterhaft gemacht wird leicht aussieht, so fragen wir uns verwundert: warum haben wir dies Buch nicht schon lange? Wir blättern im Inhaltsverzeichnis, lesen die Namen unserer Besten, finden jede Epoche unserer Geschichte, Zeit und Vorzeit, fast lückenlos. Ja, wer wußte denn, daß wir das alles haben, daß dies ganze Werden, Wachsen und vielfältige Ringen unseres Volkes sich so vollkommen in den Werken unserer Dichter spiegelt? Nur aus jahrelanger Beschäftigung mit dem Plane konnte diese Sammlung entstehen. Sehen wir zu, wie der Herausgeber sein Werk aufgebaut hat. Es ist in zehn Bücher und sechsunddreißig Kapitel gegliedert und beginnt mit unserer Los¬ lösung aus römischem Joch: Germanen und Römer. Hermann Linggs Spartacus ist der kraftvolle Prolog: „Der Menschheit ganzes Herz erwache!" Ein paar Beispiele mögen zeigen, wie die einzelnen Epochen dargestellt sind. Die Zeit der Völkerwanderung: Börries von Münchhausens „Hunnenzug" gibt Schauplatz, Zeit und Stimmung, und wie Korr. F. Meyer, Hermann Lingg, Wilhelm Hertz von ihm singen und sagen, steht ein gewaltiges Bild Attilas vor uns. Oder: Uhland und Detlev von Liliencron und Strachwitz geben uns, jeder in seinem Ton, lebendige Kunde vom Roland. Unter die glänzenden Partien des Buches gehören, wie später das Zeitalter Friedrich des Großen, so in der Frühzeit die Hohenstaufen mit all den verlockenden Vorwürfen, an denen freilich ein mittelmäßiger Dichter nur scheitern kann. Es ist aber wohl das größte und neue Verdienst dieser Sammlung, daß sie ihr Material nicht mit Notbehelfen, die mit der Poesie nichts zu tun haben, ergänzt, sondern das Versprechen des Titels löst und uns „die schönsten historischen Gedichte" an¬ einander reiht. Neben den Dichtern unserer Zeit vernehmen wir auch ältere Klänge. Walther von der Vogelweide kann nicht fehlen, Zeitlieder, deren Dichter man nicht kennt und vieles, was Winterfelds verdienstreichem Buch: „Die deutschen Dichter des lateinischen Mittelalters" entnommen ist. Solche Stücke sind sozusagen die Stimm¬ gabel, die Reinheit des Tones bei den Neueren zu prüfen. Und wir erkennen z. B.. daß die späteren Dichtungen in Eggert-Windeggs Auswahl mit den Versen Rollers und des Mönchs von Kloster Bobbio in gutem Einklang stehen. Die Überleitung von einer Epoche zur anderen ist meist sehr glücklich. So zeigt es von tiefem historischen Verstehen, daß zwischen die Gedichte aus der fredericianischen Zeit und jene aus der Revolution Schubarts ergreifendes Kaplied

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330971/299>, abgerufen am 27.04.2024.