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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr.

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Goethe-Forschung in Frankreich

Kreise bedürfen; Städte, Körperschaften, Behörden, Vereine und Einzelpersönlich¬
keiten sollten dazu beitragen, damit dasJnstitut tatsächlich in den Stand gesetzt werde,
dem gesamten Auslandsdeutschtum eine feste Stütze nicht nur in der kommenden
Übergangszeit, sondern auch für alle Zukunft zu sein: ein zuverlässiges Binde¬
mittel zwischen den Deutschen der Heimat und des Auslandes, ein starker Damm
gegen die Gefahr, daß deutsche Kraft im Auslande verloren gehe!




Goethe-Forschung in Frankreich
von Dr. Walter Heynen

I^e vainLU ne äistrikus pss as couronnss.
Kenan, Ksponse an äiscours as HI, Lnerbulie?.

mese Faguet hat einmal das Thema "Goethe in Frankreich" so
formuliert: "Dreißig Jahre lang war Goethe für die Franzosen
der Dichter des Werther, zwanzig der des ersten Teils Faust,
weitere zwanzig der des zweiten Teils. Gegenwärtig ist er der
Dichter des Werther, der beiden Teile Faust, der Lieder und einer
Art meo-spinozistischer Philosophie mit dem Glauben an den Fortschritt. Zu
keiner Zeit ist er weder als Verfasser der Wahlverwandtschaften oder des Wilhelm
Meister noch als Dramendichter für uns von Bedeutung gewesen."

Diese Sätze mögen den Vorzug einer schematisch richtigen Disposition haben,
darüber hinaus bieten sie nichts, weil sie sich an der Oberfläche halten und mit
keinem Wort der bald leckenden, bald reißend fortspülenden Unterströmung Er¬
wähnung tun. Es fehlt der wichtige Zusatz, der doch entscheidend ist: zu fast
keiner Zeit ist Goethe in Frankreich nur als Dichter, nicht auch als Deutscher
betrachtet worden.

Nicht erst bedürfte es nach vorausgegangener flüchtiger, aber bedingungs¬
loser Anerkennung und Verehrung des Dichters der tiefer blickenden Erkenntnis
Renans, der bereits in seinen Betrachtungen über das Jahr 1848 Goethe als
den Schmied deutscher Zusammengehörigkeit^) pries; schon in der Schwärmerei



i) "1/iäee as l'nunc allemanäs est venue per la seisnee et la litterature. Le peupls
ssmblait resiZne 5 la mort, it avait peräu toute consLience et ne eomptait plus comms
inäiviäuslite äsns le monäs, quancl un xroupe ineomparadls as Zeuch, (Zoetne, Lelüller,
Kant, Leetnovsn sont venus le reveler a lui-mens. Le sont la les vrais tonäateurs
as l'nunc allemanäe." l.'aver!r as 1a science, XXII, Paris 1890, S. 459.
Goethe-Forschung in Frankreich

Kreise bedürfen; Städte, Körperschaften, Behörden, Vereine und Einzelpersönlich¬
keiten sollten dazu beitragen, damit dasJnstitut tatsächlich in den Stand gesetzt werde,
dem gesamten Auslandsdeutschtum eine feste Stütze nicht nur in der kommenden
Übergangszeit, sondern auch für alle Zukunft zu sein: ein zuverlässiges Binde¬
mittel zwischen den Deutschen der Heimat und des Auslandes, ein starker Damm
gegen die Gefahr, daß deutsche Kraft im Auslande verloren gehe!




Goethe-Forschung in Frankreich
von Dr. Walter Heynen

I^e vainLU ne äistrikus pss as couronnss.
Kenan, Ksponse an äiscours as HI, Lnerbulie?.

mese Faguet hat einmal das Thema „Goethe in Frankreich" so
formuliert: „Dreißig Jahre lang war Goethe für die Franzosen
der Dichter des Werther, zwanzig der des ersten Teils Faust,
weitere zwanzig der des zweiten Teils. Gegenwärtig ist er der
Dichter des Werther, der beiden Teile Faust, der Lieder und einer
Art meo-spinozistischer Philosophie mit dem Glauben an den Fortschritt. Zu
keiner Zeit ist er weder als Verfasser der Wahlverwandtschaften oder des Wilhelm
Meister noch als Dramendichter für uns von Bedeutung gewesen."

