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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.

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Der rumänische Bauernstand

wendige Einrichtung mit allen von den Anglokatholiken daraus gezogenen
Folgerungen -- dazu dürsten doch nur wenige bereit sein-

So wird man nicht mit einem Verschwinden des Protestantismus in
England in absehbarer Zeit rechnen dürsen. Eine beträchtliche Schwächung
aber liegt jetzt freilich schon vor. Und es ist nicht unwahrscheinlich, daß die
Hoffnungen der Anglokatholiken auf eine weitere Zurückorängung des Prote¬
stantischen durch den gegenwärtigen Krieg wenigstens teilweise sich erfüllen.
Es gibt auch jetzt noch in England, selbst in der Staatskirche, Leute, die nicht
so unbesonnen sind, in dem "deutschen Hunnentum" eine unmittelbare und
logische Folge der Lehre Luthers zu sehen. Aber die Anglokatholiken bemühen
sich redlich, den Krieg auszunutzen, um die Gefährlichkeit der deutschen prote¬
stantischen Theologie zu beweisen, die bisher in England einen so großen Ein¬
fluß hatte. Sie scheinen damit selbst in den Kreisen der Freikirchen hier und
da Eindruck zu machen. Gelingt aber die Verdrängung dieser Theologie, so
ist damit ein weiieres starkes Hindernis der anglokatholischen Bestrebungen
beseitigt, und der Weg wird freier zur gänzlichen Katholisierung der Kirche,
wenn auch noch nicht des ganzen Volkes.




Der rumänische Bauernstand
Oberlehrer Dr. H. Südhof von

Mis,xnsere Kriegsberichterstatter und Feldgrauen betonen immer wieder
den trostlosen Anblick, der sich ihnen auf dem flachen Lande in
j Rumänien darbietet. Die Bauern führen ein klägliches Dasein.
! Sie leben dahin wie das liebe Vieh, mit dem sie nicht selten im
^Winter den Wohnraum teilen müssen. Ihre Wohnungen find
eines Menschen durchaus unwürdig. In krassen Gegensatz zu diesen Bildern
steht das Leben in den Städten, vor -allem in Bukarest. Hier herrscht un¬
bekümmert um das Elend vor den Toren der größte Luxus. Dem Kenner
rumänischer Verhältnisse ist dieser Gegensatz durchaus nicht überraschend. Er
liegt begründet in den Agrarverhältnissen, hauptsächlich in der Grundbesitz-
Verteilung, die eine Ausbeutung des Bauern durch gewissenlose Großgrund¬
besitzer oder Pächter stark begünstigt.


Grenzbote^! 1917 ^ 2ö
Der rumänische Bauernstand

wendige Einrichtung mit allen von den Anglokatholiken daraus gezogenen
Folgerungen — dazu dürsten doch nur wenige bereit sein-

So wird man nicht mit einem Verschwinden des Protestantismus in
England in absehbarer Zeit rechnen dürsen. Eine beträchtliche Schwächung
aber liegt jetzt freilich schon vor. Und es ist nicht unwahrscheinlich, daß die
Hoffnungen der Anglokatholiken auf eine weitere Zurückorängung des Prote¬
stantischen durch den gegenwärtigen Krieg wenigstens teilweise sich erfüllen.
Es gibt auch jetzt noch in England, selbst in der Staatskirche, Leute, die nicht
so unbesonnen sind, in dem „deutschen Hunnentum" eine unmittelbare und
logische Folge der Lehre Luthers zu sehen. Aber die Anglokatholiken bemühen
sich redlich, den Krieg auszunutzen, um die Gefährlichkeit der deutschen prote¬
stantischen Theologie zu beweisen, die bisher in England einen so großen Ein¬
fluß hatte. Sie scheinen damit selbst in den Kreisen der Freikirchen hier und
da Eindruck zu machen. Gelingt aber die Verdrängung dieser Theologie, so
ist damit ein weiieres starkes Hindernis der anglokatholischen Bestrebungen
beseitigt, und der Weg wird freier zur gänzlichen Katholisierung der Kirche,
wenn auch noch nicht des ganzen Volkes.




