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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr.

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Delli Omer*)
Die Geschichte eines türkischen Lastträgers
von M. S. Larsen

in pockennarbiger Lastträger in rotem Hemd, blauen sackartigen
Hosen und breiter Leibbinde entstieg in der Bucht von Bebe! einer
schwerfälligen, von vier Ruderern bedienten Barke. Mit seiner
gut verschnürten Matratze auf dem Rücken und einem Bündel
Leibwäsche in der Hand trat er beim Hauat-Kaffeehaus des
Bosporusdörfchens ein und verlangte den Obmann der Lastträgergilde zu sprechen.

Es war um die Mittagszeit; ein paar breitschultrige Burschen lagen auf .
den Holzbauten und schliefen, andere spielten Karten. Hassan, der Obmann,
löffelte aus einem braunen Topf seine in Öl gekochten Bohnen und steckte sich
zwischenhinein große Stücke Brot in die Backentaschen. Da er keine Lust hatte,
sich im Essen stören zu lassen, fuhr er mit der Hand durch den grauen Bart
und streckte sie verschmitzt lächelnd nach dem Ankömmling aus. Dieser verstand
sofort, was das Zeichen bedeuten sollte.

"Ich bin dir wohl zu jung?" sagte Omer und verzog den Mund zu einem
breiten Grinsen, "du bist gewiß schon mit dem Bart aus die Welt gekommen!
Aber, weißt du, wir von Jsnik kriegen ihn erst, wenn wir alte Esel werden!"

Die Spieler schauten von ihren Karten auf und begannen zu lachen.
Hassan stellte den Topf hin; er schien mit seinen kleinen tiefliegenden Augen
den kecken Burschen durchbohren zu wollen.

"Und das sagst du Hassan, dem Hamalbaschi. der dir Arbeit geben soll?"

"Nichts für ungut, Effendi." beschwichtigte Omer den Riesen und stellte
sich breit vor ihn auf. "Du weißt doch noch gar nicht, wer ich bin. War
nicht ein gewisser Hussein aus Jsnik vor dir Hamalbaschi hier?"

Hassan sperrte vor Staunen den Mund weit auf.

"Und hat er dir beim Weggehen nicht noch zwei Medschidieh (Taler) ge-
geben," fuhr Omer unbeirrt fort, "daß du dann seinen Sohn in die Gilde auf¬
nehmen solltest? Der Sohn, das bin ich; somit wäre doch alles in Ordnung!"

"Das hättest du mir gleich sagen können." brummte Hassan verlegen,
"aber kannst du denn einen Sack Mehl vom Schiff bis zum Furun (Backofen)
tragen, ohne umzufallen?"



") sprich: Omör.


Delli Omer*)
Die Geschichte eines türkischen Lastträgers
von M. S. Larsen

in pockennarbiger Lastträger in rotem Hemd, blauen sackartigen
Hosen und breiter Leibbinde entstieg in der Bucht von Bebe! einer
schwerfälligen, von vier Ruderern bedienten Barke. Mit seiner
gut verschnürten Matratze auf dem Rücken und einem Bündel
Leibwäsche in der Hand trat er beim Hauat-Kaffeehaus des
Bosporusdörfchens ein und verlangte den Obmann der Lastträgergilde zu sprechen.

Es war um die Mittagszeit; ein paar breitschultrige Burschen lagen auf .
den Holzbauten und schliefen, andere spielten Karten. Hassan, der Obmann,
löffelte aus einem braunen Topf seine in Öl gekochten Bohnen und steckte sich
zwischenhinein große Stücke Brot in die Backentaschen. Da er keine Lust hatte,
sich im Essen stören zu lassen, fuhr er mit der Hand durch den grauen Bart
und streckte sie verschmitzt lächelnd nach dem Ankömmling aus. Dieser verstand
sofort, was das Zeichen bedeuten sollte.

