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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr.

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Noch ein Wort zum Kanzlerwechsel

Noch ein Wort zum Aanzlerwechsel
von Georg Lleinow,

le Art, wie Bethmanns Feinde im Innern hinter ihm herschimpfen,
ist widerlich! Das ist nicht deutsche Art, den niedergeworfenen zu
schmähen und zu begeifern; goldene Brücken bauen wir sonst dem
abziehenden Gegner! Das Verhalten mancher Blätter läßt Selbst¬
achtung und Würde vermissen und macht sie unfähig, fortab die
Nation zu führen. Das ist nicht heiliger Eifer, das ist Senilität. Uns draußen
aber zeigt es den ungeheueren Abstand zwischen dem scheidenden Kanzler und
seinen einheimischen Feinden, seine große moralische Überlegenheit über die Presse¬
meute, die ihm mit schäumenden Lefzen nachkläfft.

Wir haben seine Politik in den Reichslanden seinerzeit energisch bekämpft,
gegen seine oder richtiger gegen die von ihm geduldete Polenpoliiik hat Schreiber
dieser Zeilen nach besten Kräften -- leider erfolglos -- gearbeitet; in den Fragen
des Uboottrieges haben wir uns an jene Fachmänner der Kaiserlichen Marine ge¬
halten, die die uneingeschränkten Versenkungen feindlicher und neutraler Schiffe in
dem Augenblick befürworteten, als die Entfaltung unserer Seemacht tatsächlich eine
durchgreifende Wirkung versprach; freilich haben wir uns wohl gehütet, nach dem
Vorbilde anderer auf die Marineführung zu drücken, daß sie den Ubootkrieg auf¬
nähme, ebensowenig wie wir gegenwärtig die Oberste Heeresleitung drängen,
endlich zum Angriff überzugehen, obwohl uns der Verteidigungskrieg recht über¬
drüssig geworden und obwohl wir durch den Augenschein überzeugt sind, daß bei
allen Truppen hier vorn ein heißes Verlangen danach besteht, den Ring der Feinde
durch mächtigen Ursprung zu zerbrechen.

Was wir aber dem fünften Kanzler stets bei aller sonstigen Gegnerschaft hoch
angerechnet haben und was ihm unsere Kinder und Kindeskinder als bleiben¬
des Verdienst danken werden, das ist die Eingliederung der deutschen
Sozialdemokratie in die Front der den Staat, das Deutsche Reich erhalten¬
den Parteien. Unser Vaterland steht heute an der Schwelle des
vierten Kriegsjahres so groß und mächtig da, weil Bethmanns innerpolitische
Strategie aus dem guten Willen der Nation jene unerschütterliche Kampfbasis ge¬
schaffen hat, mit der Hindenburg seine geniale Kriegskunst sich ausleben lassen
konnte und kann. Dies wollen und dürfen wir dem Mann nicht vergessen, so
M Hinblick auf unsere eigene Zukunft wie aus den praktisch-politischen Erwägungen
der Gegenwart. Und noch ein Zweites: wenn heute nach drei Jahren Krieg unsere
Heerführer mit jedem deutschen Manne rechnen können, so hat einen guten Teil
des Verdienstes daran auch Bethmann Hollweg mit seiner so schnöde verlästerten
Politik der Friedensangebote. Sie hat den weittragenden Erfolg, daß hier draußen
jeder von uns überzeugt ist, nicht Utopien oder politischen Scheinerfolgen zuliebe
Angesetzt und geopfert zu werden. Ebenso wie der Krieg begonnen wurde unter
dem Druck furchtbarer Notwendigkeiten, so wird er nur unter diesem Druck fort¬
geführt und nicht als frivoles Spiel machthungriger Kliquen daheim. Dabei glaube
la niemand, daß in der Armee Stimmung für einen Verzichtfrieden vorhanden


Noch ein Wort zum Kanzlerwechsel

Noch ein Wort zum Aanzlerwechsel
von Georg Lleinow,

le Art, wie Bethmanns Feinde im Innern hinter ihm herschimpfen,
ist widerlich! Das ist nicht deutsche Art, den niedergeworfenen zu
schmähen und zu begeifern; goldene Brücken bauen wir sonst dem
abziehenden Gegner! Das Verhalten mancher Blätter läßt Selbst¬
achtung und Würde vermissen und macht sie unfähig, fortab die
Nation zu führen. Das ist nicht heiliger Eifer, das ist Senilität. Uns draußen
aber zeigt es den ungeheueren Abstand zwischen dem scheidenden Kanzler und
seinen einheimischen Feinden, seine große moralische Überlegenheit über die Presse¬
meute, die ihm mit schäumenden Lefzen nachkläfft.

Wir haben seine Politik in den Reichslanden seinerzeit energisch bekämpft,
gegen seine oder richtiger gegen die von ihm geduldete Polenpoliiik hat Schreiber
dieser Zeilen nach besten Kräften — leider erfolglos — gearbeitet; in den Fragen
des Uboottrieges haben wir uns an jene Fachmänner der Kaiserlichen Marine ge¬
halten, die die uneingeschränkten Versenkungen feindlicher und neutraler Schiffe in
dem Augenblick befürworteten, als die Entfaltung unserer Seemacht tatsächlich eine
durchgreifende Wirkung versprach; freilich haben wir uns wohl gehütet, nach dem
Vorbilde anderer auf die Marineführung zu drücken, daß sie den Ubootkrieg auf¬
nähme, ebensowenig wie wir gegenwärtig die Oberste Heeresleitung drängen,
endlich zum Angriff überzugehen, obwohl uns der Verteidigungskrieg recht über¬
drüssig geworden und obwohl wir durch den Augenschein überzeugt sind, daß bei
allen Truppen hier vorn ein heißes Verlangen danach besteht, den Ring der Feinde
durch mächtigen Ursprung zu zerbrechen.

