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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.

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Finnlands Befreiung
Hauptmann Ernst Tiljedahl, vonMitglied des schwedischen Reichstages

uf einer allgemeinen schwedischen Studentenversammlung in Finn-
^ 6' April 1913 ein Anleitung gehender Beschluß ge
^M°W faßt worden, den die Vorsitzenden der verschiedenen Korporationen
W unterzeichnet haben und der dann in den schwedischen Zeitungen
sKd-^W Finnlands veröffentlicht worden ist. Er lautet folgendermaßen:

"Die schwedischen Studenten Finnlands, die beschlossen haben, sich
anstatt der Worte Finne und finnisch von nun an nur noch der Worte
Finnländer und finnländisch zur politischen Bezeichnung aller Staatsbürger
Finnlands, einerlei welcher Sprache oder welcher Nationalität, zu bedienen,
erlauben sich hiermit, die schwedischen Journalisten Finnlands aufzufordern, sich
auch ihrerseits dieser Reform anzuschließen, damit das Publikum dadurch be¬
einflußt werde und die Abänderung größtmögliche Verbreitung erlange."

In dieser anscheinend unwichtigen Namensfrage ist das ganze Problem
Finnland*) eingeschlossen, und sie wird vielleicht in einer gewissen weltpolitischen
Lage über Krieg und Frieden bestimmen. Seit unvordenklichen Zeiten find
die Schweden Finnlands sowohl mit den Finnen Finnlands wie auch mit den
Schweden Schwedens eng verbunden gewesen. Da erhebt sich nun die Frage: zu
welcher der beiden Nationen gehören sie in ihrer Eigenschaft als Patrioten?
Die Verbindung mit Schweden läßt sich nicht abbrechen, sie muß sogar noch
ergiebiger werden als bisher, wenn das Schwedentum in Finnland nicht die
Mutter seiner Kultur, sein geistiges Verknüpftsein mit schwedischer Literatur
und der Entwicklung der Reichssprache, die zu dem Begriffe Schweden gehört,
verlieren soll. Anderseits trennt der Bottnische Meerbusen die Schweden Finn¬
lands von dem "alten Mutterlande" und weist sie auf Finnland hin, das sie
gemeinsam mit den Finnen besitzen, auf das Land, wo ihnen gemeinsam
Wälder rauschen und tausend Seen glänzen, auf -- "unser Land, unser Land,
unser Vaterland".

Jenes Gedicht Runebergs löst das Grundproblem Finnlands. Der Vater¬
landsbegriff ist mit denselben Tönen, wenn auch in zwei verschiedenen Sprachen
in Finnlands Schweden und Finnen hineingesungen. Schwedischsprechende
Dörfer grenzen stellenweise an finnischsprechende. Sie find freilich durch die
Sprache ihrer Zungen und die Eigenart ihrer Seelen voneinander getrennt.



Bgl, "Finnlands Problem" in Heft 6 der Grenzboten 1917.


Finnlands Befreiung
Hauptmann Ernst Tiljedahl, vonMitglied des schwedischen Reichstages

uf einer allgemeinen schwedischen Studentenversammlung in Finn-
^ 6' April 1913 ein Anleitung gehender Beschluß ge
^M°W faßt worden, den die Vorsitzenden der verschiedenen Korporationen
W unterzeichnet haben und der dann in den schwedischen Zeitungen
sKd-^W Finnlands veröffentlicht worden ist. Er lautet folgendermaßen:

„Die schwedischen Studenten Finnlands, die beschlossen haben, sich
anstatt der Worte Finne und finnisch von nun an nur noch der Worte
Finnländer und finnländisch zur politischen Bezeichnung aller Staatsbürger
Finnlands, einerlei welcher Sprache oder welcher Nationalität, zu bedienen,
erlauben sich hiermit, die schwedischen Journalisten Finnlands aufzufordern, sich
auch ihrerseits dieser Reform anzuschließen, damit das Publikum dadurch be¬
einflußt werde und die Abänderung größtmögliche Verbreitung erlange."