Der rumänische Bauernstand
Oberlehrer Dr. H. Südhof von

Mis,xnsere Kriegsberichterstatter und Feldgrauen betonen immer wieder
den trostlosen Anblick, der sich ihnen auf dem flachen Lande in
j Rumänien darbietet. Die Bauern führen ein klägliches Dasein.
! Sie leben dahin wie das liebe Vieh, mit dem sie nicht selten im
^Winter den Wohnraum teilen müssen. Ihre Wohnungen find
eines Menschen durchaus unwürdig. In krassen Gegensatz zu diesen Bildern
steht das Leben in den Städten, vor -allem in Bukarest. Hier herrscht un¬
bekümmert um das Elend vor den Toren der größte Luxus. Dem Kenner
rumänischer Verhältnisse ist dieser Gegensatz durchaus nicht überraschend. Er
liegt begründet in den Agrarverhältnissen, hauptsächlich in der Grundbesitz-
Verteilung, die eine Ausbeutung des Bauern durch gewissenlose Großgrund¬
besitzer oder Pächter stark begünstigt.


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[0413] Der rumänische Bauernstand wendige Einrichtung mit allen von den Anglokatholiken daraus gezogenen Folgerungen — dazu dürsten doch nur wenige bereit sein- So wird man nicht mit einem Verschwinden des Protestantismus in England in absehbarer Zeit rechnen dürsen. Eine beträchtliche Schwächung aber liegt jetzt freilich schon vor. Und es ist nicht unwahrscheinlich, daß die Hoffnungen der Anglokatholiken auf eine weitere Zurückorängung des Prote¬ stantischen durch den gegenwärtigen Krieg wenigstens teilweise sich erfüllen. Es gibt auch jetzt noch in England, selbst in der Staatskirche, Leute, die nicht so unbesonnen sind, in dem „deutschen Hunnentum" eine unmittelbare und logische Folge der Lehre Luthers zu sehen. Aber die Anglokatholiken bemühen sich redlich, den Krieg auszunutzen, um die Gefährlichkeit der deutschen prote¬ stantischen Theologie zu beweisen, die bisher in England einen so großen Ein¬ fluß hatte. Sie scheinen damit selbst in den Kreisen der Freikirchen hier und da Eindruck zu machen. Gelingt aber die Verdrängung dieser Theologie, so ist damit ein weiieres starkes Hindernis der anglokatholischen Bestrebungen beseitigt, und der Weg wird freier zur gänzlichen Katholisierung der Kirche, wenn auch noch nicht des ganzen Volkes. Der rumänische Bauernstand Oberlehrer Dr. H. Südhof von Mis,xnsere Kriegsberichterstatter und Feldgrauen betonen immer wieder den trostlosen Anblick, der sich ihnen auf dem flachen Lande in j Rumänien darbietet. Die Bauern führen ein klägliches Dasein. ! Sie leben dahin wie das liebe Vieh, mit dem sie nicht selten im ^Winter den Wohnraum teilen müssen. Ihre Wohnungen find eines Menschen durchaus unwürdig. In krassen Gegensatz zu diesen Bildern steht das Leben in den Städten, vor -allem in Bukarest. Hier herrscht un¬ bekümmert um das Elend vor den Toren der größte Luxus. Dem Kenner rumänischer Verhältnisse ist dieser Gegensatz durchaus nicht überraschend. Er liegt begründet in den Agrarverhältnissen, hauptsächlich in der Grundbesitz- Verteilung, die eine Ausbeutung des Bauern durch gewissenlose Großgrund¬ besitzer oder Pächter stark begünstigt. Grenzbote^! 1917 ^ 2ö

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409/413>, abgerufen am 02.05.2024.