Was wir aber dem fünften Kanzler stets bei aller sonstigen Gegnerschaft hoch
angerechnet haben und was ihm unsere Kinder und Kindeskinder als bleiben¬
des Verdienst danken werden, das ist die Eingliederung der deutschen
Sozialdemokratie in die Front der den Staat, das Deutsche Reich erhalten¬
den Parteien. Unser Vaterland steht heute an der Schwelle des
vierten Kriegsjahres so groß und mächtig da, weil Bethmanns innerpolitische
Strategie aus dem guten Willen der Nation jene unerschütterliche Kampfbasis ge¬
schaffen hat, mit der Hindenburg seine geniale Kriegskunst sich ausleben lassen
konnte und kann. Dies wollen und dürfen wir dem Mann nicht vergessen, so
M Hinblick auf unsere eigene Zukunft wie aus den praktisch-politischen Erwägungen
der Gegenwart. Und noch ein Zweites: wenn heute nach drei Jahren Krieg unsere
Heerführer mit jedem deutschen Manne rechnen können, so hat einen guten Teil
des Verdienstes daran auch Bethmann Hollweg mit seiner so schnöde verlästerten
Politik der Friedensangebote. Sie hat den weittragenden Erfolg, daß hier draußen
jeder von uns überzeugt ist, nicht Utopien oder politischen Scheinerfolgen zuliebe
Angesetzt und geopfert zu werden. Ebenso wie der Krieg begonnen wurde unter
dem Druck furchtbarer Notwendigkeiten, so wird er nur unter diesem Druck fort¬
geführt und nicht als frivoles Spiel machthungriger Kliquen daheim. Dabei glaube
la niemand, daß in der Armee Stimmung für einen Verzichtfrieden vorhanden


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[0139] Noch ein Wort zum Kanzlerwechsel Noch ein Wort zum Aanzlerwechsel von Georg Lleinow, le Art, wie Bethmanns Feinde im Innern hinter ihm herschimpfen, ist widerlich! Das ist nicht deutsche Art, den niedergeworfenen zu schmähen und zu begeifern; goldene Brücken bauen wir sonst dem abziehenden Gegner! Das Verhalten mancher Blätter läßt Selbst¬ achtung und Würde vermissen und macht sie unfähig, fortab die Nation zu führen. Das ist nicht heiliger Eifer, das ist Senilität. Uns draußen aber zeigt es den ungeheueren Abstand zwischen dem scheidenden Kanzler und seinen einheimischen Feinden, seine große moralische Überlegenheit über die Presse¬ meute, die ihm mit schäumenden Lefzen nachkläfft. Wir haben seine Politik in den Reichslanden seinerzeit energisch bekämpft, gegen seine oder richtiger gegen die von ihm geduldete Polenpoliiik hat Schreiber dieser Zeilen nach besten Kräften — leider erfolglos — gearbeitet; in den Fragen des Uboottrieges haben wir uns an jene Fachmänner der Kaiserlichen Marine ge¬ halten, die die uneingeschränkten Versenkungen feindlicher und neutraler Schiffe in dem Augenblick befürworteten, als die Entfaltung unserer Seemacht tatsächlich eine durchgreifende Wirkung versprach; freilich haben wir uns wohl gehütet, nach dem Vorbilde anderer auf die Marineführung zu drücken, daß sie den Ubootkrieg auf¬ nähme, ebensowenig wie wir gegenwärtig die Oberste Heeresleitung drängen, endlich zum Angriff überzugehen, obwohl uns der Verteidigungskrieg recht über¬ drüssig geworden und obwohl wir durch den Augenschein überzeugt sind, daß bei allen Truppen hier vorn ein heißes Verlangen danach besteht, den Ring der Feinde durch mächtigen Ursprung zu zerbrechen. Was wir aber dem fünften Kanzler stets bei aller sonstigen Gegnerschaft hoch angerechnet haben und was ihm unsere Kinder und Kindeskinder als bleiben¬ des Verdienst danken werden, das ist die Eingliederung der deutschen Sozialdemokratie in die Front der den Staat, das Deutsche Reich erhalten¬ den Parteien. Unser Vaterland steht heute an der Schwelle des vierten Kriegsjahres so groß und mächtig da, weil Bethmanns innerpolitische Strategie aus dem guten Willen der Nation jene unerschütterliche Kampfbasis ge¬ schaffen hat, mit der Hindenburg seine geniale Kriegskunst sich ausleben lassen konnte und kann. Dies wollen und dürfen wir dem Mann nicht vergessen, so M Hinblick auf unsere eigene Zukunft wie aus den praktisch-politischen Erwägungen der Gegenwart. Und noch ein Zweites: wenn heute nach drei Jahren Krieg unsere Heerführer mit jedem deutschen Manne rechnen können, so hat einen guten Teil des Verdienstes daran auch Bethmann Hollweg mit seiner so schnöde verlästerten Politik der Friedensangebote. Sie hat den weittragenden Erfolg, daß hier draußen jeder von uns überzeugt ist, nicht Utopien oder politischen Scheinerfolgen zuliebe Angesetzt und geopfert zu werden. Ebenso wie der Krieg begonnen wurde unter dem Druck furchtbarer Notwendigkeiten, so wird er nur unter diesem Druck fort¬ geführt und nicht als frivoles Spiel machthungriger Kliquen daheim. Dabei glaube la niemand, daß in der Armee Stimmung für einen Verzichtfrieden vorhanden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332278/139>, abgerufen am 04.05.2024.