In dieser anscheinend unwichtigen Namensfrage ist das ganze Problem
Finnland*) eingeschlossen, und sie wird vielleicht in einer gewissen weltpolitischen
Lage über Krieg und Frieden bestimmen. Seit unvordenklichen Zeiten find
die Schweden Finnlands sowohl mit den Finnen Finnlands wie auch mit den
Schweden Schwedens eng verbunden gewesen. Da erhebt sich nun die Frage: zu
welcher der beiden Nationen gehören sie in ihrer Eigenschaft als Patrioten?
Die Verbindung mit Schweden läßt sich nicht abbrechen, sie muß sogar noch
ergiebiger werden als bisher, wenn das Schwedentum in Finnland nicht die
Mutter seiner Kultur, sein geistiges Verknüpftsein mit schwedischer Literatur
und der Entwicklung der Reichssprache, die zu dem Begriffe Schweden gehört,
verlieren soll. Anderseits trennt der Bottnische Meerbusen die Schweden Finn¬
lands von dem „alten Mutterlande" und weist sie auf Finnland hin, das sie
gemeinsam mit den Finnen besitzen, auf das Land, wo ihnen gemeinsam
Wälder rauschen und tausend Seen glänzen, auf — „unser Land, unser Land,
unser Vaterland".

Jenes Gedicht Runebergs löst das Grundproblem Finnlands. Der Vater¬
landsbegriff ist mit denselben Tönen, wenn auch in zwei verschiedenen Sprachen
in Finnlands Schweden und Finnen hineingesungen. Schwedischsprechende
Dörfer grenzen stellenweise an finnischsprechende. Sie find freilich durch die
Sprache ihrer Zungen und die Eigenart ihrer Seelen voneinander getrennt.



Bgl, „Finnlands Problem" in Heft 6 der Grenzboten 1917.
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[0178] [Abbildung] Finnlands Befreiung Hauptmann Ernst Tiljedahl, vonMitglied des schwedischen Reichstages uf einer allgemeinen schwedischen Studentenversammlung in Finn- ^ 6' April 1913 ein Anleitung gehender Beschluß ge ^M°W faßt worden, den die Vorsitzenden der verschiedenen Korporationen W unterzeichnet haben und der dann in den schwedischen Zeitungen sKd-^W Finnlands veröffentlicht worden ist. Er lautet folgendermaßen: „Die schwedischen Studenten Finnlands, die beschlossen haben, sich anstatt der Worte Finne und finnisch von nun an nur noch der Worte Finnländer und finnländisch zur politischen Bezeichnung aller Staatsbürger Finnlands, einerlei welcher Sprache oder welcher Nationalität, zu bedienen, erlauben sich hiermit, die schwedischen Journalisten Finnlands aufzufordern, sich auch ihrerseits dieser Reform anzuschließen, damit das Publikum dadurch be¬ einflußt werde und die Abänderung größtmögliche Verbreitung erlange." In dieser anscheinend unwichtigen Namensfrage ist das ganze Problem Finnland*) eingeschlossen, und sie wird vielleicht in einer gewissen weltpolitischen Lage über Krieg und Frieden bestimmen. Seit unvordenklichen Zeiten find die Schweden Finnlands sowohl mit den Finnen Finnlands wie auch mit den Schweden Schwedens eng verbunden gewesen. Da erhebt sich nun die Frage: zu welcher der beiden Nationen gehören sie in ihrer Eigenschaft als Patrioten? Die Verbindung mit Schweden läßt sich nicht abbrechen, sie muß sogar noch ergiebiger werden als bisher, wenn das Schwedentum in Finnland nicht die Mutter seiner Kultur, sein geistiges Verknüpftsein mit schwedischer Literatur und der Entwicklung der Reichssprache, die zu dem Begriffe Schweden gehört, verlieren soll. Anderseits trennt der Bottnische Meerbusen die Schweden Finn¬ lands von dem „alten Mutterlande" und weist sie auf Finnland hin, das sie gemeinsam mit den Finnen besitzen, auf das Land, wo ihnen gemeinsam Wälder rauschen und tausend Seen glänzen, auf — „unser Land, unser Land, unser Vaterland". Jenes Gedicht Runebergs löst das Grundproblem Finnlands. Der Vater¬ landsbegriff ist mit denselben Tönen, wenn auch in zwei verschiedenen Sprachen in Finnlands Schweden und Finnen hineingesungen. Schwedischsprechende Dörfer grenzen stellenweise an finnischsprechende. Sie find freilich durch die Sprache ihrer Zungen und die Eigenart ihrer Seelen voneinander getrennt. Bgl, „Finnlands Problem" in Heft 6 der Grenzboten 1917.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409/178>, abgerufen am 03.05.2024.