Diese Sätze mögen den Vorzug einer schematisch richtigen Disposition haben,
darüber hinaus bieten sie nichts, weil sie sich an der Oberfläche halten und mit
keinem Wort der bald leckenden, bald reißend fortspülenden Unterströmung Er¬
wähnung tun. Es fehlt der wichtige Zusatz, der doch entscheidend ist: zu fast
keiner Zeit ist Goethe in Frankreich nur als Dichter, nicht auch als Deutscher
betrachtet worden.

Nicht erst bedürfte es nach vorausgegangener flüchtiger, aber bedingungs¬
loser Anerkennung und Verehrung des Dichters der tiefer blickenden Erkenntnis
Renans, der bereits in seinen Betrachtungen über das Jahr 1848 Goethe als
den Schmied deutscher Zusammengehörigkeit^) pries; schon in der Schwärmerei



i) »1/iäee as l'nunc allemanäs est venue per la seisnee et la litterature. Le peupls
ssmblait resiZne 5 la mort, it avait peräu toute consLience et ne eomptait plus comms
inäiviäuslite äsns le monäs, quancl un xroupe ineomparadls as Zeuch, (Zoetne, Lelüller,
Kant, Leetnovsn sont venus le reveler a lui-mens. Le sont la les vrais tonäateurs
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[0126] Goethe-Forschung in Frankreich Kreise bedürfen; Städte, Körperschaften, Behörden, Vereine und Einzelpersönlich¬ keiten sollten dazu beitragen, damit dasJnstitut tatsächlich in den Stand gesetzt werde, dem gesamten Auslandsdeutschtum eine feste Stütze nicht nur in der kommenden Übergangszeit, sondern auch für alle Zukunft zu sein: ein zuverlässiges Binde¬ mittel zwischen den Deutschen der Heimat und des Auslandes, ein starker Damm gegen die Gefahr, daß deutsche Kraft im Auslande verloren gehe! Goethe-Forschung in Frankreich von Dr. Walter Heynen I^e vainLU ne äistrikus pss as couronnss. Kenan, Ksponse an äiscours as HI, Lnerbulie?. mese Faguet hat einmal das Thema „Goethe in Frankreich" so formuliert: „Dreißig Jahre lang war Goethe für die Franzosen der Dichter des Werther, zwanzig der des ersten Teils Faust, weitere zwanzig der des zweiten Teils. Gegenwärtig ist er der Dichter des Werther, der beiden Teile Faust, der Lieder und einer Art meo-spinozistischer Philosophie mit dem Glauben an den Fortschritt. Zu keiner Zeit ist er weder als Verfasser der Wahlverwandtschaften oder des Wilhelm Meister noch als Dramendichter für uns von Bedeutung gewesen." Diese Sätze mögen den Vorzug einer schematisch richtigen Disposition haben, darüber hinaus bieten sie nichts, weil sie sich an der Oberfläche halten und mit keinem Wort der bald leckenden, bald reißend fortspülenden Unterströmung Er¬ wähnung tun. Es fehlt der wichtige Zusatz, der doch entscheidend ist: zu fast keiner Zeit ist Goethe in Frankreich nur als Dichter, nicht auch als Deutscher betrachtet worden. Nicht erst bedürfte es nach vorausgegangener flüchtiger, aber bedingungs¬ loser Anerkennung und Verehrung des Dichters der tiefer blickenden Erkenntnis Renans, der bereits in seinen Betrachtungen über das Jahr 1848 Goethe als den Schmied deutscher Zusammengehörigkeit^) pries; schon in der Schwärmerei i) »1/iäee as l'nunc allemanäs est venue per la seisnee et la litterature. Le peupls ssmblait resiZne 5 la mort, it avait peräu toute consLience et ne eomptait plus comms inäiviäuslite äsns le monäs, quancl un xroupe ineomparadls as Zeuch, (Zoetne, Lelüller, Kant, Leetnovsn sont venus le reveler a lui-mens. Le sont la les vrais tonäateurs as l'nunc allemanäe." l.'aver!r as 1a science, XXII, Paris 1890, S. 459.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332278/126>, abgerufen am 04.05.2024.