„Ich bin dir wohl zu jung?" sagte Omer und verzog den Mund zu einem
breiten Grinsen, „du bist gewiß schon mit dem Bart aus die Welt gekommen!
Aber, weißt du, wir von Jsnik kriegen ihn erst, wenn wir alte Esel werden!"

Die Spieler schauten von ihren Karten auf und begannen zu lachen.
Hassan stellte den Topf hin; er schien mit seinen kleinen tiefliegenden Augen
den kecken Burschen durchbohren zu wollen.

„Und das sagst du Hassan, dem Hamalbaschi. der dir Arbeit geben soll?"

„Nichts für ungut, Effendi." beschwichtigte Omer den Riesen und stellte
sich breit vor ihn auf. „Du weißt doch noch gar nicht, wer ich bin. War
nicht ein gewisser Hussein aus Jsnik vor dir Hamalbaschi hier?"

Hassan sperrte vor Staunen den Mund weit auf.

„Und hat er dir beim Weggehen nicht noch zwei Medschidieh (Taler) ge-
geben," fuhr Omer unbeirrt fort, „daß du dann seinen Sohn in die Gilde auf¬
nehmen solltest? Der Sohn, das bin ich; somit wäre doch alles in Ordnung!"

„Das hättest du mir gleich sagen können." brummte Hassan verlegen,
„aber kannst du denn einen Sack Mehl vom Schiff bis zum Furun (Backofen)
tragen, ohne umzufallen?"



") sprich: Omör.
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[0409] [Abbildung] Delli Omer*) Die Geschichte eines türkischen Lastträgers von M. S. Larsen in pockennarbiger Lastträger in rotem Hemd, blauen sackartigen Hosen und breiter Leibbinde entstieg in der Bucht von Bebe! einer schwerfälligen, von vier Ruderern bedienten Barke. Mit seiner gut verschnürten Matratze auf dem Rücken und einem Bündel Leibwäsche in der Hand trat er beim Hauat-Kaffeehaus des Bosporusdörfchens ein und verlangte den Obmann der Lastträgergilde zu sprechen. Es war um die Mittagszeit; ein paar breitschultrige Burschen lagen auf . den Holzbauten und schliefen, andere spielten Karten. Hassan, der Obmann, löffelte aus einem braunen Topf seine in Öl gekochten Bohnen und steckte sich zwischenhinein große Stücke Brot in die Backentaschen. Da er keine Lust hatte, sich im Essen stören zu lassen, fuhr er mit der Hand durch den grauen Bart und streckte sie verschmitzt lächelnd nach dem Ankömmling aus. Dieser verstand sofort, was das Zeichen bedeuten sollte. „Ich bin dir wohl zu jung?" sagte Omer und verzog den Mund zu einem breiten Grinsen, „du bist gewiß schon mit dem Bart aus die Welt gekommen! Aber, weißt du, wir von Jsnik kriegen ihn erst, wenn wir alte Esel werden!" Die Spieler schauten von ihren Karten auf und begannen zu lachen. Hassan stellte den Topf hin; er schien mit seinen kleinen tiefliegenden Augen den kecken Burschen durchbohren zu wollen. „Und das sagst du Hassan, dem Hamalbaschi. der dir Arbeit geben soll?" „Nichts für ungut, Effendi." beschwichtigte Omer den Riesen und stellte sich breit vor ihn auf. „Du weißt doch noch gar nicht, wer ich bin. War nicht ein gewisser Hussein aus Jsnik vor dir Hamalbaschi hier?" Hassan sperrte vor Staunen den Mund weit auf. „Und hat er dir beim Weggehen nicht noch zwei Medschidieh (Taler) ge- geben," fuhr Omer unbeirrt fort, „daß du dann seinen Sohn in die Gilde auf¬ nehmen solltest? Der Sohn, das bin ich; somit wäre doch alles in Ordnung!" „Das hättest du mir gleich sagen können." brummte Hassan verlegen, „aber kannst du denn einen Sack Mehl vom Schiff bis zum Furun (Backofen) tragen, ohne umzufallen?" ") sprich: Omör.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330971/409>, abgerufen am 27.04.2024.