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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.

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Deutschland und England in Afrika

den Burenrepubliken konnte zweifelhaft sein. Portugals südafrikanische Be¬
sitzungen der Ost- und Westküste verlangten ja geradezu nach einer Vereinigung
über den inneren Kontinent hinweg. Vor 1876 schien diese Möglichkeit
noch gegeben, schwand dann aber vollends, als die Kongofrage andere
innerafrikanische Fragen aufrollte. Als 1886 der Gedanke in Portugal von
neuem auftauchte, war es bereits zu spät. Neuerdings scheint England
Portugiesisch-Ostafrika vom Njassasee her geradezu rückwärts anzufallen, um die
wichtige innerafn?"mische Verbindung Njafsasee-Sambesimündung in seine Hände
zu bekommen. Daß Portugiesisch-Ostafrika in dem Augenblick, wo dieser Rücken-
stoß die Kolonie in zwei-Teile zerschneidet, zu bestehen aufgehört hat, d. h. in
dem englischen Kolonialreich aufgeht, dürfte kaum zweifelhaft sein*). Wie
England feinen Überfall auf die Burenrepubliken zur Verwirklichung feiner süd¬
afrikanischen Pläne vorbereitete, ist zu bekannt, als daß es an dieser Stelle noch¬
mals erörtert werden müßte. Es brauchen nur die Namen Jameson und Cecil
Rhodes genannt zu werden. Nur die eine Tatsache sei nochmals betont, daß
die Knebelung Portugals in Ostafrika das endgültige Geschick der Burenrepubliken
bereits ahnen ließ. Kaum besser als durch den Verlauf der englisch-südafrika-
mschen Politik mit dem Ziele eines britischen Afrikareiches wird das alte Wort
wieder bestätigt, daß Sentimentaliä't keinen Platz in der Politik hat, ein Wort,
daß auch uns, namentlich England selbst gegenüber, unbeschadet unseres Rufes,
nicht so oft aus dem Gedächtnis entschwinden sollte!

Für den Ausbau des britischen Afrikareichs vom'Kap bis zum Nil hatte
die Einengung Deutsch-Südwestafrikas, des einzigen für England wirklich be¬
drohlichen Besitzes, die große Bedeutung, daß der angeblich versuchte Einbruch
der Deutschen nach dem Innern und ihre Vereinigung mit den Burenstaaten
mißglückte. Wie ein Symbol der Anfang der neunziger Jahre in die Klemme
geratenen deutsch-südwestaftikanischen Politik streckt sich noch heute der Kaprivi-
zipfel vergeblich verlangend gen Osten. --


Togo und Kamerun.

Nicht viel besser für die deutsche Kolonialentwicklung
liegen die Dinge in Togo und Kamerun. Auch hier ist nach Besitzergreifung
der Gebiete die deutsche Kolonialpolitik nicht vom Glück begünstigt worden, und
die gegenwärtigen territorialen Zustände, besonders in Kamerun, tragen bereits
vom ersten Tage ihrer Festlegung an den Keim der Neuordnung in sich, die
hoffentlich nicht allzu fern ist und nicht allzu schwierig sein dürste.

In Westafrika sind gemäß der orographischen Gestaltung des Erdteils das
Kongo- und Nigerbecken die natürlichen Ziele jeder europäischen Kolonisation



Johnston sagt als Erläuterung zu seiner Karte: "Wie Afrika nach dem Kriege
aussehen wird" (Vortrag in der Royal Geogravhical Society, 24. Februar 19Is, abgedruckt
Deutsche Kolonialzeitung, 191S, Ur. 7, Sonderbeilage und "Weltwirtschaftliches Archiv",
Oktober 1915): "England wird Portugal die Tungibucht (Mündung des Rovumo.) im Norden
anbieten und dafür das Stückchen Land erbitten (I), welches Britisch-Njassaland von dem
schiffbaren Sambesi noch trennt."
Deutschland und England in Afrika

den Burenrepubliken konnte zweifelhaft sein. Portugals südafrikanische Be¬
sitzungen der Ost- und Westküste verlangten ja geradezu nach einer Vereinigung
über den inneren Kontinent hinweg. Vor 1876 schien diese Möglichkeit
noch gegeben, schwand dann aber vollends, als die Kongofrage andere
innerafrikanische Fragen aufrollte. Als 1886 der Gedanke in Portugal von
neuem auftauchte, war es bereits zu spät. Neuerdings scheint England
Portugiesisch-Ostafrika vom Njassasee her geradezu rückwärts anzufallen, um die
wichtige innerafn?"mische Verbindung Njafsasee-Sambesimündung in seine Hände
zu bekommen. Daß Portugiesisch-Ostafrika in dem Augenblick, wo dieser Rücken-
stoß die Kolonie in zwei-Teile zerschneidet, zu bestehen aufgehört hat, d. h. in
dem englischen Kolonialreich aufgeht, dürfte kaum zweifelhaft sein*). Wie
England feinen Überfall auf die Burenrepubliken zur Verwirklichung feiner süd¬
afrikanischen Pläne vorbereitete, ist zu bekannt, als daß es an dieser Stelle noch¬
mals erörtert werden müßte. Es brauchen nur die Namen Jameson und Cecil
Rhodes genannt zu werden. Nur die eine Tatsache sei nochmals betont, daß
die Knebelung Portugals in Ostafrika das endgültige Geschick der Burenrepubliken
bereits ahnen ließ. Kaum besser als durch den Verlauf der englisch-südafrika-
mschen Politik mit dem Ziele eines britischen Afrikareiches wird das alte Wort
wieder bestätigt, daß Sentimentaliä't keinen Platz in der Politik hat, ein Wort,
daß auch uns, namentlich England selbst gegenüber, unbeschadet unseres Rufes,
nicht so oft aus dem Gedächtnis entschwinden sollte!

Für den Ausbau des britischen Afrikareichs vom'Kap bis zum Nil hatte
die Einengung Deutsch-Südwestafrikas, des einzigen für England wirklich be¬
drohlichen Besitzes, die große Bedeutung, daß der angeblich versuchte Einbruch
der Deutschen nach dem Innern und ihre Vereinigung mit den Burenstaaten
mißglückte. Wie ein Symbol der Anfang der neunziger Jahre in die Klemme
geratenen deutsch-südwestaftikanischen Politik streckt sich noch heute der Kaprivi-
zipfel vergeblich verlangend gen Osten. —


Togo und Kamerun.

Nicht viel besser für die deutsche Kolonialentwicklung
liegen die Dinge in Togo und Kamerun. Auch hier ist nach Besitzergreifung
der Gebiete die deutsche Kolonialpolitik nicht vom Glück begünstigt worden, und
die gegenwärtigen territorialen Zustände, besonders in Kamerun, tragen bereits
vom ersten Tage ihrer Festlegung an den Keim der Neuordnung in sich, die
hoffentlich nicht allzu fern ist und nicht allzu schwierig sein dürste.

In Westafrika sind gemäß der orographischen Gestaltung des Erdteils das
Kongo- und Nigerbecken die natürlichen Ziele jeder europäischen Kolonisation



Johnston sagt als Erläuterung zu seiner Karte: „Wie Afrika nach dem Kriege
aussehen wird" (Vortrag in der Royal Geogravhical Society, 24. Februar 19Is, abgedruckt
Deutsche Kolonialzeitung, 191S, Ur. 7, Sonderbeilage und „Weltwirtschaftliches Archiv",
Oktober 1915): „England wird Portugal die Tungibucht (Mündung des Rovumo.) im Norden
anbieten und dafür das Stückchen Land erbitten (I), welches Britisch-Njassaland von dem
schiffbaren Sambesi noch trennt."
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[0314] Deutschland und England in Afrika den Burenrepubliken konnte zweifelhaft sein. Portugals südafrikanische Be¬ sitzungen der Ost- und Westküste verlangten ja geradezu nach einer Vereinigung über den inneren Kontinent hinweg. Vor 1876 schien diese Möglichkeit noch gegeben, schwand dann aber vollends, als die Kongofrage andere innerafrikanische Fragen aufrollte. Als 1886 der Gedanke in Portugal von neuem auftauchte, war es bereits zu spät. Neuerdings scheint England Portugiesisch-Ostafrika vom Njassasee her geradezu rückwärts anzufallen, um die wichtige innerafn?"mische Verbindung Njafsasee-Sambesimündung in seine Hände zu bekommen. Daß Portugiesisch-Ostafrika in dem Augenblick, wo dieser Rücken- stoß die Kolonie in zwei-Teile zerschneidet, zu bestehen aufgehört hat, d. h. in dem englischen Kolonialreich aufgeht, dürfte kaum zweifelhaft sein*). Wie England feinen Überfall auf die Burenrepubliken zur Verwirklichung feiner süd¬ afrikanischen Pläne vorbereitete, ist zu bekannt, als daß es an dieser Stelle noch¬ mals erörtert werden müßte. Es brauchen nur die Namen Jameson und Cecil Rhodes genannt zu werden. Nur die eine Tatsache sei nochmals betont, daß die Knebelung Portugals in Ostafrika das endgültige Geschick der Burenrepubliken bereits ahnen ließ. Kaum besser als durch den Verlauf der englisch-südafrika- mschen Politik mit dem Ziele eines britischen Afrikareiches wird das alte Wort wieder bestätigt, daß Sentimentaliä't keinen Platz in der Politik hat, ein Wort, daß auch uns, namentlich England selbst gegenüber, unbeschadet unseres Rufes, nicht so oft aus dem Gedächtnis entschwinden sollte! Für den Ausbau des britischen Afrikareichs vom'Kap bis zum Nil hatte die Einengung Deutsch-Südwestafrikas, des einzigen für England wirklich be¬ drohlichen Besitzes, die große Bedeutung, daß der angeblich versuchte Einbruch der Deutschen nach dem Innern und ihre Vereinigung mit den Burenstaaten mißglückte. Wie ein Symbol der Anfang der neunziger Jahre in die Klemme geratenen deutsch-südwestaftikanischen Politik streckt sich noch heute der Kaprivi- zipfel vergeblich verlangend gen Osten. — Togo und Kamerun. Nicht viel besser für die deutsche Kolonialentwicklung liegen die Dinge in Togo und Kamerun. Auch hier ist nach Besitzergreifung der Gebiete die deutsche Kolonialpolitik nicht vom Glück begünstigt worden, und die gegenwärtigen territorialen Zustände, besonders in Kamerun, tragen bereits vom ersten Tage ihrer Festlegung an den Keim der Neuordnung in sich, die hoffentlich nicht allzu fern ist und nicht allzu schwierig sein dürste. In Westafrika sind gemäß der orographischen Gestaltung des Erdteils das Kongo- und Nigerbecken die natürlichen Ziele jeder europäischen Kolonisation Johnston sagt als Erläuterung zu seiner Karte: „Wie Afrika nach dem Kriege aussehen wird" (Vortrag in der Royal Geogravhical Society, 24. Februar 19Is, abgedruckt Deutsche Kolonialzeitung, 191S, Ur. 7, Sonderbeilage und „Weltwirtschaftliches Archiv", Oktober 1915): „England wird Portugal die Tungibucht (Mündung des Rovumo.) im Norden anbieten und dafür das Stückchen Land erbitten (I), welches Britisch-Njassaland von dem schiffbaren Sambesi noch trennt."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409/314>, abgerufen am 02.05.2024.